Auf Initiative von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger unterzeichneten alle involvierten Stakeholder ? von den Rübenbauern, über die Agrana bis hin zu Bundesländer-Vertretern ? einen ?Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers?. Mit dem Ziel, dass die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf erhalten bleibt, sollen die Zuckerrübenanbauflächen in den kommenden gesteigert werden.
Christian Lendl
Christian Lendl
Landwirtschaft

Neuer Pakt zur Rettung von Zuckerwerk

Ein „Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers“, auf den sich Bund, Land, Agrana sowie Vertreter der Branche geeinigt haben, soll die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf im Marchfelde (Bezirk Gänserndorf) sichern. Eine Wiederanbauprämie soll die Bauern zum Rübenanbau motivieren.

Es ist ein Branchenpakt, der die niederösterreichische Agrana-Zuckerfabrik in Leopoldsdorf im Marchfelde mit 150 Mitarbeitern für die nächsten drei Jahre retten soll. Am Donnerstag war ein zweiter Anlauf für die Rettung der Zuckerfabrik unternommen worden. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP), Agrana-Vorstandsvorsitzender Johann Marihart und der Obmann des österreichischen Rübenbauernverbandes, Ernst Karpfinger, einigten sich bei diesem zweiten „Rübengipfel“ schließlich auf einen „Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers“.

Wiederanbauprämie soll Rübenbauern „zurückholen“

Im Zentrum dieses Pakts steht vor allem eine Wiederanbauprämie in der Höhe von 250 Euro pro Hektar Schadfläche, die an die Landwirte im Schadensfall ausgezahlt wird. So soll es gelingen, wieder mehr Bauern davon zu überzeugen, Zuckerrüben anzubauen, denn in den letzten Jahren war die Anbaufläche deutlich zurückgegangen.

„Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir ein deutliches Signal an die Bauern aussenden“, sagte Landwirtschaftsministerin Köstinger am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Wiederanbauprämie werde das Risiko für die Rübenbauern minimieren. Ziel des Pakts sei es, die Versorgungssicherheit in Österreich mit Zucker sicherzustellen. „Wir werden die Landwirte wieder zurückzuholen“, zeigte sich auch der Obmann des österreichischen Rübenbauernverbandes, Ernst Karpfinger, zuversichtlich, dass die Bauern die anvisierte Anbaufläche von 38.000 Hektar zusagen, aber es werde „eine große Herausforderung“.

Auf Initiative von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger unterzeichneten alle involvierten Stakeholder ? von den Rübenbauern, über die Agrana bis hin zu Bundesländer-Vertretern ? einen ?Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers?. Mit dem Ziel, dass die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf erhalten bleibt, sollen die Zuckerrübenanbauflächen in den kommenden gesteigert werden.
Christian Lendl
Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Agrana-Vorstandsvorsitzender Johann Marihart und der Obmann des österreichischen Rübenbauernverbandes, Ernst Karpfinger, einigten sich auf einen „Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers“

Rübenanbaufläche muss auf 38.000 Hektar steigen

Das Aus für die Zuckerfabrik Leopoldsdorf sei vom Tisch, wenn bis Mitte November die mit den Bauern vereinbarte Rübenanbaufläche für die Jahre 2021 bis 2023 auf 38.000 Hektar steige, sagte Agrana-Chef Johann Marihart. Heuer liegt die Anbaufläche bei etwa 26.000 Hektar. Ende August hatte der Agrana-Konzern wegen der stark gesunkenen Zuckerrübenanbaufläche das Aus der Zuckerfabrik in Leopoldsdorf im Jahr 2021 anvisiert – mehr dazu in Zuckerfabrik Leopoldsdorf vor dem Aus (noe.ORF.at; 25.8.2020). Der Pakt sei ein „wichtiges Signal für den Rübenanbau und die Mitarbeiter“, so Marihart, „jetzt geht es um die Umsetzung des Pakets. Wir werden unseren Teil dazu beitragen“.

Weiters fixiert wurde im Rahmen des Branchenpakts die mögliche Notfallzulassung von Neonicotinoid-haltigen Pflanzenschutzmitteln für die Saatgut-Beizung, inklusive wissenschaftlicher Prüfung durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit und ein begleitendes Bienenmonitoring. Landwirtschaftsministerin Köstinger kündigte außerdem verstärkte Forschungsaktivitäten an. So investiere man eine Million Euro, um klimaresistente Züchtungen zu forcieren. „All das, was wir hier heute beschlossen haben, soll nämlich nachhaltig wirken und die Zuckerproduktion auch in den nächsten Jahren absichern“, so Köstinger.

