Bartisch mit Bierflasche
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Wirtschaft

Clubszene: Wr. Neustadt geht eigenen Weg

Während manche Nachtclubs noch geschlossen sind, geht die Wiener Neustädter Partymeile einen eigenen, teils umstrittenen Weg. In der Herrengasse lässt sich das Personal aller Lokale wöchentlich auf CoV testen, Gäste müssen sich namentlich registrieren.

Wie schwer es ist, einheitliche Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus im Nachtleben zu finden, haben die vergangenen Monate gezeigt. Spätestens seit den Negativschlagzeilen rund um einen infizierten Kellner eines Lokals in der Herrengasse suchte man in Wiener Neustadt eigenständig nach besseren Lösungen für das Nachtleben.

Wie die Stadt im Vorfeld verlautbart hatte, gelten seit dem Wochenende in der Herrengasse, auf der Partymeile Wiener Neustadts, verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. An Partyabenden wird die schmale Gasse mit Straßensperren abgeriegelt, Sicherheitspersonal misst bei den auf 500 Personen limitierten Gästen Fieber und kontrolliert den Zutritt. Wer ein Lokal besuchen möchte, muss sich vorab namentlich im Internet registriert haben. Das Personal wird wöchentlich auf das Coronavirus getestet.

Umstrittene Gästelisten

Der Grund, warum Regeln wie diese nicht flächendeckend in allen Lokalen gelten können, liegt laut Mario Pulker, dem Fachverbandsobmann der Gastronomie in der Wirtschaftskammer, daran, dass für solche Maßnahmen die rechtliche Grundlage fehle. In Wiener Neustadt haben sich Stadt und Lokalbetreiber der Herrengassenlokale auf diese Maßnahmen gemeinsam geeinigt, wie beide Seiten betonen.

Wenn sich eine infizierte Person in einem Lokal aufgehalten hat, können mit Hilfe von Gästelisten Kontaktpersonen ausfindig gemacht werden. Der Haken dabei ist laut Pulker aber ein doppelter und daher nicht flächendeckend in ganz Österreich umsetzbar: Weder kann ein Lokalbetreiber derzeit von einer Behörde verpflichtet werden, eine Gästeliste zu führen, noch sind die Gäste gezwungen, sich in die Liste einzutragen. „Wenn der Gast seinen Namen nicht angeben will, bist du als Unternehmer hier ohne Handhabe.“

Damit ist die Rückverfolgung von Kontakten also selbst mit Gästelisten nicht lückenlos möglich, der Aufwand für die Betreiber aber sehr groß. Denn Listen müssen vom Betrieb genau geführt und aus Datenschutzgründen zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder verpflichtend vernichtet werden. Laut Pulker brauchten die Gastronomiebetriebe eine „Lösung, die über diese Zettelwirtschaft hinausgeht“.

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Zugangskontrolle Securities
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Der Zutritt zur Herrengasse wird streng kontrolliert. Wer hinein will, muss Fieber messen
Ausweiskontrolle
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Gäste müssen sich in den Lokalen unter Angabe ihrer Kontaktdaten registrieren
Partyszene
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Das Personal aller Lokale lässt sich jede Woche auf das Coronavirus testen
Partyszene
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In der Herrengasse dürfen sich maximal 500 Personen gleichzeitig aufhalten

Clubszene war zuletzt stark in der Kritik

Eine gewisse Sicherheit bringen derzeit PCR-Tests, mit deren Hilfe das Personal vorbeugend auf das Coronavirus untersucht werden soll. Aber auch diese Maßnahme ist laut Pulker an die Freiwilligkeit der Betroffenen geknüpft. Als Lokalbetreiber könne man seinem Personal nur Empfehlungen geben. „Eine gesetzliche Handhabe als Unternehmer habe ich auch hier nicht. Eine Anweisung zu geben, sich testen lassen zu müssen, ist nicht möglich.“

Wenn man sich in Wiener Neustadt umhört, betonen alle, gemeinsam an dieser freiwilligen Lösung gearbeitet zu haben – sowohl im Magistrat als auch in den Lokalen. Auch beim Personal könne man auf Verständnis bauen, erklären die Lokalbetreiber, die sich gegenüber noe.ORF.at aber beinahe geschlossen nicht namentlich äußern wollten. Auskunft gaben sie ausschließlich informell. Zu groß sei ihre Vorsicht mittlerweile, sich öffentlich zu äußern. Als Nachtgastronomen seien sie seit Ausbruch der Pandemie stark in die Kritik geraten.

