Kultur

„Waltauchen“: Über die Leichtigkeit der Tiefe

David Bröderbauers Roman „Waltauchen“ ist das Ö1-„Buch des Monats“ im November. „So hat noch kein Mann geschrieben“, sagt die Schriftstellerin Margit Schreiber über den 1981 in Zwettl geborenen Autor und studierten Biologen Bröderbauer.

"Der Niederösterreicher erzählt von einer verträumten Kindheit, dem schwierigen Erwachsenwerden und der Faszination des Apnoetauchens und beweist dabei langen Atem“, schreibt APA-Kulturchef Wolfgang Huber-Lang in seiner Rezension über den Roman, der heuer im Milena-Verlag erschien. Wer sich bisher nie vorstellen konnte, welche Faszination vom Apnoetauchen ausgehen könne, vom Tauchen mit einem einzigen Atemzug, der bekommt von Bröderbauer, der nach einem Besuch der Leondinger Akademie für Literatur im Vorjahr seinen Debütroman „Wolfssteig“ vorlegte, lange, einfühlsame, detaillierte Schilderungen der damit verbundenen körperlichen und seelischen Vorgänge, so Huber-Lang.

„Ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliches Buch“

Tatsächlich ziehe einen die Lektüre des Buchs schon bald so hinein, wie es den Ich-Erzähler in die Tiefe zieht. Der Mann sei schon als Bub fasziniert vom Luftanhalten, das ihm buchstäblich zu einem Rückzugsort wird, an dem die lästige oder gar bedrohliche Umgebung in die Ferne rückt. „Waltauchen“ sei ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliches Buch, so der Kulturchef der Austria Presse Agentur.

Autor David Bröderbauer
Matthias Guido Braudisch
David Bröderbauers Roman „Waltauchen“ ist im November das Ö1-„Buch des Monats“: „Ein kluger Roman, der gekonnt zwischen Kindheitserinnerungen und Gegenwart wechselt“ (Claudia Gschweitl, Ö1)

Um den Sauerstoffverbrauch zu minimieren und die atemlose Zeit unter Wasser tatsächlich als „Freitauchen“ zu empfinden, braucht es langes Training und umfassende Entspannung. In diesen Passagen ist Bröderbauers Text tatsächlich ganz bei sich.

Eigentlich ist „Waltauchen“ aber ein Coming-of-Age-Roman mit einer originellen Rahmenhandlung: Der Protagonist hat eine urologische Ordination aufgesucht, um sich nach einer Nebenhodenentzündung auf seine Zeugungsfähigkeit untersuchen zu lassen. In einem Behandlungsraum soll er dafür sorgen, dass er in angemessener Frist eine Samenspende vorweisen kann.

Eintauchen in die eigene Erinnerung

Unter diesen Umständen ist Entspannung jedoch schwer, die Gedanken schweifen ab und tauchen in die eigene Erinnerung: Das Aufwachsen am Land, das Nicht-Für-Voll-Genommen-Werden von Klassenkollegen und Familie, der Konflikt mit dem „Schweigevater“, die lebenslange Faszination für Tauchen und Wale, die Beziehung zu einer jungen, unkomplizierten Frau und schließlich die Auseinandersetzung mit verschiedenen Männerrollen – die er auf „Vatermänner“ und „Nursöhne“ zuspitzt – sind die beherrschenden Themen, die dem jungen Mann dabei in den Sinn kommen.

Buchhinweis

David Bröderbauer: Waltauchen. Milena Verlag,
188 Seiten, 23 Euro.

Wolfgang Huber-Lang: „Das Ganze ist so ruhig und unaufdringlich erzählt, dass man Bröderbauer auch nicht wirklich übel nehmen kann, dass er ausgerechnet bei zwei immer wiederkehrenden Hauptmotiven die Auflösung verweigert: Hat sein Protagonist beim Urologen trotz fehlender Konzentration letztlich Erfolg, können seine Spermien ihre Fitness unter dem Mikroskop beweisen? Und wie ist die lebenslang erträumte Begegnung mit einem Pottwal, die bei einem Griechenlandurlaub tatsächlich zustande kommt, und von der immer wieder in Andeutungen die Rede ist, im Detail verlaufen? Beides bleiben Leerstellen. Zumindest die letztere vermag man nach der Lektüre dieses Buches mit bedeutend mehr Fantasie zu füllen als davor.“