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Gericht

Prozess gegen Pflegekräfte gestartet

Am Landesgericht St. Pölten hat am Mittwoch der Prozess gegen vier ehemalige Bedienstete eines Pflegeheims in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten) begonnen, die alte Menschen gequält haben sollen. Die Angeklagten streiten alle Vorwürfe ab.

Angeklagt sind ein 30-jähriger Mann sowie drei Frauen im Alter von 34, 53 und 55 Jahren. Sie sollen in ihrer Tätigkeit als Pfleger beziehungsweise als Pflegehelfer im Heim in Kirchstetten alte Menschen geschlagen, gequält und zu heiß geduscht haben.

Die Opfer „waren bettlägerig oder auf den Rollstuhl angewiesen und nicht mehr mitteilungsfähig – keiner von ihnen konnte uns etwas dazu sagen, was ihnen passiert ist“, betonte die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag. Die Anklage stützt sich daher auf Anzeigen zweier anderer Mitarbeiterinnen des Pflegeheims und auf Protokollen einer dienstlichen WhatsApp-Gruppe.

Stefan Gloß, der Verteidiger der vier Beschuldigten, bezeichnete die Anzeigen gegen seine Mandanten als dünn. Außerdem würden sich in den Protokollen der Pflegedokumentation keine Hinweise auf Verletzungen der betroffenen Heimbewohner finden. „Meine vier Angeklagten wurden von der Staatsanwaltschaft nie gehört“, bemängelte der Verteidiger weiters.

Angeklagter bezeichnete sich als „Master of death“

Zwei der vier Angeklagten kamen am ersten Tag des Schöffenverfahrens zu Wort. Der 30-Jährige und die 34 Jahre alte Angeklagte bekannten sich nicht schuldig. Zentral war in beiden Einvernahmen die dienstliche WhatsApp-Gruppe, in der immer wieder beleidigende und ordinäre Kommentare in Bezug auf die Heimbewohner ausgetauscht worden waren. Er habe sich etwa im Chatverlauf als „Master of death“ bezeichnet, weil davor mehrere Bewohner verstorben seien, räumte der 30-Jährige ein. Dies sei zwar nicht professionell, aber auch nicht illegal gewesen, meinte er. Alle Beiträge hätten nichts mit realen Übergriffen zu tun gehabt.

Dem pflichtete die 34-jährige ehemalige Pflegehelferin bei. Die gebürtige Waldviertlerin sprach davon, dass in der Gruppe mit „übertriebenem Sarkasmus“ jene Sachen ins Lächerliche gezogen worden seien, „die den ganzen Tag über passieren“ – zur Verarbeitung des Pflegeablaufs. Die abgesetzten Mitteilungen seien durchgehend übertrieben gewesen. Generell seien die gegen sie im Raum stehenden Vorwürfe „abartig“.

Prozess wird kommenden Mittwoch forgesetzt

Weitere Stellungnahmen der Angeklagten zu den konkret vorgeworfenen Taten bekamen Beobachter am Mittwoch nicht zu hören. Die entsprechenden Teile der Einvernahmen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Auf dem Programm stehen dann die Einvernahmen der 52-jährigen und der 55-jährigen Angeklagten. Beide wurden am ersten Verhandlungstag nicht dazu befragt, ob sie sich schuldig bekennen. Auch diese Frauen hatten im Verlauf des Ermittlungsverfahrens jedoch sämtliche Vorwürfe bestritten. Im Fall einer Verurteilung droht dem Quartett bis zu zehn Jahre Haft.

Ermittlungen laufen seit 2016

Seit Oktober 2016 wurde gegen fünf ehemalige Pflegekräfte des Heims im Bezirk St. Pölten ermittelt. Gegen einen Verdächtigen war das Verfahren eingestellt worden, wie die Staatsanwaltschaft St. Pölten bereits Mitte Jänner mitteilte.

Im Zuge der Ermittlungen wurden die Leichen mehrerer ehemaliger Heimbewohner exhumiert. Ein toxikologisches Gutachten ergab jedoch im Frühjahr 2019 keine Anzeichen, dass den Patienten systematisch ein Medikament verabreicht wurde, das den Todeseintritt beschleunigt haben könnte. Ein Verdacht in Richtung eines Tötungsdelikts erhärtete sich daher nicht.