Rudolf Müllner hat sein Lokal genau zum Zeitpunkt der verschärften Schutzmaßnahmen eröffnet. Er erzählt als Einziger bereitwillig, dass es wichtig gewesen sei, nach den Negativschlagzeilen der letzten Wochen eine gewisse Sicherheit ins Wiener Neustädter Nachtleben zu bringen. Als Gastronom brauche man derzeit zweierlei – „einerseits muss man mit der Stadt ein gutes Auslangen finden, andererseits wollen wir aber auch, dass die Gäste wiederkommen“.

Arbeiten an einem „sicheren Partybetrieb“

Angesprochen auf die Absperrungen zu Beginn der Herrengasse, die namentlichen Kontrollen und die versprochenen Tests beim Lokalpersonal erklärt Magistratsdirektor Markus Biffl, dass es sich um „Vorsichtsmaßnahmen handelt, die gesetzt wurden, um im Fall einer Ansteckung ein lückenloses Contact-Tracing durchführen zu können“.

Dass durch die Absperrungen und die enorme Anzahl an Sicherheitskräften bei Besucherinnen und Besuchern der Eindruck entstehen könnte, zur Bekanntgabe ihrer Daten verpflichtet zu sein, will er nicht stehen lassen, verweist aber zugleich auf „das Hausrecht jedes Lokalbetreibers, Gäste auch abweisen zu können. Ich möchte aber betonen, dass die Gäste das freiwillig machen und es obendrein sinnvoll ist, weil es zur Sicherheit beiträgt.“ Denn im Infektionsfall könne man mit den gesetzten Regeln alle Kontaktpersonen ausfindig machen. „Und an den Daten hat eine Gesundheitsbehörde ausschließlich im Infektionsfall Interesse“, so Biffl.

Wiener Neustadt kann „Vorreiterrolle“ einnehmen

Den Preis für das neue Sicherheitskonzept zahlen die Gäste. Mittels Eintrittsgebühren wird gleich nach dem Fiebermessen ein Eintrittsgeld von fünf Euro eingehoben, mit dem der finanzielle und personelle Mehraufwand der Lokalbetreiber finanziert wird. Hört man sich unter den Gästen um, scheinen tatsächlich die wenigsten ein Problem mit den neuen Maßnahmen zu haben und auch bereitwillig ihre Daten bekanntzugeben. Hauptsache, das Nachtleben kann nach den Monaten der geschlossenen Bars und Clubs wieder weitergehen.

Für den größten Unmut sorgt die Sperrstunde um 1.00 Uhr. Die Lokalbetreiber sind dennoch froh, zumindest bis 1.00 Uhr geöffnet haben zu dürfen. Nach den Monaten ohne Umsatz und den Negativschlagzeilen wünschen sie sich einen „sicheren Partybetrieb“. Schließlich müsse auch in Krisenzeiten gefeiert werden können, die Sicherheit der Gäste und Angestellten gehe aber vor. Mit den neuen Maßnahmen sei es gelungen, beides zu verbinden, hört man unisono.

Gastronom Müllner möchte mit seinen Kolleginnen und Kollegen zeigen, „dass man mit Freiwilligkeit am meisten erreicht. Vielleicht nehmen wir in Wiener Neustadt damit noch eine Vorreiterrolle ein. Das Thema wird uns jedenfalls noch länger beschäftigen.“ Die Nachtgastronomie in Wiener Neustadt lebt also weiter – zumindest solange alle mitmachen.