Kultur

Masuch wird neue Festspielhaus-Leiterin

Das Festspielhaus St. Pölten hat am Freitagvormittag seine neue Künstlerische Leiterin präsentiert. Bettina Masuch folgt 2022 auf Brigitte Fürle, die seit der Spielzeit 2013/14 im Amt war. Masuch ist derzeit noch Intendantin des tanzhaus nrw in Düsseldorf.

Die Kulturmanagerin und international renommierte Tanzexpertin Bettina Masuch ist seit 2014 Intendantin des tanzhaus nrw. Sie war eine jener 48 Personen (14 Frauen und 34 Männer) aus sieben Nationen, die sich um die Künstlerische Leitung des Festspielhauses St. Pölten beworben hatten. Der Vertrag mit Masuch wurde für vier Saisonen abgeschlossen.

Masuch: „Herausforderung und Herzensangelegenheit“

„Die Übernahme der Künstlerischen Leitung des Festspielhauses St. Pölten ist für mich Herausforderung und Herzensangelegenheit zugleich", sagte Masuch bei ihrer Präsentation am Freitagvormittag in St. Pölten. In das Haus habe sie sich bereits „ein bisschen verliebt“, denn es verbinde den Festspielgedanken mit der Gegenwart und verfüge über eine „gut proportionierte Bühne“, die es für große Produktionen zu nutzen gelte, wie Masuch betonte.

„Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn an vielen Theatern gearbeitet, die aber immer wieder an ihre Grenzen gekommen sind, weil die Stücke nicht in den Raum passen“, berichtete sie. In St. Pölten könne man jedoch Tanz und Musik „groß denken“ und „die Kunstformen Tanz und Musik künstlerischen miteinander verbinden“ – unter anderem, weil das Festspielhaus die Residenz des Tonkünstlerorchesters sei. „Das Festspielhaus ist ein herausragender Präsentationsort für Tanz und international wichtiger Koproduktionspartner für die zeitgenössische Tanz- und Ballettszene“, hielt sie fest.

Bettina Masuch
Florian Schulte
Bettina Masuch übernimmt ab Herbst 2022 die Künstlerische Leitung im Festspielhaus St. Pölten

Man freue sich, mit Bettina Masuch eine außergewöhnliche Kulturmanagerin gewonnen zu haben, „die durch ihre exzellente Branchenkenntnis einen wichtigen Beitrag zur Profilierung des Hauses leisten wird. Die hochangesehene Tanzexpertin wird das Standing des Festspielhauses als Österreichs großes Premieren- und Koproduktionshaus für zeitgenössischen Tanz auch international noch weiter stärken und Niederösterreich in das Zentrum der Tanzwelt rücken“, sagte Paul Gessl, Geschäftsführer der NÖ Kulturwirtschaft am Freitagvormittag bei der Präsentation in der Landeshauptstadt.

Thomas Gludovatz, Geschäftsführer des Festspielhauses, ergänzte: „Diese Besetzung ist richtungsweisend für das Festspielhaus St. Pölten. Dass mit Bettina Masuch eine absolut namhafte Protagonistin der europäischen Tanzszene nach Niederösterreich wechselt, zeigt den enormen Stellenwert, den das Festspielhaus St. Pölten mittlerweile genießt.“

Dramaturgin mit internationaler Erfahrung

Bettina Masuch studierte Theaterwissenschaft in Gießen (Deutschland). Nach Tätigkeiten als Dramaturgin am Kaaitheater in Brüssel und am Theaterhaus Jena wechselte sie 1998 an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin und arbeitete dort als Dramaturgin für Produktionen von Frank Castorf, Christoph Schlingensief und René Pollesch.

2002/03 war sie Produktionsdramaturgin für die Choreografin Meg Stuart am Schauspielhaus Zürich. Von 2003 bis 2008 arbeitete sie als Tanzkuratorin für das Berliner Theater Hebbel am Ufer (HAU). Bis 2008 war sie Mitglied der Künstlerischen Leitung des Tanzfestivals „Tanz im August“ in Berlin. Als Künstlerische Leiterin gestaltete sie das Springdance Festival in Utrecht von 2009 bis 2013. Seit Jänner 2014 ist Masuch Intendantin des tanzhaus nrw in Düsseldorf, das unter ihrer Intendanz 2017 mit dem „Theaterpreis des Bundes“ ausgezeichnet wurde. Sie ist Herausgeberin und Autorin diverser Fachpublikationen und hat Lehraufträge an nationalen und internationalen Hochschulen.

