Nico Dostal
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Kultur

Nico Dostal: süße Melodien, dunkle Schatten

Vor 125 Jahren wurde Nikolaus Josef Michael Dostal in Korneuburg geboren. Ab den 1930er-Jahren feierte er unter dem Künstlernamen Nico Dostal große Erfolge als Operetten- und Filmkomponist. Sein Wirken in der Nazi-Zeit legt jedoch Schatten über seine Biografie.

Bereits der Onkel und der Großvater von Nico Dostal waren Musiker, in diesem Fall Militärkapellmeister. Nikolaus oder „Nico“ wuchs also in einer musikalischen Familie auf. Dennoch wollten die Eltern, dass der Sohn Jurist wird. Doch ihn zog es zur Musik hin. Diesen klassischen Fall kennt man bereits seit Händel oder Telemann. Er immatrikulierte zwar an der rechtswissenschaftlichen Fakultät, doch ab 1914/1915 studierte er bei Vinzenz Goller an der damals in Klosterneuburg angesiedelten Abteilung für Kirchenmusik der Wiener Musikakademie.

1916 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Nach Kriegsende widmete er sich voll und ganz der Musik. Bereits im Winter 1918 hatte er sein erstes Engagement als Theaterkapellmeister in Innsbruck, es folgten Stationen in St. Pölten, Wien und Czernowitz in der heutigen Ukraine. Von 1921 bis 1924 war er in Salzburg als Kapellmeister tätig. Von 1924 bis 1943 lebte er in Berlin, wo er sich mehr und mehr der Unterhaltungsmusik zuwandte.

Dostal, ein „gottbegnadeter“ Komponist

Ausgerechnet im Jahr 1933, in dem Hitler in Deutschland an die Macht kam, feierte Dostal in Berlin mit seiner ersten Operette „Clivia“ den künstlerischen Durchbruch. Dieser Erfolg hat seinen weiteren Weg bestimmt. Das zeitliche Zusammentreffen ist vermutlich Zufall. Die Komposition des Charakterstückes „Die kleine Hitler-Garde kommt“ für Orchester im selben Jahr (1933) ist es sicherlich nicht. Im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Künstlern konnte Dostal während der Herrschaft der Nationalsozialisten sein Schaffen ungehindert fortsetzen. Er konnte wie die Dirigenten Böhm oder Karajan in Lücken stoßen, die durch die Vertreibung oder Inhaftierung jüdischer Musikerkollegen aufgerissen wurden.

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Komponist Nico Dostal in Marcel Prawys Sendung „Opernführer“

Dies soll die Anerkennung seines Talents als Komponist nicht schmälern. Dennoch hinterlässt es einen mehr als schalen Beigeschmack, dass er bei höchsten Nazigrößen sehr beliebt war. Sein Name findet sich auf der sogenannten „Gottbegnadeten-Liste“ in der Aufzählung „weitere unabkömmlich gestellte Künstler und Komponisten für Film und Funk und Begleiter für Funk und Konzert“. Er war somit während des gesamten Zweiten Weltkriegs vom Front- und Arbeitsdienst freigestellt. Es wurde durch dieses Privileg von ihm verlangt, seinen Kriegsbeitrag in Form seiner künstlerischen Tätigkeit zu erfüllen.

Operetten und Filme als „harmlose“ Unterhaltung

Nach dem Sensationserfolg von „Clivia“ folgten weitere Operetten, wie beispielsweise „Die Vielgeliebte“ (Uraufführung Leipzig 1934), „Extrablätter“ (Bremen 1937), „Monika“ (Stuttgart 1937), „Flucht ins Glück“ und „Manina“. Dieses Werk feierte im November 1942 in Berlin Premiere, die 100. Aufführung fand am 27. Juni 1944 in Hamburg statt, kurz bevor kriegsbedingt alle Theater geschlossen wurden. Neben Operetten komponierte er auch Filmmusiken, beispielsweise zu „Kaiserwalzer“ (1932), „Dreizehn Stühle“ (1938), „Heimatland“ (eine Verfilmung seiner Operette „Monika", 1939)“ und „Geierwally“ (1940).

Die letzten Kriegsjahre verbrachte die Familie, den Bombennächten in Berlin entfliehend, in Bad Aussee. 1946 übersiedelte Nico Dostal mit seiner Familie nach Wien, ab 1954 lebten sie in Salzburg. Zu Dostals späteren Werken gehören „Süße kleine Freundin“ (1949), „Zirkusblut“ (1950), „Doktor Eisenbart“ (1952), „So macht man Karriere“ (Kammermusical, 1961) und „Rhapsodie der Liebe“ (1963).

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Nico Dostal gemeinsam mit seiner Frau Lillie Claus-Dostal und Marcel Prawy (v.l.)

Nahtloser Übergang in die Nachkriegszeit

Auch nach Kriegsende galt Nico Dostal in Österreich als gefragter Komponist. Und seine Biografie folgt den Nachkriegskarrieren von Karl Böhm, Wilhelm Furtwängler oder Herbert von Karajan. Bereits im Oktober 1945 dirigierte er ein Konzert in Salzburg, seine während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland höchst erfolgreiche Operette „Manina“ wurde ab September 1947 im Raimundtheater in Wien aufgeführt und zu „Kind der Donau“ (1950), dem ersten österreichischen Farbfilm, steuerte er die Filmmusik bei.

Dem Film und dem Musical wandte er sich zu, weil in den 1950er-Jahren und danach die Operette für nicht mehr zeitgemäß erklärt wurde. Nico Dostal starb 1981 in Salzburg und wurde auf dem Salzburger Kommunalfriedhof in einem Ehrengrab beigesetzt. Heute stehen sehr selten Werke von Nico Dostal auf dem Programm, obwohl er zahlreiche symphonische Musikwerke, Messen und seinerzeit beliebte Lieder schuf. Der lange Schatten seines Schaffens während der NS-Zeit dürfte da nachwirken.