Tatverdächtige in der Bank in Mödling beim Betreten der Bank am 13.11.2020 um 20.07 Uhr
LPD NÖ
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Chronik

Neue Spuren und Details zu Schließfach-Coups

Um die 25 Millionen Euro dürften die Täter bei den Schließfach-Coups in drei Banken erbeutet haben, indem sie Kartenlesegeräte manipuliert und Codes ausspioniert haben dürften. Die Polizei veröffentlichte zudem neue Fahndungsfotos und Details zu den Taten.

Polizei bittet um Hinweise

Hinweise werden weiterhin an das Landeskriminalamt Niederösterreich unter 05913330-3048 oder -3333 bzw. an jede Polizeidienststelle erbeten

Der Millionencoup dürfte in nur einer Nacht über die Bühne gegangen sein. Die Zugriffe erfolgten laut Polizei am 13. November in der Zeit zwischen 18.00 und 23.14 Uhr. Gestohlen wurden Juwelen, Gold, Uhren und Bargeld. Die Täter verließen die Bankfilialen jeweils mit Taschen oder Rucksäcken.

Die Schadenssumme beläuft sich laut offiziellen Angaben der Polizei auf eine zweistellige Millionenhöhe, Medienberichten zufolge sollen es mindestens 25 Millionen Euro sein. Die Summe könne man allerdings nicht bestätigen, da die Einvernahmen der Geschädigten noch im Gange sei.

Die Täter sollen vor ihrem Coup das Lesegerät für die Zugangskarten manipuliert haben. Dadurch konnten die Daten abgelesen und Duplikate erstellt werden. Die dazugehörige Pin-Codes wurden durch geheime Kameras abgelesen. So konnten die Diebe zu den Schließfächern gelangen und diese dann zum Teil gewaltsam öffnen. Die Installationen wurden kurz vor dem finalen Zugriff abmontiert.

In Klosterneuburg wurden 29 und in Mödling 31 Schließfächer geknackt, dazu kommen acht Schließfächer in der betroffenen Bank in Wien, informierte die Landespolizeidirektion Niederösterreich am Freitag. Nach Bekanntwerden der Vorfälle vergangene Woche hieß es zunächst seitens der Bank, es seien nur einige wenige Schließfächer betroffen – mehr dazu in Bankencoup: Millionenschaden und viele offene Fragen (20.11.2020; noe.ORF.at).

Tatverdächtige in der Bank Klosterneuburg beim Betreten der Bank am 13.11.2020 um 18.40 Uhr
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Diese Männer dürften für die leergeräumten Schließfach-Coups in Klosterneuburg verantwortlich sein

Ähnliche Diebstähle in Deutschland und der Schweiz

Die Ermittlungen würden weiter auf Hochtouren laufen, hieß es. Das Landeskriminalamt für Niederösterreich habe eine eigene Ermittlungsgruppe gebildet, die ausschließlich diesen Fall bearbeitet und in enger Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Wien tätig ist. Man sei auch mit Ermittlern im Ausland in Kontakt. In Hamburg, Hannover und auch in der Schweiz sei es in der Vergangenheit zu ähnlichen Diebstählen gekommen, so Polizeisprecher Johann Baumschlager. Zur Aufklärung des Kriminalfalls bittet man weiter um Hinweise aus der Bevölkerung. Dafür wurden auch neue Details veröffentlicht.

Demnach waren die Täter in Klosterneuburg von 18.40 bis 23.18 Uhr aktiv. Auf den Überwachungsvideos sind zwei vermummte Männer zu sehen, die Polizei geht aber davon aus, dass sich ein weiteres Mitglied der Bande in einem Auto im Bereich des Stadtplatzes, der Park & Ride-Anlage beim Bahnhof oder auf dem Schotterparkplatz „In der Au“ aufgehalten hat. Um 19.34 Uhr verließ einer der Täter die Bank mit einer offensichtlich voll bepackten Tasche und kehrte wenige Minuten später ohne die Tasche zurück. Um 23.18 Uhr verließen die beiden Verdächtigen die Bank Richtung Bahnhof bzw. Schotterparkplatz. Daher wird ein dritter Täter in einem Fahrzeug vermutet, welches während der Tatzeit umgeparkt wurde.

Tatverdächtige in der Bank in Mödling beim Verlassen der Bank am 13.11.2020 um 23.11 Uhr
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Gegen 23.14 Uhr verließen die Verdächtigen die Bank in Mödling

In Mödling dürften die Taten laut aktuellem Ermittlungsstand zwischen 20.07 und 23.14 Uhr verübt worden sein. Via Medien wurde hier nach einem Hundebesitzer gesucht, der mittlerweile bestätigen konnte, dass es sich bei einem der Verdächtigen um eine Frau handelt. Er habe sich noch über die dicke Bekleidung der Personen gewundert, weil sie den damals herrschenden Temperaturen nicht angemessen gewesen sei. Die mutmaßlichen Täter sollen die Bank nach links in die Freihofgasse Richtung Franz-Keim-Gasse verlassen haben. Auch hier vermutet die Polizei ein Fluchtfahrzeug, das in der Nähe geparkt haben könnte, etwa in der Demelgasse oder beim Bahnhof.

Fahndungsbild nach Schließfach Coup aus Wiener Bank
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Dieses Bild wurde nach dem Diebstahl in der Wiener Bank aufgenommen

Die Polizei betonte die auffällige Jacke der verdächtigen Frau (Marke Naketano). Konkret wird nach Hinweisen gesucht, ob das Pärchen in irgendeiner Unterkunft eingemietet war, da die Täter die Tat vermutlich schon mehrere Wochen lang vorbereitet haben. Auch zu den Taten in Wien wurden Bilder aus einer Überwachungskamera veröffentlicht.

Geschädigte bereiten Sammelklage vor

Einige der Geschädigten wollen indes über den Verbraucherschutzverein eine Sammelklage gegen die Banken anstrengen. Ihrer Ansicht nach sei das Sicherheitssystem mangelhaft gewesen und die Entschädigung viel zu gering. Bisher hätten sich drei Besitzer von Schließfächern gemeldet, die Opfer der Schließfachbande wurden, sagte der Obmann des Verbraucherschutzvereins, Peter Kolba.

Kolba argumentiert, dass das Sicherheitssystem ungenügend gewesen sei. Es könne nicht sein, dass die Täter sich stundenlang in den Banken aufgehalten haben und der Reihe nach Schließfächer, die mit Codes gesichert waren, öffnen konnten.

Kolba: „Entschädigung viel zu gering“

"Die in den Geschäftsbedingungen enthaltene Entschädigung von maximal 3.600 Euro pro Schließfach sei „auf jeden Fall viel zu gering“, betonte Kolba. Es sei klar, dass die Bankkunden beweisen müssten, was sich in den Schließfächern befand, entweder durch Zeugen oder Fotos. Sollten die Banken nicht bereit sein, zu entschädigen, dann werde man eine Sammelklage anstrengen. Er hoffe, dass sich möglichst viele Geschädigte dieser Klage anschließen, sagte Kolba.

Seitens der Banken hieß es, man rede derzeit persönlich mit den betroffenen Kunden und versuche Lösungen zu vereinbaren. Details dazu gebe man aber im Hinblick auf das Bankgeheimnis und das laufende Verfahren nicht bekannt.