Kultur

Festspielhaus taucht in den Dschungel ein

Das Festspielhaus St. Pölten eröffnet die Saison mit einer originellen Version des „Dschungelbuchs“ unter der Leitung des international gefeierten Multikünstlers Robert Wilson. Nach dem CoV-Stopp im März ist es auch die Wiederöffnung des Hauses.

Es ist bunt und verrückt im Dschungel. Das Findelkind Mogli wächst unter Wölfen auf und löst damit endgültiges Chaos unter den Tieren aus. Im Musiktheater der US-amerikanischen Theaterlegende Robert Wilson geht es weitaus ungemütlicher zu als in der Disney-Version des Buchs von Rudyard Kipling. Musik, Tanz, Licht, Bewegung, Slapstick – es kommt so gut wie jedes Gestaltungsmittel vor und trotzdem bleibt Wilson dabei immer überraschend. Sein Dschungelbuch ist vielleicht nicht direkt für Kinder, aber mit Sicherheit für das Kind im Erwachsenen.

Musik und Text sind vom amerikanischen Artpop-Duo CocoRosie. Die beiden Schwestern verbinden Musikrichtungen aus unterschiedlichen Stilen zu Popwerken, beim „Dschungelbuch“ kommen etwa Einflüsse aus der Country-Musik, Klassik, Rap oder Rock ’n’ Roll vor. So wild wie es im Dschungel eben ist. Aus diesem wird Mogli verstoßen, weil ihn der Tiger Shere Khan töten möchte. Menschen zu töten verbietet aber das Gesetz des Dschungels, denn sie seien die wehrlosesten Geschöpfe der Welt. Mogli flieht von einem Dschungel in den nächsten, wie er sagt, dem der Zivilisation. Für die Menschen im Dorf ist der Bub aber Wölfen zu ähnlich, auch hier wird er verbannt.

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Szene aus JUNGLE BOOK von Robert Wilson
© Lucie Jansch
Szene aus JUNGLE BOOK von Robert Wilson
© Lucie Jansch
Szene aus JUNGLE BOOK von Robert Wilson
© Lucie Jansch

Spielen für das Kind im Publikum

Ob Mogli ein Zuhause findet, wird nicht aufgelöst. Bei einem offenen Ende müsse sich jeder selbst Gedanken machen, sagt Regisseur Robert Wilson. Er gestalte Stücke immer für Kinder, so Wilson im Gespräch mit noe.ORF.at. Das „Dschungelbuch“ könne man zudem nicht in der Zeit verorten, weil es immer aktuell sei. „Natürlich hat Jungle Book Bezüge zur heutigen Gesellschaft, es hätte auch vor 500 Jahren gepasst und wird in den nächsten 500 Jahren passen, aber es gibt nicht die eine Deutung. Wir suchen immer nach Bedeutung, aber der Grund, weshalb ich Theater mache, ist zu fragen: ‚Was ist es?‘ und nicht um eine Antwort zu geben.“

Wilson ist bei der Eröffnung in St. Pölten selbst dabei. Er reist gerne zu den Spielstätten seiner Werke und feilt selbst an den letzten Details. Dass er in seinen Inszenierungen häufig Geschichten für Kinder umsetzt, habe mit dem Kind in ihm selbst zu tun. „Das Erste, was ich zum Cast immer sage, ist, spielt es für das Kind im Publikum. Alle großen Geschichten sind für Kinder geschrieben. Da muss man auch die dunklen Teile der Geschichte mit ein wenig Licht, also Hoffnung, spielen.“

Robert Wilson
ORF
Der Multikünstler Robert Wilson gilt als einer der bedeutendsten Theatermacher. Als Architekt, Bühnenbildner, Maler und Regisseur revolutionierte er das Theater.

Robert Wilson: Theater als Notwendigkeit

Kritik wird im „Dschungelbuch“ an der Zerstörung der Umwelt durch die Menschen geübt. Die Tiere tanzen bei einigen Liedern auf Elektroschrott. Zudem streift immer wieder ein Jäger durch den Hintergrund des Bildes. Gegen Ende singen Panther Bagheera, Bär Baloo, die Schlange Kaa und Mogli „back to the basics“ – also zurück zur Natur. Ob Mogli, der sich zum Schluss „König des Dschungels“ nennt, das in seiner Rolle als Wolfskind oder Mensch macht, versteht wohl jeder anders.

Sieben Monate konnte Regisseur und Theaterautor Robert Wilson wegen der CoV-Pandemie nicht arbeiten. In dieser Zeit sei ihm umso klarer geworden, dass das Theater eine Notwendigkeit sei. „Es liegt in unserer Natur, dass wir diese Foren haben, wo wir unsere Ideen teilen. Das Wundervolle für mich ist, dass im Publikum Menschen sind mit unterschiedlichen Jobs, verschiedenen politischen Einstellungen, gebildete Menschen, ungebildete Menschen, aber sie kommen zusammen. Ein Stück sollte sie alle in irgendeinem Aspekt ansprechen und das wird Theater auch tun, weil es das immer getan hat.“

Festspielhaus mit Österreich-Schwerpunkt im Herbst

Die Eröffnung der Saison bringt auch neue Regeln. Maximal 700 Karten werden bei Ampelfarbe „Gelb“ in St. Pölten verkauft. Die Tickets werden vorab zugeschickt, das Haus ist in einen Nord- und Südteil getrennt, der Saal in Farben unterteilt. Linien am Boden führen zum jeweiligen Wartebereich und Eingang. Die Maske muss bis zum Sitzplatz getragen werden, einige Besucher lassen sie das gesamte Stück über auf. Bis sich Gäste an all das gewöhnt haben, wird es wohl noch dauern. Einige warten erstaunt vor einer leeren Bar, Gastronomie gibt es unter diesen Umständen keine.

Spuren hinterlässt die CoV-Pandemie auch im Programm. Im Herbst gibt es nun einen Österreich-Schwerpunkt, unter anderem mit Konzerten von Mavi Phoenix und Voodoo Jürgens. Internationale Produktionen wurden ins Frühjahr verschoben, sagt die künstlerische Leiterin Brigitte Fürle: „Die Wahrheit ist, wir werden es immer nur Monat für Monat entscheiden können. Beim ‚Dschungelbuch‘ ist es ein unglaubliches Glück, dass wir tatsächlich damit eröffnen können. Da gibt es Künstler aus unterschiedlichen Ländern, aber es ist uns gelungen, hier alle zusammenzubekommen.“