Soziale Alltagsbegleitung
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Soziales

Soziale Alltagsbegleiter: Hilfe in der Freizeit

Seit wenigen Wochen ist bekannt, dass die soziale Alltagsbegleitung heuer als neues Berufsbild fix eingeführt werden soll. Bisher arbeiten etwa 30 Alltagsbegleiterinnen in Form eines Pilotprojektes in Niederösterreich. Eine von ihnen gab noe.ORF.at einen Einblick in ihre Arbeit.

Renate Hofer ist zu Besuch bei Ehepaar Grothe in Burgstall bei Maria Anzbach (Bezirk St. Pölten). Eigentlich hatte die soziale Alltagsbegleiterin geplant, mit den Grothes spazieren zu gehen. Weil es draußen aber heftig schneit, steht Walzertanzen auf dem Programm. Auf die Frage, wann sie zuletzt miteinander getanzt haben, können Wilfried und Hildegard Grothe keine Antwort geben.

Wilfried Grothe sitzt im Rollstuhl, im Hintergrund spielt ein Plattenspieler laute Walzertakte. Das Ehepaar hält einander fest an den Händen und tanzt um den Esstisch. Die soziale Alltagsbegleiterin führt den Rollstuhl und schwenkt ihn im Takt sanft hin und her. Alle lachen und scheinen das Schneetreiben vor der Haustüre vergessen zu haben.

Besuche dauern zwischen zwei und sechs Stunden

Zwei Mal pro Woche kommt Renate Hofer das Ehepaar besuchen. Jedes Mal bleibt sie für zwei bis sechs Stunden. Pflegerische Tätigkeiten gehören nicht zu ihren Aufgaben, erzählt sie: „Bei meinem Beruf geht um die gemeinsame Freizeitgestaltung – also um alles, das ansteht, was man jedoch nicht mehr alleine machen kann oder wobei man einfach gerne Gesellschaft haben möchte.“ Meist besucht sie alleinstehende alte Leute, aber auch Paare – wie im Fall der Grothes.

Hildegard Grothe erzählt gegenüber noe.ORF.at von ihrer Vergangenheit in Deutschland. Erst in höherem Alter zogen sie und ihr Mann nach Maria Anzbach – wegen ihrer Kinder, die bereits zuvor nach Österreich gezogen waren, wodurch ihnen etwas Anschluss fehle. Seit sie das Haus ohne Unterstützung nicht mehr verlassen können, fehlen Sozialkontakte. Hier helfe Renate Hofer. „Wir führen viele Gespräche – oft auch über ernste Themen. Wenn es uns nicht gut geht oder mit der Umgebung nicht gut geht, können wir uns bei ihr ausweinen“, so Hildegard Grothe.

Unterstützung bei sozialer Isolation

In ihrem Beruf begegnet die soziale Alltagsbegleiterin viel Einsamkeit, erzählt Renate Hofer: „Bei vielen meiner Kundinnen und Kunden geht es oft einfach nur ums Dasein, ums Plaudern und Gesellschaft leisten, weil sie die meiste Zeit alleine sind.“ Je nach körperlicher Verfassung ihrer Kundinnen und Kunden animiert sie bei ihren Besuchen zu Bewegung, unternimmt gemeinsame Ausflüge, geht mit ihnen Bummeln oder auf der Friedhof.

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Auch Walzertanzen kann zum beruflichen Alltag der sozialen Alltagsbegleiterin Renate Hofer (li.) gehören
Alte Hände Merkspiel
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Je nach Aktivität und körperlicher wie geistiger Gesundheit ihrer Kundinnen und Kunden, wird die soziale Alltagsbegleitung gestaltet: mit Spielen, Backen oder Ausflügen vor die Türe
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Besonderes Augenmerk wird in der sozialen Alltagsbegleitung auf Gespräche gelegt. Viele Kundinnen und Kunden leiden unter reduzierten Sozialkontakten

Pro Besuch stehen sozialen Alltagsbegleiterinnen zwischen zwei und sechs Stunden zur Verfügung. Damit unterscheidet sich der Beruf von jenem der mobilen Pflegekräfte und Heimhilfen, sagt Andrea Harm, die Pflegedienstleiterin der Caritas St. Pölten. Von den niederösterreichweit etwa 30 eingesetzten sozialen Alltagsbegleiterinnen arbeitet etwa die Hälfte bei der Caritas.

„Es gibt natürlich Überschneidungen mit der Heimhilfe, weil die natürlich auch die soziale Kompetenz in die Ausbildung integriert hat, aber eine soziale Alltagsbegleitung bietet diese Blockbetreuung am Stück“, so Harm. Renate Hofer erzählt aus ihrer Praxis, dass sie dadurch „mehr Zeit und deutlich mehr Ruhe für gemeinsame Freizeittätigkeiten zur Verfügung habe. Meine Kolleginnen und Kollegen von der Pflege müssen ja durchaus sehr getaktet arbeiten, weil da sehr viel Pflicht dahintersteht und viele fixe Aufgaben in einem recht kurzen Zeitfenster Platz finden müssen.“

Einführung des Berufs Mitte 2021 geplant

Noch wird soziale Alltagsbegleitung als Pilotprojekt geführt. Mitte dieses Jahres plant das Land Niederösterreich die fixe Einführung dieses neuen Berufsbildes. Die Caritas geht von einem hohen Bedarf aus – zusätzlich zu Angeboten wie Heimhilfe und Co. Vor der Einführung brauche es in den Augen von Pflegedienstleiterin Andrea Harm aber noch teilweise Nachschärfungen – etwa in der Ausbildung.

„Es muss klar sein, welche Berufsgruppe welche Kompetenzen und Aufgaben hat. Bei der sozialen Alltagsbegleitung sehe ich noch Bedarf bei der theoretischen Schulung. Bisher inkludiert die Ausbildung 100 Theoriestunden. Bei der Fülle an psychosozialen Diagnosen, die Kundinnen und Kunden aufweisen, wäre eine vertiefende Grundausbildung sicherlich hilfreich.“

Auch aus dem Büro der zuständigen Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) heißt es, dass nach Überführung des Pilotprojektes in die Liste aller Berufe der Pflegelandschaft „die erforderlichen Adaptierungen der Ausbildung an die Praxis vorgenommen und das Berufsbild geschärft wird.“

Die Grothes zählen in Niederösterreich zu etwa 370 Personen, die soziale Alltagsbegleitung in Anspruch nehmen. Sobald die Tätigkeit als eigenständiger Beruf eingeführt ist, rechnen die daran beteiligten Hilfsorganisationen wie etwa die Caritas und auch die Sozialabteilung des Landes mit deutlich steigenden Interessenten – sowohl unter der Klientinnen und Klienten als auch unter jenen, die sich in der sozialen Alltagsbegleitung ausbilden lassen möchten.