Erzbischof Christopf Schönborn im Juni 2019 bei einer Messe im Wiener Stephansdom
APA/EXPA/Michael Gruber
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Religion

Schönborn seit 25 Jahren Wiener Erzbischof

Kardinal Christoph Schönborn ist seit 25 Jahren Wiener Erzbischof – und damit auch für das Wein- und Industrieviertel zuständig – und könnte das noch eine Weile bleiben. Der Vatikan verlängerte seine Amtszeit nach dem Rücktrittsgesuch auf unbestimmte Zeit.

Nachdem Österreichs höchstrangiger katholischer Geistlicher im Jänner das Pensionsalter erreicht und seinen Rücktritt eingereicht hatte, bleibt der 75-Jährige an der Spitze der Erzdiöses Wien – auf unbestimmte Zeit, so die Entscheidung des Vatikans. Seit seinem Amtsantritt 1995 begleiten Schönborn immer wieder Krisen seiner Kirche.

Schönborn gilt als weltoffen und intellektuell

Schönborn gilt in Kirchenkreisen als weltoffen und intellektuell. Seine fast verschämte Art, Glaubenswahrheiten zu verkünden, beeindruckt selbst liberale Kritiker des aus adeligem Hause stammenden Dominikaners, dessen Stammbaum mit mehr als einem Dutzend Bischöfen und Kardinälen aufwarten kann. Beim kritischen Kirchenvolk hat es Schönborn hingegen schwerer. Er greift „heiße Eisen“ oft zögerlich an und reagiert dann im vertrackten Kirchensprech.

Letztlich fallen Schönborn aber doch noch – zumindest für hohe Kleriker – deutliche Worte ein. In der Causa um den 2009 schlussendlich verhinderten Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner war es etwa ein geharnischter Hirtenbrief der Österreichischen Bischofskonferenz, deren Vorsitzender Schönborn war. Bemerkenswert war zuletzt ein offenes Gespräch mit einer ehemaligen Nonne über Missbrauch in der Kirche, bei dem Schönborn einräumte, selbst Opfer geworden zu sein.

Fürsprecher eines interreligiösen Dialogs

Nach dem Tod von Johannes Paul II. firmierte Schönborn im „Papst-Toto“ ganz oben. Der immer elegant auftretende Kardinal ist nicht nur einer der profiliertesten Fürsprecher des interreligiösen Dialogs, er schrieb sich auch die innere Erneuerung des Katholizismus auf seine Fahnen. Diesbezüglich prägend für den mit 18 Jahren in ein westfälisches Kloster eingetretenen Dominikaner erwies sich der französische Theologe Yves Congar. Dieser machte Schönborn während seines – mit Auszeichnung abgeschlossenen – Doktoratsstudiums in Paris mit französischen Erneuerungsbewegungen bekannt, die nach einem neuen Platz für die Kirche in einer säkularen Welt suchten.

Kardinal Christoph Schönborn im Erzbischöflichen Palais
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Kardinal Christoph Schönborn ist seit 25 Jahren Wiener Erzbischof – und könnte das noch eine Weile bleiben

Der Sohn einer alleinerziehenden Mutter verlor seine Begeisterung für Erneuerungsbewegungen wie das „Neokatechumenat“ bis heute nicht. Beobachter sehen darin die Strategie, die katholische Kirche auf einen „gesunden harten Kern“ tief Gläubiger zu konzentrieren, statt die große Masse von „Taufscheinchristen“ mit Konzessionen an den „Zeitgeist“ bei der Stange zu halten. In diesem Licht ist auch die Sympathie Schönborns für das orthodoxe Judentum zu sehen. So bezeichnete er es als „lebenswichtig“ für die Zukunft der Kirche, die Bibel „im Lichte ihrer jüdischen Auslegung“ zu studieren. Bei einer Jerusalem-Reise der österreichischen Bischöfe, aber auch bei anderen Anlässen fand Schönborn immer wieder deutliche Worte zum Holocaust, was ihm Lob vonseiten der jüdischen Gemeinde einbrachte.

Aber auch gegenüber dem Islam betätigte sich Schönborn als „Eisbrecher“. Als erster Kardinal traf er 2001 im Iran mit der religiösen und weltlichen Führung des islamischen „Gottesstaates“ zusammen. Nach den Terrorattacken gegen die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ kritisierte er sogar die seiner Meinung nach „verächtlich machenden und vulgären Karikaturen“ darin. Weniger ins Bild passten seine Worte zu einem „dritten islamischen Versuch der Eroberung Europas“. Nach heftigen Reaktionen und mit Verweis auf den „Missionsauftrag des Islam“ sprach er von einem „Missverständnis“.

