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Gesundheit

Demenz: Krise fordert pflegende Angehörige

Seit Ausbruch des Coronavirus ist die Betreuung von Demenzerkrankten für pflegende Angehörige besonders herausfordernd. Vielen Erkrankten fällt es schwer, die Maßnahmen einzuhalten. Hinzu kommt, dass seit Krisenbeginn viele Hilfsmaßnahmen weggefallen sind.

80 Prozent der an Demenz leidenden Personen in Österreich werden zu Hause von Familienmitgliedern betreut. Auch in Niederösterreich kümmern sich vor allem pflegende Angehörige um Demenzerkrankte. So auch Lieselotte Wolf. 2014 wurde bei ihrem Ehemann Demenz diagnostiziert. Seitdem betreut sie ihn zu Hause – eine herausfordernde Situation, die seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie noch schwieriger zu bewältigen ist.

„Es ist eine große Herausforderung, ihm zu erklären, dass man eine Maske aufsetzen muss oder keine Hände schütteln soll“, erzählt Lieselotte Wolf gegenüber noe.ORF.at. „Da nützen gar keine Tricks mehr und manchmal steht man dann vor einem Geschäft und muss wieder nach Hause fahren, weil mein Mann die Maske nicht aufsetzen möchte.“

Maßnahmen für Demenzerkrankte oft unverständlich

Lea Hofer-Wecer ist Leiterin der Kompetenzstelle Demenz der Caritas St. Pölten und kennt die Schwierigkeiten der Demenzerkrankten und ihrer Angehörigen. „Ich kenne einige Demenzerkrankte, die jeden Tag fernschauen oder Zeitung lesen, auch wenn sie vielleicht nicht mehr sinnerfassend lesen können. Das Coronavirus ist für sie aber etwas ganz Neues bzw. immer wieder etwas Neues. Die Maßnahmen sind für sie teilweise nicht verständlich“, sagt sie.

Ein weiteres Problem sei, dass viele Hilfsangebote für Demenzerkrankte und ihre pflegenden Angehörigen momentan aufgrund der geltenden Sicherheitsmaßnahmen nicht angeboten werden können. Lieselotte Wolf fehlt vor allem der „Stammtisch für Angehörige, wo ein Austausch stattfindet, direkt im Ort, wo man sich kennt und sich gegenseitig im Alltag unterstützt“.

Der Leiter des Demenz-Service im Interview

Andreas Schneider, Leiter des Demenz-Service Niederösterreich, spricht über die Krankheit während der Coronavirus-Pandemie.

Lockdown als besondere Herausforderung

Auch die Kurzzeitpflege wird von ihr und vielen weiteren pflegenden Angehörigen schmerzlich vermisst. Besonders schwierig sei die Lage während des Lockdowns im März und April gewesen. „Die Angehörigen waren wirklich oft ganz alleine mit den Demenzerkrankten zu Hause“, berichtet Lea Hofer-Wecer. Zudem seien die Demenzerkrankten und die pflegenden Personen in der Regel bereits ältere Menschen, die während des Lockdowns nicht einmal von ihren Kindern besucht werden konnten.

Ebenfalls stark zugesetzt habe den Demenzerkrankten die fehlende Bewegung. „Demenzerkrankte haben eine innere Unruhe, das gehört zum Krankheitsbild dazu. Diese Unruhe kann man nur bekämpfen, indem man Bewegung macht. Das ist in einem Haus oder in einer Wohnung fast nicht möglich“, hält Hofer-Wecer fest. Sie rät pflegenden Angehörigen deshalb, gemeinsam mit den Demenzerkrankten Spaziergänge im Freien zu unternehmen.

Unterstützung seitens des Landes

Angesicht der steigenden Infektionszahlen und der strengeren Sicherheitsmaßnahmen, die am Sonntag in Kraft treten, hofft Hofer-Wecer darauf, dass Besuche in Pflegeheimen und Hauskrankenpflege weiterhin erlaubt bleiben. Und sie betont: „Wir müssen schauen, dass wir auch die Angehörigen in dieser schwierigen Situation begleiten.“

Unterstützung für Demenzerkrankte und ihre Angehörigen will das Demenz-Service des Landes bieten. Dieses ist trotz Coronavirus weiterhin telefonisch unter der Nummer 0800/700 300 erreichbar. Auf Wunsch finden auch Hausbesuche statt.