Das Dschungelbuch in der Inszenierung von Robert Wilson
Lucie Jansch
Lucie Jansch
Kultur

Festspielhaus eröffnet mit „Dschungelbuch“

„Ich habe das ‚Dschungelbuch‘ im Alter von vier, fünf Jahren von meiner Tante in Texas das erste Mal vorgelesen bekommen“, sagt Robert Wilson. Am 26. und 27. September gastiert der Theatermagier mit einer poppigen Musiktheater-Version des Kultbuches in St. Pölten.

Die Inszenierung des umtriebigen US-Künstlers, bei der er nach „Peter Pan“ wieder mit dem exzentrischen Pop-Duo CocoRosie zusammenarbeitete, hatte im Vorjahr als Produktion des Pariser Theatre de la Ville in Luxemburg Premiere. „Diese Arbeit geht auf eine Idee meines verstorbenen Freundes Pierre Berge zurück“, erzählt Wilson im Gespräch mit APA-Redakteur Wolfgang Huber-Lang. „Ich mochte die Idee, aus einem Kinderbuch einen Abend für die ganze Familie zu machen, der obendrein weltweit verstanden werden würde.“

Es sei offensichtlich, dass die Geschichte um das Findelkind Mowgli, das unter Tieren im Dschungel aufwächst, heute, wo das friedliche Zusammenleben von Menschen jeder Herkunft und Hautfarbe in den USA jeden Tag aufs Neue infrage gestellt werde, neue Aktualität erhalte. „Ich werde in wenigen Wochen 79. Im Alter von 27 Jahren habe ich einen tauben, afroamerikanischen Jungen adoptiert, dem zuvor keinerlei Schulbildung ermöglicht wurde. Das hat mein Leben verändert“, sagt Wilson. Das von diesem Buben, Raymond Andrews, inspirierte stumme Stück „Deafman Glance“ wurde 1970 zu einem der ersten großen Erfolge des Multi-Künstlers, der mit seinen hochästhetischen Bühnenshows die Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts mitschrieb.

„Ich muss immer tausend Dinge gleichzeitig machen“

Der Corona-Shutdown erwischte Robert Wilson in Berlin, kurz nachdem er in der Galerie Thomas Schulte eine von ihm kuratierte Ausstellung mit Fotos von Robert Mapplethorpe eröffnet hatte. „Es war eine sehr schwierige Situation. Ich musste mich in Selbstisolation begeben und konnte nicht in die USA zurück.“ Das von ihm gegründete Watermill Center in New York musste erstmals seit 1992 sein Sommerprogramm absagen.

Robert Wilson 2009
APA/Helmut Lunghammer
Robert Wilson über das „Dschungelbuch“: „Ich mochte die Idee, aus einem Kinderbuch einen Abend für die ganze Familie zu machen, der obendrein weltweit verstanden werden würde.“

In der Berliner Quarantäne entwickelte er einen „Online Viewing Room“ für Videoporträts von Lady Gaga bis Winona Ryder. Denn Wilson ist definitiv nicht der Typ, erzwungene Pausen zum Nichtstun und Ausspannen zu verwenden. „Das ist einfach meine Natur: Ich muss immer tausend Dinge gleichzeitig machen. Als ich zwölf war, hat mein Vater gesagt: ‚Bob hat zu viele Sachen im Kopf. Er muss lernen, sich auf etwas zu konzentrieren – sonst wird das niemals klappen‘“, lacht er.

Ein Blick auf seine Website offeriert eine beeindruckende Fülle von Produktionen im typischen Robert-Wilson-Design, die auf Gastspielen und Tourneen auf der ganzen Welt unterwegs sind und von Veranstaltern gebucht werden können. Seine mit Tom Waits und Kathleen Brennan nach dem Vorbild des Welterfolgs „The Black Rider“ und des Musicals „Alice“ entwickelte „Woyzeck“-Musical-Version, die er im Jahr 2000 in Kopenhagen herausbrachte und die am 19. September am Landestheater Vorarlberg herauskommt, ist nicht darunter. Es handle sich um ein Stück, von dem man die Rechte an Text und Songs erwerben könne und bei dem er mit Regie und Dekor nichts mehr zu tun habe, erläutert Wilson. „Tatsächlich wird unser ‚Woyzeck‘ viel nachgespielt. Und jetzt auch in Bregenz? Das ist schön zu hören, das freut mich!“

„Jetzt aufzugeben hieße, es sich zu leicht zu machen“

Nach St. Pölten wird er persönlich kommen. Österreich habe er schon als Student einige Male bereist und dabei die wunderschöne Landschaft lieben gelernt, erzählt er. Auch bei den Wiener Festwochen war er immer wieder vertreten, zuletzt im Vorjahr mit „Mary Said What She Said“ mit Isabelle Huppert. „Leider habe ich aber in Wien lange nicht so oft gearbeitet wie etwa in Berlin oder Paris.“

Das Dschungelbuch in der Inszenierung von Robert Wilson
Lucie Jansch
Mit Robert Wilsons „Dschungelbuch“ wird Ende September die Saison 2020/21 des Festspielhauses St. Pölten eröffnet

Und in Salzburg war er natürlich auch immer wieder. Bei der Mozartwoche brachte er zuletzt eine szenische Version von Händels „Messias“-Oratorium auf die Bühne. Die für das heurige Jubiläums-Festival geplante Wiederaufnahme bei den Salzburger Festspielen sei nun auf 2021 verschoben, sagt Wilson, der gerade dabei ist, die für 16. September geplante Paris-Premiere dieser Produktion im Theatre de Champs Elysee vorzubereiten.

Bereits am 13. September eröffnet er in der Galerie Ropac in Paris eine Ausstellung seiner Zeichnungen zu „Der Messias“. „In meiner Berliner Isolation hatte ich ein Atelier in der Akademie der Künste – und viel Zeit für viele neue Zeichnungen“, schmunzelt der Unermüdliche. Und überhaupt sei Kreativität die beste Antwort auf das Coronavirus: „Wir müssen weitermachen. Wir müssen eben noch kreativer sein. Jetzt aufzugeben hieße, es sich zu leicht zu machen.“

Festpielhaus-Motto: „Die Kultur lebt!“

„Die Kultur lebt!“ Unter diesem optimistischen Motto hatte die Niederösterreichische Kulturwirtschaft (NOEKU) am Freitagabend Förderer, Sponsoren und Abonnenten zu einem Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich ins Festspielhaus St. Pölten geladen. Zu hören gab es Werke von Mendelssohn-Bartholdy und Beethoven, am Pult stand Jun Märkl, langjähriger Gastdirigent des Orchesters.

Auch wenn der offizielle Start der Saison 2020/21 im Festspielhaus erst am 26. September mit Robert Wilsons „Jungle Book“ erfolgt, konnte man sich bereits ein Bild über coronavirusbedingte Maßnahmen machen. Verschiedene Zugänge, unterschiedlich gefärbte Wartezonen, Maskenpflicht bis Konzertbeginn, gestaffelter Ausgang: Das sind auch in St. Pölten die neuen Spielregeln für das Publikum. „Im Festspielhaus St. Pölten werden ab Herbst Veranstaltungen mit circa 700 Personen möglich sein“, ließ die NOEKU-Geschäftsführung im Vorfeld der Veranstaltung wissen.