Schönborn steht fest zur Linie des Vatikans

In gesellschaftspolitischen Bereichen marschiert der Wiener Erzbischof die Vatikan-Linie treu mit, zum Beispiel bei der Ablehnung von Abtreibungen. Kirchenkritikern, die etwa die Abschaffung des Zölibats und die Priesterweihe für Frauen fordern, begegnet Schönborn zwar freundlich im Ton, aber hart in der Sache. Den Wechsel von Papst Benedikt XVI. zum liberalen Franziskus vollzog Schönborn ebenfalls mit: Bei der Familiensynode des Vatikans äußerte sich Schönborn für seine Verhältnisse überraschend offen zu homosexuellen Partnerschaften.

Gute Verbindungen hat der am 22. Jänner 1945 im böhmischen Skalsko geborene Schönborn in den Vatikan. Beobachter sagen ihm ein Naheverhältnis zu Benedikt XVI. seit dessen Jahren als Präfekt der Vatikanischen Glaubenskongregation nach. Anfang der 1970er Jahre absolvierte Schönborn ein Studienjahr bei ihm an der Universität Regensburg. 1981 berief Josef Ratzinger den begabten Dominikaner, der Französisch, Spanisch, Englisch und Italienisch spricht, in die internationale Theologenkommission des Vatikans und machte ihn zum Redakteur des Weltkatechismus (1992), der die Glaubenslehre der katholischen Kirche festschreibt. Ein Höhepunkt in Schönborns bisheriger Amtszeit war der Besuch des Heiligen Vaters 2007 in Österreich.

Papst Benedikt XVI. und Kardinal Christoph Schönborn bei einer Messe in Mariazell 2013
APA/Hans Klaus Techt
Papst Benedikt XVI. und Kardinal Christoph Schönborn bei einer Messe in Mariazell 2013

Den österreichischen Katholiken ist der nach der Vertreibung seiner Familie in Vorarlberg aufgewachsene Schönborn vor allem als Krisenmanager bekannt. Seit 1991 Wiener Weihbischof, verdankte er seinen größten Karrieresprung der schwersten Kirchenkrise Österreichs. Nachdem sein Vorgänger Hans Hermann Groer wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs von Zöglingen abtreten musste, wurde Schönborn im September 1995 Wiener Erzbischof. Als solcher betrieb er auch die Demontage des streitbaren St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn, der im Herbst 2004 über eine Sexaffäre an seinem Priesterseminar stolperte. Dabei gilt Schönborn – seit 1998 Kardinal – als äußerst konfliktscheu. So entließ er im Jahr 1999 seinen Generalvikar Helmut Schüller, indem er ihm kurzerhand den „Blauen Brief“ unter der Tür durchschob.

Der Kardinal bleibt auf unbestimmte Zeit im Amt

Bereits bei der Amazonien-Synode im Oktober 2019 reichte Schönborn seinen Rücktritt ein, da er im Jänner darauf das Pensionsalter für Bischöfe erreichen würde. Trotzdem blieb er als Wiener Erzbischof im Amt, und das auf unbestimmte Zeit. Eine berufliche Entlastung brachte für ihn die Übergabe des Vorsitzes der Bischofskonferenz im Juni. Sein Nachfolger wurde Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, von dem nicht ausgeschlossen wird, dass er dem Kardinal auch in der Erzdiözese Wien folgt.

Sein Privatleben hält Schönborn streng unter Verschluss. Der Kardinal, der seine Kindheit in Schruns (Vorarlberg) verbrachte, ist leidenschaftlicher Jasser, ein Kartenspiel, zu dem er des öfteren ehemalige Landsleute in Wien trifft. Sein Bruder ist der Schauspieler Michael Schönborn. Bekannt wurden zuletzt gesundheitliche Probleme des Wiener Erzbischofs. Nach einer erfolgreichen Krebsoperation zog er sich einen Lungeninfarkt zu, von dem er sich derzeit erholt.

Auf Wunsch Christoph Schönborns gibt es keine große Feier. Ein Gedenken an das Jubiläum findet während der Chrisammesse statt, die am Montag um 18.00 Uhr im Wiener Stephansdom gefeiert wird und per Livestream übertragen wird. Die Chrisammesse findet in der Erzdiözese Wien traditionellerweise jeweils am Montag der Karwoche statt. Coronavirusbedingt feiert sie Kardinal Schönborn heuer am 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung.