Dorfladen in Neidling
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Chronik

Neidling kämpft um mehr Rechte für Dorfläden

In Ortschaften, in denen es keinen Nahversorger gibt, schließen oft Dorfläden mit regionalen Produkten die Versorgungslücke – so auch in Neidling (Bezirk St. Pölten). Eine Anzeige deckte dort aber die rechtlichen Grenzen auf. Nun kämpfen die Initiatoren für eine Gesetzesänderung.

Am 8. Mai 2020, während der ersten Coronavirus-Welle und des damit verbundenen Lockdowns, eröffnete der Neidlinger Dorfladen, um die Bevölkerung mit dem Notwendigsten zu versorgen. Im Angebot hatte man bäuerliche Produkte von Direktvermarktern, genauso wie Brot und Fleisch aus dem regionalen Handel. Dann zeigte ein Anrainer den Betrieb an, weil der Laden von 6.00 bis 22.00 Uhr geöffnet hatte.

Erst dadurch hätten sie erfahren, dass Handelsprodukte eigentlich gar nicht hätten verkauft werden dürfen, erzählten die Betreiber im Gespräch mit noe.ORF.at. „Fakt ist, dass hier keine Durchmischung von gewerblichen und bäuerlichen Produkten stattfinden darf, was uns am Anfang nicht bewusst war“, so Christian Kern, Obmann des Neidlinger Dorfladens. Man habe das Sortiment deshalb wieder auf bäuerliche Betriebe reduziert.

Betreiber kämpfen für Verkauf von Handelswaren

Nach der Anzeige durch den Anrainer war die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten am Zug. Für Bezirkshauptmann Josef Kronister ist die Sachlage nun eindeutig: „Grundsätzlich ist es so, dass dieser Dorfladen seinen Betrieb führen kann, wenn dort bäuerliche Produkte angeboten werden“, so Kronister. Da das jetzt der Fall sei, sehe er kein Problem darin, dass der Dorfladen weiter bestehen kann.

Dorfladen in Neidling
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Die Neidlinger Dorfladen wurde Anfang Mai eröffnet

Für die Betreiber ist diese Situation allerdings nicht zufriedenstellend, sie kämpfen weiter für den Verkauf von Handelswaren im Dorfladen. „Jeder findet es eigentlich sehr praktisch, dass die Dorfläden sieben Tage in der Woche, vielleicht sogar 24 Stunden am Tag, offen haben. In anderen Ländern ist das Usus. In Österreich gibt es einfach die Gesetzeslage zum Schutz der Mitarbeiter, aber hier im Dorfladen sind ja gar keine Mitarbeiter“, kritisiert Johanna Sohn, Obfrau des Vereins Dorfladen die aktuelle rechtliche Situation.

„In meinen Augen ist hier die Gesetzeslage ein bisschen veraltet, denn es gibt sehr viele dieser Läden, was auch sehr zu begrüßen ist, aber irgendwo ist leider jeder ein bisserl in einem Graubereich unterwegs, was wir so mitgekriegt haben“, so Christian Kern, Obmann des Vereins Neidlinger Dorfladen.

Anzeige bewirkte das Gegenteil bei den Öffnungszeiten

In Hinblick auf die Öffnungszeiten hatte die Anzeige des Anrainers kuriose Folgen. Sie deckte zwar Missstände beim Warensortiment auf, bewirkte aber bei den Öffnungszeiten das Gegenteil: Der Dorfladen darf jetzt, nachdem er keine Handelsware mehr verkauft, wieder zwischen 6.00 und 22.00 Uhr offen halten. Hätte man weiter Handelsprodukte verkauft, wäre man an die Öffnungszeiten des Handels gebunden gewesen. Das sei gerade bei einem Selbstbedienungsladen mit Bankomatkasse unverständlich, sagen die Betreiber.

Keine optimale Lösung ohne Frische-Produkte

Dass nun sämtliche Handelsprodukte aus den Regalen entfernt werden mussten, ist für die Betreiber und Initiatoren keine optimale Lösung, denn täglich frisches Brot vom Bäcker gibt es jetzt nicht mehr. „Für uns war aber das Ziel, in Neidling Nahversorgung für die Menschen zu bieten. Das bedeutet natürlich, auch frisches Gebäck zu verkaufen“, sagte Patricia Grünauer, Sprecherin des Vereins Dorfleben. „Es backen zwar auch die Bäuerinnen Brot, aber eben nicht regelmäßig jeden Tag. Es geht darum, gewisse frische Produkte wie Fleisch oder Wurstwaren im Dorfladen zu haben, um die Menschen versorgen zu können, wenn es in der Gemeinde, so wie bei uns, kein Geschäft mehr gibt.“

Dorfladen in Neidling
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In Dorfläden dürfen lediglich Produkte von Bauern, nicht aber herkömmliche Handelswaren angeboten werden

Auch bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten begrüßt man die Initiative grundsätzlich. Rechtlich sieht man aber keine andere Handhabe. „Wir sind grundsätzlich froh, wenn es solche Initiativen im ländlichen Raum gibt. Einerseits haben die Landwirte die Möglichkeit, ihre Produkte zu vermarkten, andererseits ist es ein unglaublicher Gewinn auch für die Bevölkerung. Allerdings müssen wir uns in einem rechtlichen Rahmen bewegen, und der ist eben derzeit so wie er ist“, sagte Bezirkshauptmann Kronister.

Petition für Gesetzesänderung

Die Aussage „Weil Gesetze so sind, darum kann es nicht geändert werden“ sei ihnen zu wenig, entgegnen die Betreiber. „Wir sehen da schon einen eindeutigen Auftrag der Politik, in kleinen ländlichen Gemeinden, die keine Nahversorgung haben, innovativere Konzepte zuzulassen und diese rechtlich abzusichern“, so Patricia Grünauer vom Verein Dorfleben. Die Initiatoren riefen deshalb auch eine Petition ins Leben. Darin fordern sie eine Gesetzesänderung, sodass zumindest ein Viertel des Sortiments im Dorfladen aus regionalen Handelswaren bestehen darf.