Pressekonferenz im Freien
ORF / Sunk
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Coronavirus

Studie: Nicht jeder Infizierte hat Antikörper

Eine CoV-Antikörperstudie in Reichenau an der Rax (Bezirk Neunkirchen) hat gleich zwei spannende Ergebnisse gebracht: Einerseits haben deutlich mehr Bewohner der Gemeinde Antikörper als Infizierte bekannt waren, andererseits haben jedoch nur zwei Drittel der Infizierten Antikörper entwickelt.

Die Gemeinde Reichenau an der Rax war zu Beginn der Coronavirus-Pandemie besonders stark betroffen. Etwa 70 Menschen waren hier im Frühjahr mit dem Coronavirus infiziert, 260 Menschen befanden sich zeitweise gleichzeitig in Quarantäne. Mit dem Ziel herauszufinden, wie viele Bürgerinnen und Bürger dort tatsächlich mit dem Virus in Kontakt gekommen waren und wie groß der Anteil der nicht entdeckten Infektionen ist, entschloss man sich im Juni, in der Gemeinde eine Antikörperstudie durchzuführen – mehr dazu in Großer Andrang bei Antikörperstudien (noe.ORF.at; 20.6.2020).

Altersgruppe zwischen 15 und 40 hat fast keine Antikörper

In Summe nahmen 1.824 Menschen an der Studie teil, darunter auch 49 in der Vergangenheit positiv auf das Coronavirus getestete Personen mit Hauptwohnsitz in Reichenau. Besonders auffällig sei, dass nur bei 35 von ihnen auch Antikörper nachgewiesen werden konnten, hieß es bei der Präsentation der Studienergebnisse am Montag in St. Pölten.

Grafik zeigt Studienergebnisse der Antikörperstudie
Land Niederösterreich

„Wie Sie wissen, ist die Impfstoffherstellung ein großes Thema, und für die Impfstoffe ist natürlich ganz wichtig, wie schnell, lange und gut man Antikörper bilden kann“, unterstrich Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner die Bedeutung dieses „sehr überraschenden“ Ergebnisses. „Die Altersgruppe zwischen 15 und 40 hat fast keine oder nur sehr wenig Antikörper gebildet“, so Lechner. Das hänge auch damit zusammen, dass es in diesem Alter meist einen milden Verlauf gebe. Dass viele gar keine Antikörper hätten, sei aber überraschend.

„Wenn man einen positiven PCR-Test hatte, ist man nicht ‚safe‘“, unterstrich Johann Döller, Bürgermeister von Reichenau an der Rax (ÖVP), die Bedeutung dieser Erkenntnis. „Keiner ist sicher, man weiß auch nicht, wie schwer es einen erwischt, deswegen sind Wachsamkeit und Eigenverantwortung ganz wichtig.“

Durchseuchungsrate höher als Rate der Infizierten

In Summe allerdings wiesen deutlich mehr Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde Antikörper auf als Infizierte vorher bekannt waren. „Setzt man die bekannten PCR-getesteten Personen zu allen Personen in Relation, so ermittelt man einen Anteil von Erkrankten von 2,8%. Nimmt man hingegen alle positiv auf Antikörper getesteten, so steigt der Anteil der Erkrankten auf 6,5%“, heißt es in der Studie. Mehr als sechs Prozent der Reichenauerinnen und Reichenauer waren also mit dem Virus in Kontakt – mehr als die Hälfte von ihnen, ohne es zu bemerken.

Landesstatistiker Christian Hummer, Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner, Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) und der Bürgermeister von Reichenau, Johann Döller (ÖVP) präsentierten bei einer Pressekonferenz im Freien die Ergebnisse der Antikörper-Studie in Reichenau an der Rax
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Landesstatistiker Christian Hummer, Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner, Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und der Bürgermeister von Reichenau, Johann Döller, präsentierten die Ergebnisse der Studie aufgrund der aktuellen Bestimmungen am Montag im Freien

Dieses Ergebnis sei auch aus einem anderen Grund interessant. Man habe die Studie auch durchgeführt, um zu sehen, ob die gesetzten Maßnahmen die richtigen waren, so Lechner. Sie erinnerte daran, dass es im Frühjahr immer wieder die Forderung gegeben hatte, den ganzen Ort abzusperren und in Quarantäne zu setzen. „Ich musste damals sehr viel Kritik einstecken, weil wir es nicht gemacht haben“, so Lechner. „Wir haben weiterhin auf Contact-Tracing und Absonderung bzw. Quarantäne der Kontaktpersonen gesetzt.“ Jetzt sehe man, dass das richtig gewesen sei. Bei einer sechsprozentigen Durchseuchung hätte eine Abriegelung „keinen Sinn gemacht“.

Königsberger-Ludwig: „Husten häufigstes Symptom“

Diese Studie sei wichtig gewesen, um Fragen zur Durchseuchungsrate und zu den Symptomen und Krankheitsverläufen zu klären, betonte Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) und kündigte an, dass bei einem zweiten Teil der Studie am Samstag auch die Zweitwohnsitzer der Gemeinde getestet werden. Interessante Ergebnisse hätte die Studie vor allem in Hinblick auf die Symptome einer Coronavirus-Infektion gebracht.

„Als häufigste Symptome wurden von PCR-Positiven Husten, Müdigkeit, Verlust des Geschmacks- und Geruchssinnes sowie Fieber angegeben“, fasste Königsberger-Ludwig diese zusammen. Etwa zwölf Prozent der bereits zuvor positiv getesteten Personen hätten keine Symptome gehabt, heißt es in der Studie. Bei jenen, bei denen Antikörper nachgewiesen wurden, waren es etwa 65 Prozent.

Darüber hinaus habe die Studie auch gezeigt, dass Schnupfen „nicht das Leitsymptom einer Covid-Erkrankung ist“, so die Landessanitätsdirektorin. Das sei gerade jetzt im Herbst in Hinblick auf Schulen und Kindergärten eine gute Aussage: „Das heißt, man kann guten Gewissens sagen, dass leicht verschnupfte Kinder, die kein Fieber haben, wahrscheinlich nicht Covid-erkrankt sind. Damit kann man die Eltern beruhigen.“ In die Schule und in den Kindergarten sollten sie aber trotzdem nicht gehen, kranke Kinder sollten zu Hause bleiben, so Lechner.