Chronik

40 Flüchtlinge geschleppt: Zwei Jahre Haft

In Korneuburg ist am Donnerstag ein Lastwagenfahrer zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Dem Mann wurde vorgeworfen, in seinem Sattelschlepper etwa 40 syrische Flüchtlinge nach Österreich gebracht zu haben. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der 63-jährige Beschuldigte war nach seiner Festnahme teilweise geständig. Vor Gericht legte er heute aber nicht nur ein umfassendes, sondern ein „überschießendes“ Geständnis ab, wie es die Richterin in der Begründung des Urteils sagte. So gab der Mann Umstände zu, die so möglicherweise nicht zu beweisen gewesen wären – etwa, dass der 63-Jährige schon in Ungarn bemerkt hatte, dass die Ladung verrutscht war und er die Flüchtlinge dadurch in Lebensgefahr gebracht hatte. Ein juristisch relevantes Detail, da die Gefährdung der geschleppten Menschen noch vor der Einreise nach Österreich vorlag und sich der Strafrahmen dadurch auf bis zu zehn Jahre Haft erhöhte.

„Wir hatten Angst, verletzt zu werden“

Geladen hatte der Lastwagen Stahlrohre und Kisten mit Metallteilen. „Einige von uns sind während der Fahrt auf diesen Rohren gesessen. Wir hatten Angst, dass wir uns verletzten könnten, sollten sich Teile der Ladung lösen“, erzählte einer der drei Flüchtlinge, die als Zeugen geladen waren. „Es hatte 45 Grad in dem Lkw und es war schwer, Luft zu bekommen“, erzählt ein anderer. Alle Zeugen sagten, dass 40 bis 45 Personen an Bord waren.

Schlepper-Lkw
LPD NÖ
Der Lkw hatte große Metallstücke geladen, die nicht ausreichend gesichert waren

Übernommen hatte der Angeklagte den Lastwagen in Rumänien. Die genauen Umstände blieben aber auch trotz mehrfachen Nachhakens durch das Gericht unklar. 700 Euro Fuhrlohn sollen es gewesen sein, die der Lastwagenfahrer bekommen hat oder nicht. Auch das konnte nicht restlos geklärt werden. „Mein größter Fehler war, dass ich in Ungarn nicht zur Polizei gegangen bin. Ich entschuldige mich dafür“, sagte der türkische Lastwagenfahrer, der bereits in Pension ist, nach wie vor aber diverse Fahrten durchführt.

Fahrt dauerte mindestens 20 Stunden

Die Fahrt dauerte zirka 20 Stunden und war deshalb „qualvoll“, sagt die Richterin. „Zwar hatten die Menschen Nahrung und Getränke, aber sie hatten keine Möglichkeit, den Lastwagen zu verlassen, um etwa ihre Notdurft zu verrichten.“ Laut Polizei mussten die Flüchtlinge pro Person zwischen 4.000 und knapp 8.000 Euro für den Transport bezahlen. Bei Maria Ellend (Bezirk Bruck an der Leitha) sollen die meisten von ihnen abgeholt und weiter nach Wien bzw. Deutschland gebracht worden sein – mehr dazu in Erneut Schlepper-Lkw aufgegriffen (noe.ORF.at; 28.9.2020).

Schlepper-Lkw
LPD NÖ
In dem Lkw wurden etwa 40 bis 45 Flüchtlinge transportiert

Am Ende war es ein relativ mildes Urteil: Der Beschuldigte muss zwei Jahre in Haft. Mildernd wirkten sich das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit aus. „Ohne jemanden beleidigen zu wollen: Er ist ein einfacher, aber ehrlicher Mensch. Wir glauben, dass zwei Jahre Haft durchaus ausreichend sind, um andere Menschen abzuschrecken“, erklärte die Richterin die Strafhöhe. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Staatsanwalt verzichtete auf ein Rechtsmittel, der Lastwagenfahrer nahm das Urteil unter Tränen an. Er war ganz sicher nur ein kleines Rädchen im Schleppernetzwerk, waren sich die Prozessbeteiligten einig.

Deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr

Dass die Zahl der Schleppungen zuletzt wieder mehr werden, attestierte nicht nur der Staatanwalt, sondern bestätigte im Gespräch mit noe.ORF.at auch Polizeisprecher Heinz Holub. „Im September des Vorjahrs waren es 292 Menschen, die aufgegriffen worden sind. Heuer waren es im selben Zeitraum 407.“ Noch deutlicher fiel der Anstieg im Oktober aus: Die Zahl der Aufgriffe stieg von 273 auf 473.

Holub sagte aber auch, dass mehr Kontrollen im Grenzgebiet stattfinden würden: „Dazu kommen Schwerpunktaktionen und die ständige Analyse und Evaluierung des Geschehens, wodurch wir unsere Konzepte anpassen, um so mehr Personen aufgreifen zu können, die illegal eingereist sind.“