Ganz Persönlich Interview mit Andreas Onea
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„ganz persönlich“

„Meine Mutter hat mir das Leben gerettet“

Andreas Onea, Parasportler und ORF-Moderator, hat eine besondere Geschichte zu erzählen. Im Alter von fünf Jahren verlor der Niederösterreicher bei einem schweren Autounfall seinen linken Arm. Der Schicksalsschlag ließ ihn allerdings nicht verzweifeln – ganz im Gegenteil.

Wir treffen Andreas Onea im Sportzentrum Südtstadt in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling). Nur ausnahmsweise dürfen wir die Schwimmhalle betreten, denn während des Lockdowns sind hier nur Profisportler zugelassen, die weiterhin trainieren dürfen. Einer von ihnen ist der 28-jährige Andreas Onea, Parasportler, mehrfacher Medaillengewinner bei Welt- und Europameisterschaften und bei Paralympics.

Um sportlich weiterhin so erfolgreich zu sein, trainiert der Deutsch-Wagramer (Bezirk Gänserndorf) hier täglich vier Stunden an sechs Tagen in der Woche. Neben dem Sport ist Andreas Onea Moderator des Behindertensportmagazins auf ORF-Sport-Plus sowie seit 2012 der Sendung „Licht ins Dunkel“ auf ORF2.

Ganz Persönlich Interview mit Andreas Onea
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Andreas Onea im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteurin Barbara Tschandl in der Schwimmhalle der Südstadt

noe.orf.at: Andreas Onea, Ihre Karriere hat mit einem Schicksalssschlag begonnen. Sie hatten einen schweren Autounfall mit Ihrer Familie. Erinnern Sie sich noch an diesen Tag?

Andreas Onea: Ich weiß noch, dass wir davor meine Familie in Rumänien besucht hatten. Wir haben uns verabschiedet, sind losgefahren und im Auto bin ich dann eingeschlafen. Danach weiß ich nichts mehr. Ich glaube mich zu erinnern, aber da bin ich mir nicht sicher, ob ich mir das nicht zusammengeträumt habe, einen Rettungswagen mit Blaulicht gesehen zu haben. Die erste wirklich Erinnerung habe ich an das Krankenhaus. Alle meine Verwandten waren wieder da, von denen wir uns gerade erst verabschiedet hatten. Und ich dachte nur: Warum sind sie wieder da? Danach erst bemerkte ich, dass ich am Rücken lag, mein Oberkörper war komplett mit Verband eingewickelt. Ich konnte mich nicht gut bewegen und erst später realisierte ich, dass mein linker Arm weg war.

noe.orf.at: Wie kam es zu dem Unfall?

Onea: Ein LKW vor uns hatte Öl verloren, das wurde uns von den Behörden danach gesagt. An dem Tag hat es zudem stark geregnet. Mein Vater hatte die Kontrolle über den Wagen verloren, kam von der Straße ab, der Wagen überschlug sich mehrmals. Ich war damals so „schlau“ und hatte den Gurt um den Arm gewickelt, um bequem darauf schlafen zu können. Als sich der Wagen dann überschlug, wurde ich aus dem Fahrzeug geschleudert. Der Gurt zog an und riss mir förmlich den Arm ab. Ich wurde etwa 15 Meter aus dem Fahrzeug geschleudert, landete im Straßengraben.

noe.orf.at: Sie haben kürzlich ein Foto Ihrer Mutter auf Instagram gepostet und dazu geschrieben, dass Sie ihr nach wie vor dankbar sind, dass sie insistiert hat, ihre drei Kinder müssten gefunden werden.

Onea: Meine beiden Brüder blieben bei dem Unfall Gott sei Dank weitgehend unverletzt, aber meine Mutter wurde schwer verletzt. Trotzdem hat sie den beiden Männern, die Ersthelfer waren, sofort entgegengerufen: „Meine drei Kinder, meine drei Kinder, leben meine drei Kinder?“ Die Helfer wussten zu dem Zeitpunkt nicht, dass es drei Kinder waren. Ich lag im Straßengraben. Nur wegen meiner Mutter haben die Männer dann nach mir gesucht und mich gefunden. Und das alles nur, weil meine Mutter nicht locker gelassen hat. Hätten diese Männer mich nicht gefunden, wäre ich wohl verblutet oder völlig unterkühlt dort liegen geblieben. Das alles Dank der Liebe meiner Mutter, so hat sie mir damals das Leben gerettet.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Andreas Onea
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Der Wagen mit dem Andreas Onea und seine Familie im Mai 1998 den Unfall hatten
Andreas Onea
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Das Fahrzeug überschlug sich mehrmals, Andreas Onea wurde aus dem Auto geschleudert
Andreas Onea
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Andreas Onea
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Andreas Onea mit seiner Mutter und seinen zwei Brüdern

noe.orf.at: Mit diesem schrecklichen Unfall hat für Sie dann allerdings eine ganz große Geschichte begonnen. Sie haben auf der Reha in Klosterneuburg mit dem Schwimmen begonnen, mit nur einem Arm.

Onea: Stimmt, ich habe dann in der Reha mit dem Schwimmsport angefangen, weil das einfach eine sehr gesunde Sportart ist und ich musste lernen, nur noch einen Arm zu haben und eine hohe Lebensqualität einarmig zu haben. Der Schwimmsport war sehr faszinierend für mich, weil ich mich eben ohne Hilfsmittel selbständig von A nach B bewegen kann und nicht auf Hilfe anderer angewiesen war. Der Sport hat mir immer den Beweis gezeigt: Alles ist möglich. Ich muss nur hart dafür arbeiten.

noe.orf.at: Sie haben schon sehr viele Medaillen gewonnen, bei Welt- und Europameisterschaften, bei den Paralympics. Welche Ziele haben Sie jetzt noch?

Onea: Nun ja, gewonnen habe ich ja in dem Sinne noch nichts, wenn man es genau nimmt. Ich bin immer nur Zweiter oder Dritter geworden auf internationaler Ebene. Gold zu gewinnnen bei Welt- und Europameisterschaften, bei den Paralympics, das ist mein großes Ziel, darauf arbeite ich hin. Das ist der große Traum. Im Sport kann man sich immer verbessern. Ich möchte in Österreich alle Rekorde schaffen. Ich möchte diesen Sport nachhaltig und langfristig prägen. Menschlich sehe ich einfach, dass der Sport mir die Möglichkeit gibt, meine Botschaften, die Lebensperspektive, weiterzugeben: den Menschen Mut machen, Menschen begeistern, unterhalten. Solange ich das machen kann, freue ich mich auf alles, was noch ansteht.