Politik

Impfstoff-Verteilung: Edtstadler optimistisch

Die Verteilung von Impfdosen wird in Kürze zu einem gesamteuropäischen Kraftakt. Einen Rückfall in nationale Alleingänge wie zu Beginn der Pandemie fürchtet Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die heuer beim Europa Forum Wachau auftrat, nicht.

Um den Jahreswechsel sollen die ersten Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher geimpft werden. Einen Fahrplan der Bundesregierung gibt es bereits. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Europäische Union. Die Verhandlungen mit den Impfstoff-Herstellern wurden schließlich von der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen geführt.

Insgesamt geht es um bis zu 1,5 Milliarden Impfdosen. Verträge für mehr als 750 Millionen Dosen hat die EU alleine mit jenen drei Pharma-Konzernen, deren Impfstoffe momentan kurz vor der Zulassung stehen. Falls alles nach Plan läuft, beginnt in etwa einem Monat deren Verteilung in den EU-Staaten. Diese soll so fair und solidarisch wie möglich erfolgen. Zu Beginn der Krise im Frühjahr war von einer derartigen Solidarität innerhalb der Union allerdings wenig zu spüren. Binnen kürzester Zeit schlossen EU-Partner fast ohne gegenseitige Abstimmung ihre Grenzen. Einzelne Staaten konkurrierten um die knappe Schutzausrüstung.

Nationale Alleingänge „Gott sei Dank überwunden“

Eine ähnliche Situation erwartet Europaministerin Karoline Edtstadler nun nicht. Man habe aus den Fehlern im Frühjahr gelernt, sagte sie im Interview mit noe.ORF.at: „In der Krise sind viele auf nationale Positionen zurückgefallen. Jedem war das Hemd näher als der Rock. Das haben wir Gott sei Dank überwunden.“ Nun gebe es innerhalb der Europäischen Union eine Solidarität, die sich etwa beim Beschluss des EU-Budgets im Juli gezeigt habe.

Wie stark die EU sein könne, habe sie im Verlauf der Krise bereits im wissenschaftlichen Bereich demonstriert. „Wir stehen jetzt kurz vor der Zulassung von einigen Impfstoffen, weil in der Europäischen Union alle zusammengehalten haben“, sagte Edtstadler. Diese Stärke müsse man jetzt ausbauen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich sei gerade in Niederösterreich besonders ausgeprägt: „Acht von zehn Niederösterreichern sagen, dass sie sich eine engere Kooperation wünschen.“ Als Vorbild nennt die Europaministerin das Gesundheitsprojekt „Healthacross“ in Gmünd, bei dem seit Jahren auch Patienten aus Tschechien behandelt werden.

Online-Diskussion mit EU-Politikern

Die niederösterreichische Gesundheitsinitiative war auch Thema im Online-Salon des Europa-Forums Wachau. Dort wurde es als Paradebeispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit bezeichnet. In einer Online-Diskussion sprachen der für internationale Angelegenheiten zuständige Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP), Präsident des Europa-Forum Wachau, und EU-Ministerin Edtstadler mit Politikerinnen und Politikern aus der Europäischen Union – unter anderem mit Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides – über Fragestellungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich in Europa und deren Auswirkungen auf Niederösterreich.

Covid-19 habe den Menschen vor Augen geführt, dass Viren keine Grenzen kennen, grenzüberschreitende Herausforderungen im Gesundheitsbereich würden daher nach grenzüberschreitenden Antworten verlangen, so Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. „Die niederösterreichische Initiative ‚Healthacross‘ stellt daher eine Ergänzung der Bemühungen der Europäischen Kommission um die Schaffung einer Europäischen Gesundheitsunion dar und beweist den Mehrwert grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung und regionaler Zusammenarbeit.“

Martin Eichtinger und Karoline Edstadtler Diskussion Europa Forum Wachau November 2020
Bollwein
Karoline Edtstadler und Martin Eichtinger (v.r.) bei der Online-Diskussion mit dem Motto „A healthy Europe“

Die Europäische Kommission arbeite „auf Hochtouren“ an einer stärkeren europäischen Kooperation und Koordination im Gesundheitsbereich, sagte Ministerin Edtstadler. Das eigenständige europäische Gesundheitsprogramm „EU4Health“ ist mit über fünf Milliarden Euro dotiert und „ein wesentlicher Eckpfeiler der Aktivitäten in der Europäischen Union im Gesundheitsbereich“. Es soll die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme stärken, die Koordination im Bereich der öffentlichen Gesundheit verbessern und das gemeinsame EU-Krisenmanagement fördern.

Eichtinger: Wesentliche Vorreiterrolle in Europa"

„Die grenzüberschreitende Gesundheitsinitiative ‚Healthacross‘ nimmt eine wesentliche Vorreiterrolle in Europa ein und dient als Best-Practice-Beispiel für das EU4Health-Programm“, erklärte Martin Eichtinger. Die Zustimmung in Niederösterreich unterstreiche die Wichtigkeit dieser Initiative. Eine Studie des Instituts für Strategieanalysen zeige, dass acht von zehn Niederösterreichern diese Kooperation im Gesundheitsbereich befürworten.

Der neu gewählte Kreishauptmann der tschechischen Nachbarregion Südmähren, Jan Grolich, sagte über die grenzüberschreitende Kooperation mit Niederösterreich: „Die Region Südmähren schätzt die derzeitige Zusammenarbeit sehr und ich freue mich, dass diese Zusammenarbeit fortgesetzt wird.“

An diesem Online-Salon nahmen noch zahlreiche andere Expertinnen und Experten teil. Gerald Gartlehner, Departementleiter des Departments für evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems und Mitglied in der COVID-19 Ampelkommission,sagte, dass es wichtig wäre, dass Österreich in Zukunft Ausbildungen in Public Health und Epidemiologie gezielt fördere, um für zukünftige Pandemien besser gerüstet zu sein.

Francesco Zambon, Koordinator für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Regionalbüro für Europa in Venedig, sagte: „Covid-19 hat der Welt Einhalt geboten und sie gezwungen, darüber nachzudenken, wie wir uns auf Krisen dieser Art besser vorbereiten können, aber auch wie wir unser Leben in Zukunft besser gestalten könnten. Die schlechteste Reaktion wäre, die um uns herrschende Verzweiflung nicht als Antrieb für drastische Veränderungen zu nützen. Morgen können und werden wir in einer besseren Welt leben.“ Die WHO habe bereits eine Publikation zur grenzüberschreitenden Gesundheitskooperation Niederösterreichs mit seinen Nachbarn veröffentlicht. Besonders das europaweit erste grenzüberschreitende Gesundheitszentrum in Gmünd gelte als Leuchtturmprojekt innerhalb der EU, so Zambon.