Frau macht auf einer Matte eine Übung in der Physiotherapie
ORF.at/Christian Öser
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Gesundheit

Physiotherapeuten schlagen Alarm

Viele Menschen vermeiden wegen der Pandemie Wege, die nicht absolut notwendig sind. Das betrifft auch Besuche beim Arzt oder Physiotherapeuten. Niederösterreichs Physiotherapeuten schlagen nun Alarm und warnen vor den gesundheitlichen Auswirkungen.

Viele Patientinnen und Patienten nehmen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus lieber chronische Schmerzen in Kauf, statt ärztlich verordnete Therapien wahrzunehmen, berichten niederösterreichische Physiotherapeuten. Das führe zu Behandlungsverzögerungen und gefährde die Gesundheit der Betroffenen, warnen sie. Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Badener Meinungsforschungsinstituts Marketagent.com zeigen, dass die Niederösterreicher mehrfach versuchen, in Eigenregie mit ihren Schmerzen klarzukommen.

„Wir bemerken, dass sich viele Menschen, vor allem jene aus Risikogruppen, nicht mehr in die Praxen von uns Physiotherapeuten trauen. Und das obwohl sie unsere Unterstützung gerade dringend bräuchten, weil sie zum Beispiel einen Unfall hatten oder an einer chronischen Krankheit leiden“, berichtet Kristina Seltenheim, Vorsitzende des Physio Austria Landesverbands Niederösterreich. „Diese Behandlungsverzögerungen können zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führen und damit einhergehend hohe Kosten nach sich ziehen!“

Physiotherapie auch in CoV-Zeiten sicher

Dabei sind laut dem Gesundheitsberuferegister über 15.900 berufsberechtigte Physiotherapeuten in allen neun Bundesländern im Einsatz – rund 2.700 allein in Niederösterreich – und das auch in Zeiten von Lockdowns, zumal sie als gesetzlich geregelter Gesundheitsberuf systemrelevant sind. Sie setzen auf umfassende Schutzmaßnahmen, um ihre Patienten sicher und zuverlässig zu behandeln.

„Als Dienstleistungserbringer im Gesundheits- und Pflegebereich werden wir explizit mit eigenen Regelungen bedacht“, schildert Seltenheim. „Der Schutz unserer Patienten und von uns Physiotherapeuten hat für uns stets oberste Priorität. Daher folgen wir in Niederösterreich ganz klar den Handlungsempfehlungen des Gesundheitsministeriums, die neben dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes weitere Maßnahmen anführen, die einen sicheren Rahmen für physiotherapeutische Behandlung bieten.“

56 Prozent haben chronische Schmerzen

Etwa 1,5 Millionen Menschen in Österreich leiden unter anhaltenden Schmerzen. Wie eine Umfrage im Auftrag von Physio Austria zeigt, sind 56 Prozent der Befragten aus Niederösterreich betroffen. Die meisten berichten von chronischen Schmerzen im Bewegungsapparat sowie in Gelenken, Beinen, Füßen, Armen, Knien, im Rücken oder im Nacken- und Schulterbereich. Viele haben außerdem Verspannungen. Manche leiden unter anhaltenden Kopfschmerzen oder Schmerzen, die auf sportlichen Verletzungen gründen.

Den Schmerzen wird in Zeiten der Coronavirus-Pandemie unterschiedlich begegnet. Drei von zehn Befragten aus Niederösterreich gaben an, dass sie Übungen zur Entlastung der betroffenen Körperregionen ausführen oder Sport betreiben. Sehr häufig wird zudem auf Schmerzmittel oder auf Schonung zurückgegriffen, was die Schmerzen zwar im Moment reduziert, langfristig aber nicht hilft. 32 Prozent sagten, sie würden sich im Bedarfsfall an einen Arzt zu wenden, 18 Prozent gaben an, sich abzulenken.

Lediglich zwölf Prozent der Befragten sagten, sie würden sich bei Schmerzen um einen Termin bei einem Physiotherapeuten kümmern, wobei immerhin 20 Prozent regelmäßig Übungen machen, die von einem Physiotherapeuten empfohlen wurden. 63 Prozent der befragten Niederösterreicher nahmen bereits Physiotherapien in Anspruch. 53 Prozent berichteten, dass ihnen diese geholfen hätten.

Männer unterdrücken Schmerzen häufiger

75 Prozent aller Befragten stimmten der Aussage zu, dass Schmerzen ein Alarmsignal des Körpers seien, auf welches man hören und entsprechend reagieren müsse. Die Umfrage zeigte aber auch, dass Äußerungen wie „Immer positiv denken: Der Schmerz wird schon wieder nachlassen“, „Ich spreche nicht über meine Schmerzen. Ich möchte mich darüber nicht bei anderen beklagen“ und „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ auch heute noch hohe Zustimmung in der österreichischen Gesamtbevölkerung finden – vor allem bei Männern.

Männer stimmten diesen Äußerungen häufiger zu als Frauen und gaben an, Schmerzen häufig zu unterdrücken. Deutlich wird das bei der Aussage „Wer etwas erreichen will, muss auch Schmerzen ertragen können“. Dieser stimmten 29 Prozent der Männer zu, bei den Frauen belief sich die Zahl auf 17 Prozent. 53 Prozent der weiblichen Befragten holen sich hingegen laut Umfrage rascher Hilfe bei Schmerzen. Bei den Männern sind es nur 45 Prozent.