Frau stützt eine alte Frau in Mank
APA/HELMUT FOHRINGER
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„Pflege – die große Herausforderung“

Fragezeichen hinter Finanzierung der Pflege

Die Lebenserwartung steigt und damit auch die Kosten für Pflege. In Niederösterreich rechnet man in den nächsten 15 Jahren mit 40 Prozent mehr Pflegegeldbeziehern. Das Ministerium will nun die Rahmenbedingungen in den Bundesländern vereinheitlichen.

Der Rechnungshof kritisierte bereits im Februar, dass die Pflege je nach Bundesland unterschiedlich finanziert und organisiert werde. So würde die stationäre Pflege, also Plätze in Pflegeheimen, je nach Bundesland unterschiedlich viel kosten. Auch die Vorgaben zur Personalausstattung, den Qualitätsstandards oder der Häufigkeit, wie oft Heime kontrolliert werden, würde variieren.

Eine Arbeitsgruppe des Gesundheitsministeriums arbeitet derzeit unter Einbeziehung der Länder und Gemeinden am Entwurf einer Pflegereform. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will die teils sehr komplexen Finanzströme entflechten und einheitliche Rahmenbedingungen schaffen.

ORF-Initiative

Wichtigen Fragen rund um das Thema Pflege widmet sich der ORF in der „Bewusst gesund“-Initiative „Pflege – Die große Herausforderung“ vom 7. bis 15. November 2020

Grünhaus: Zuständigkeit der Länder „sinnvoll“

Laut Verfassung sind die Länder für die Pflege zuständig. Das ist trotz der Kritik durchaus sinnvoll, erklärte Christian Grünhaus, Wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums für Nonprofit-Organisationen der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Dadurch könnten die Leistungen den Bedürfnissen der Region angepasst werden.

„Letztendlich ist die Frage, wie sehr jemand in Wien, der solche Diskussionen und Verhandlungen führt und Entscheidungen trifft, über eine Region wirklich gut Bescheid wissen kann und entsprechende lokale Effekte mitberücksichtigen kann", so Grünhaus gegenüber noe.ORF.at.

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2018 gab es 91.000 Pflegegeldbezieher in Niederösterreich, 2035 werden es bis zu 126.000 sein

Vereinheitlichung der Finanzierung birgt Konfliktpotenzial

Eine Vereinheitlichung der Finanzierung sieht der Experte zwar als Vorteil, sie könnte aber gleichzeitig für Konfliktstoff sorgen. „In Niederösterreich werden gerade im Bereich der mobilen Pflege die Kundinnen und Kunden stärker in die Pflicht genommen und es wird ein bestimmter Anteil an Selbstbehalt eingefordert, prozentuell gesehen höher als beispielsweise in Wien“, so Grünhaus. „Hier stellt sich die Frage, wie man das vereinheitlicht. Entweder entlastet man die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher oder man belastet die Wienerinnen und Wiener.“

Auch woher das Geld für die Pflege kommen soll, sei umstritten. Private Vorsorge käme jetzt zu spät, so der Experte. Diese würde erst in 30 bis 40 Jahren zum Tragen kommen. Eine Pflichtversicherung wie in Deutschland, ähnlich der Pensions- oder Krankenversicherung, würde wiederum die ohnehin hohen Lohnnebenkosten in Österreich weiter steigen lassen.

Finanzierung Pflege
ORF
Welche Herausforderungen gibt es bei der Finanzierung der Pflege? ORF-NÖ-Redakteurin Manuela Matl im Gespräch mit dem Wissenschaftlichen Leiter des Kompetenzzentrums für Nonprofit-Organisationen der WU Wien, Christian Grünhaus

Grünhaus: Finanzierung über Steuern hätte Vorteile

Eine Finanzierung über Steuern hätte hingegen aus seiner Sicht klare Vorteile. „Steuern können auf unterschiedlichen Quellen basieren. Ich habe nicht nur den Bereich Arbeit, also Lohnsteuer oder Einkommenssteuer, den ich dafür heranziehen kann, sondern als sehr große Steuer die Umsatzsteuer, die Waren und Güter besteuert. Ich habe die Möglichkeit, auch ökologische Steuern oder Vermögenssteuern einzuführen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Geld von der Bevölkerung zu bekommen, um damit Dinge zu finanzieren“, so der Experte gegenüber noe.ORF.at.

Grünhaus verweist außerdem darauf, dass Pflege trotz aller finanziellen Belastungen auch positive Effekte hat. Sie bringt laut einer Studie für Niederösterreich nicht nur den dreifachen wirtschaftlichen Mehrwert durch die Investitionen im Pflegebereich, sondern auch soziale Effekte wie etwa eine gesteigerte Lebensqualität.