Gramatneusiedl
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Wirtschaft

Erstmals Jobgarantie für Langzeitarbeitslose

Das AMS Niederösterreich startet ein weltweit einzigartiges Projekt zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. In Gramatneusiedl (Bezirk Bruck an der Leitha) wird allen Langzeitarbeitslosen ein Job garantiert.

Karl Blaha ist seit einem Jahr arbeitslos. Bis 2019 führte der 52-Jährige ein Schuhgeschäft in Gramatneusiedl. Viele Jahrzehnte lief der Familienbetrieb, der von Blahas Urgroßvater gegründet worden war, erfolgreich. Doch schon in den letzten Jahren zeichnete sich wegen der großen Konkurrenz, etwa auch durch den Onlinehandel, ein wirtschaftlicher Überlebenskampf ab. Im August 2019 musste Blaha sein Geschäft schließen. Seither ist er auf Jobsuche. Die letzten Monate waren nicht einfach für ihn. „Man denkt sehr viel nach, ob man es nicht anders hätte machen können, damit es eben weiter geht, dann schreibt man viele Bewerbungen“, erzählte Blaha.

Karl Blaha
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Karl Blaha ist seit einem Jahr arbeitslos und hofft, im Zuge des Projekts wieder einen Job zu finden

Der 52-Jährige nimmt nun am neuen AMS-Projekt MAGMA (Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal) teil, das allen Langzeitarbeitslosen im Ort einen Job garantiert. Der Geschäftsführer des AMS NÖ, Sven Hergovich, ist überzeugt, dass es im Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit innovative Lösungen braucht. „Wir wollen daher Arbeit schaffen, statt Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren, und starten deshalb das weltweit erste Modellprojekt einer Jobgarantie. Ob, und wie es uns gelingen kann, Langzeitarbeitslosigkeit evidenzbasiert zu bekämpfen, wird uns die Evaluierung der Universität Wien und Oxford zeigen“, so Hergovich.

AMS-Projekt wird wissenschaftlich begleitet

Lukas Lehner von der Universität Oxford wird das AMS-Projekt wissenschaftlich begleiten. „Wir werden dabei die ökonomischen, die sozialen und die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Teilnehmer evaluieren“, erklärt Lehner. Auch Jörg Flecker von der Universität Wien wird das Projekt wissenschaftlich untersuchen. „Wir begleiten die Personen über einen längeren Zeitraum von jetzt bis ins Jahr 2023, um nicht nur momentane Veränderungen zu erfassen, sondern auch, um zu schauen, wie nachhaltig das ist“, sagte Flecker.

Gramatneusiedl wurde nicht nur wegen der aktuellen Arbeitslosenstruktur als Projektstandort ausgewählt. Der Ort erlangte durch die „Marienthalstudie“ Bekanntheit. Als 1933 die große Textilfabrik im Marienthal schließen musste, wurden über 1.000 Menschen arbeitslos. Die bahnbrechende „Marienthalstudie“ zeigte die negativen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Gesellschaft.

Pressekonferenz
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Das AMS-Projekt MAGMA (Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal) wurde bei einer Pressekonferenz vorgestellt

Bei der aktuellen Studie geht es um das Gegenteil, sagte Hergovich. „Wir wollen nicht zeigen, wie schlimm es ist, wenn man von Arbeit in Arbeitslosigkeit rutscht, sondern welche schönen, positiven und guten Effekte es hat, wenn man von der Arbeitslosigkeit wieder in Arbeit kommt“, so der AMS NÖ-Geschäftsführer.

Langzeitarbeitsloser kostet 30.000 Euro im Jahr

Jeder Langzeitarbeitslose in Gramatneusiedl soll ein Jobangebot bekommen. Die dafür nötigen Arbeitsplätze werden etwa im gemeinnützigen Bereich, aber auch in wirtschaftlichen Unternehmen geschaffen und finanziert, so Hergovich. „Ein Langzeitarbeitsloser kostet die öffentliche Hand im Jahr rund 30.000 Euro. Wir gehen davon aus, dass wir diese zusätzlichen Arbeitsplätze zu durchschnittlichen Kosten von 29.841 Euro finanzieren und anbieten können. Unsere These ist, dass es nicht teurer ist. Wir können zu gleichen Kosten Arbeit schaffen, wie wir bislang Geld verwendet haben, um Arbeitslosigkeit zu finanzieren“, schildert Hergovich.

Karl Blaha hofft, dass sich durch die Teilnahme am AMS Projekt auch für ihn etwas findet. Er wünscht sich wieder einen geregelten Job. „Meine Kinder sind schon groß, ich kann also auch Nachmittag oder abends arbeiten, das wäre kein Problem. Ich bin für alles offen“, sagte Blaha gegenüber noe.ORF.at.