Pernkopf: „Bekenntnis zum heimischen Zucker“

Ein Signal soll der Pakt nicht nur für die Rübenbauern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Leopoldsdorf sein, sondern auch, wenn es um die Frage der Selbstversorgung geht. Gerade die letzten Wochen hätten gezeigt, wie wichtig Versorgungssicherheit ist, betonte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf: „Die heutige Einigung ist ein Bekenntnis zum heimischen Zucker, ein Bekenntnis zur Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln und ein Bekenntnis zu heimischen Arbeitsplätzen in unseren Regionen. Jetzt geht es um die Umsetzung, es kann gelingen.“

Auf Initiative von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger unterzeichneten alle involvierten Stakeholder ? von den Rübenbauern, über die Agrana bis hin zu Bundesländer-Vertretern ? einen ?Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers?. Mit dem Ziel, dass die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf erhalten bleibt, sollen die Zuckerrübenanbauflächen in den kommenden gesteigert werden.
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Der erste „Rübengipfel“ war noch ergebnislos verlaufen, beim zweiten Anlauf konnte man sich schließlich einigen

Landwirtschaftskammer sieht „positives Signal“

Der Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Johannes Schmuckenschlager, bewertete den Pakt als „ein positives Signal für unsere Bäuerinnen und Bauern“ und als „einen wichtigen Schritt, um die Zuckerrübenflächen wieder zu erhöhen und die Eigenversorgung abzusichern“.

Die Prämie würde gewährleisten, dass die Entschädigung zielgerichtet bei jenen Bäuerinnen und Bauern ankomme, die in den letzten Jahren durch das massiv erhöhte Schädlingsauftreten erschwerte Bedingungen für den Rübenanbau hatten. „Es geht um die Risikoabsicherung der heimischen Betriebe im Falle von Ernteausfällen und die Absicherung der Eigenversorgung mit Zucker aus Österreich“, so Schmuckenschlager.

„Etappensieg für die Selbstversorgung beim Zucker“

Seitens des Nö. Bauernbundes wird der Pakt als „Etappensieg für die Selbstversorgung beim Zucker“ bezeichnet. Die Wiederanbauprämie sieht Bauernbund-Direktor Paul Nemecek als wichtigen Anreiz für die Landwirte. „Gute Nachrichten für die Landwirte sind auch immer gute Nachrichten für den ländlichen Raum. Unser Einsatz für die Versorgungssicherheit und den Erhalt für die Fabrik mit den 150 Arbeitsplätzen haben sich gelohnt“, so Nemecek.

Als wichtigen Schritt bezeichnet die Unterzeichnung des Paktes auch der Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich, Markus Wieser. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die geforderte Rübenanbaufläche erreicht wird. „Das schafft Klarheit für die ArbeitnehmerInnen und stärkt die regionale Wertschöpfung“, so Wieser. Er appelliert nun, rasch alle Details mit den Landwirten zu verhandeln, um die Zukunft des Zuckerwerks und der regionalen Arbeitsplätze langfristig zu sichern.

Beschlossener Pakt reicht für SPÖ nicht

Für den Landesparteivorsitzenden der SPÖ, Franz Schnabl, reicht der beschlossene Pakt nicht. „Es muss endlich ein klares Bekenntnis zum Standort geben", so Schnabl. „Mit einer Neuaufstellung von Förderungen wird es gelingen, den Standort zu erhalten – man muss es nur wollen.“ Gelingen soll das laut Schnabl „mit gezielten Förderungen für die Rübenbauern, die gleichzeitig an biologische Pflanzenschutzkonzepte gekoppelt sind“.

Die SPÖ Niederösterreich stellt sich ein Fördervolumen von neun Millionen Euro vor, das auch zur Forschung und Entwicklung alternativer Pflanzenschutzmitteln verwendet werden soll, so Landtagspräsidentin Karin Renner: „Wir brauchen vor allem beim Zweitanbau nach einem Schädlingsbefall zusätzliche Förderungen abseits der Versicherungszahlungen der Hagelversicherung.“

FPÖ: „Verhöhnung der Rübenbauern“

Der freiheitliche Wirtschafts- und Landwirtschaftssprecher Reinhard Teufel bezeichnete den beschlossenen Pakt als „Verhöhnung der Rübenbauern“. Denn: „Wer 48,1 Millionen Euro an Dividenden ausschütten kann und dazu noch seinen Vorstand mit 2,1 Millionen Bonuszahlungen belohnt, der kann nicht so notleidend sein, dass er eine Fabrik schließen muss.“

Bürgermeister zeigte sich erleichtert

Der Bürgermeister von Leopoldsdorf, Clemens Nagel (SPÖ), zeigte sich über eine erste Annäherung beim Gipfelgespräch erleichtert: „Es gibt nun seit längerer Zeit wieder eine Hoffnung für den Standort in unserer Marktgemeinde Leopoldsdorf. Mit nachhaltigen Pflanzenschutzkonzepten wird es auch möglich sein, langfristige Konzepte auf den Weg zu bringen.“