Bettina Masuch
Florian Schulte
Masuch will mit ihrem Programm ein „vielfältiges und breites Publikum“ ansprechen

„Ich sehe das Festspielhaus als einen Ort zwischen Tradition und Gegenwart, mit einem Herz für den zeitgenössischen und grenzüberschreitenden Kanon, ein Nährboden für künstlerisches Schaffen und eine fruchtbare und geschäftige Oase für KünstlerInnen und BesucherInnen", sagte Masuch beim Pressegespräch am Freitag. „Ein inklusiver Ort, der die Begegnung mit Tanz und Musik, Kunst am Puls der Zeit mit der Pflege des Erbes verbindet.“

Große Pläne für das Festspielhaus

Bettina Masuch betonte am Freitag, dass sie sich darauf freue, „ein markantes, kontroverses, originelles, spartenübergreifendes und gelegentlich gewagtes Programm für das Festspielhaus St. Pölten zu gestalten. Ein Programm, das ein vielfältiges und breites Publikum anspricht und sich auch in seinem internationalen Angebot als Teil des gesellschaftlichen Lebens der Stadt St. Pölten versteht.“

Sie plane bereits neue Formate, wie sie am Freitag verkündete. Etwa ein eintägiges „vertikales Festival“, bei dem von morgens bis abends Konzerte, Vorträge, Tanzgastspiele und Workshops im Festspielhaus stattfinden sollen. Dies soll Masuch zufolge als „Brennglas für künstlerische Entwicklungen“ dienen und ein tiefes Eintauchen in ein Thema ermöglichen.

Masuch wolle „Kunst auch an Orte in der Stadt bringen, wo man sie eventuell nicht erwartet oder sie gar nicht so willkommen ist“ und so auch Menschen erreichen, die „keinen Lebensalltag mit Kunst haben“ Außerdem will sie künftig ästhetische und ethischen Fragestellungen verbinden und die Themen „Empathie und Fürsorge“ in den Mittelpunkt stellen.

Bettina Masuch
Florian Schulte
Masuch möchte Kunst an die verschiedensten Orte und zu den unterschiedlichsten Menschen bringen

Sie plane einen „Mix aus Stilen und Ästhetiken des zeitgenössischen und des klassischen Kanons“ sowie Auftritte von Stars und Neuentdeckungen. Das „Artists in Residence“-Programm soll außerdem ausgeweitet werden, um die „Arbeit an der Kunst sichtbarer zu machen“, so Masuch.

Besonderes Augenmerk soll künftig auf die Kunst- und Kulturvermittlung gelegt werden. Diese sei angesichts der sich immer stärker verändernden Gesellschaft „ein absolutes Muss“ und soll „gleichberechtigt neben Tanz und Musik“ stehen. Es gelte, die Menschen angesichts der Gewöhnung an das Abstandhalten „wieder von ihren Netflix-Abenden zurück ins Festspielhaus zu holen“, das zum Begegnungs- und Erlebnisraum werden müsse. „Das Festspielhaus ist kein Ufo, das hier gelandet ist“, betonte die Kulturmanagerin.

Fürle macht nach neun Jahren Schluss

2022 wird Bettina Masuch Brigitte Fürle als Künstlerische Leiterin des Festspielhauses St. Pölten nachfolgen. Fürle leitet dieses bereits seit 2013/14. Im Jänner 2020 gab sie bekannt, dass sie ihren bis 2022 laufenden Vertrag nicht verlängern werde. Die Arbeit am Festspielhaus sei ihre „bisher größte Herausforderung“ gewesen. Nach „neun von mir gestalteten Programm-Saisonen endet mein Vertrag mit dem 25-jährigen Jubiläum des Festspielhauses St. Pölten“, sagte Fürle – mehr dazu in Fürle verlässt das Festspielhaus 2022 (noe.ORF.at; 30.1.2020).

„Sie wird am Ende ihrer Dienstzeit die längstgediente künstlerische Leiterin gewesen sein“, gab das Haus bekannt. Fürle übernahm die Intendanz des Festspielhauses im Juni 2013 von Joachim Schloemer. Als Künstlerische Leiterin war sie davor sechs Jahre lang bei den Berliner Festspielen tätig.