Lehrling in der Lehrwerkstatt von Vetropack in Pöchlarn
ORF / Gernot Rohrhofer
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Wirtschaft

Die vergebliche Suche nach Fachkräften

Im Gegensatz zur Gastronomie oder Teilen des Handels konnten Industriebetriebe im neuerlichen Lockdown weiterarbeiten. Trotzdem wird weniger produziert. Einmal mehr bereitet den Unternehmern der Mangel an Fachkräften Kopfzerbrechen.

Die Stimmung unter den 1.169 Industriebetrieben in Niederösterreich schwankt zwischen Sorge und Zuversicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Industriellenvereinigung. Trotz Lockdowns dampft es aus den Schornsteinen, im Durchschnitt wurde im Dezember aber um 20 Prozent weniger produziert als zur selben Zeit 2019. Betroffen sind vor allem Firmen, die auf Aufträge aus der Gastronomie oder anderen Bereichen, die derzeit nicht öffnen dürfen, angewiesen sind.

Generell sei man aber besser aufgestellt als zu Beginn der Krise vor fast einem Jahr, sagt Thomas Salzer, der Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich. 70 Prozent aller Unternehmen testen ihre Mitarbeiter, weshalb es kaum Ansteckungen oder Cluster gebe – „insofern haben wir natürlich dazugelernt.“

„Nicht die Qualifikationen, die wir benötigen“

Außerdem funktioniere das System besser: „Die Transporte funktionieren und wir wissen, was erlaubt ist und was nicht. Das war im ersten Lockdown alles unklar“, sagt Salzer gegenüber dem ORF Niederösterreich. Ein großes Problem bleibt allerdings der Mangel an Fachkräften. „Wir haben die Situation, dass wir zwar deutlich mehr Arbeitslose haben als noch vor einem Jahr, aber das sind nicht die Qualifikationen, die wir in der Industrie benötigen.“

Konkret haben schon vor der Krise acht von zehn Betrieben vergeblich nach Facharbeitern gesucht. Die Defizite beginnen dabei oft schon bei den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen. Das weiß auch Johann Eggerth, Geschäftsführer der Vetropack Austria GmbH: „Man kann zumindest bestätigen, dass der Trend langfristig dahin geht, dass die Grundkompetenzen eher schwächer als stärker werden.“

Lehrlinge in der Lehrwerkstatt von Vetropack in Pöchlarn
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Bei Vetropack steht Lehrlingen eine eigene Lehrwerkstatt zur Verfügung. Jährlich werden zwölf Lehrlinge aufgenommen

Der Glasverpackungshersteller Vetropack beschäftigt in Pöchlarn (Bezirk Melk) und Kremsmünster (Oberösterreich) 35 Lehrlinge und bildet viele Facharbeiter selbst aus. Außerdem entwickelte die Firma vor drei Jahren eine eigene Lehre zum Glasverfahrenstechniker. „Wir haben zum Glück keine Probleme, Lehrlinge zu finden.“

„Deutlich weniger Bewerbungen als sonst“

Allerdings geht auch an Vetropack die Coronaviruskrise nicht spurlos vorüber, so Eggerth: „Zur Stunde ist die Situation untypisch. Bedingt durch die Pandemie laufen einige Routinen offenbar anders als sonst und haben heuer deutlich weniger Bewerbungen für das zukünftige Lehrjahr als sonst.“ Sieben Lehrstellen sind noch frei.

IV-Präsident Salzer befürchtet, dass sich die Situation in den nächsten Monaten noch zuspitzen könnte. Kritisch sieht er vor allem den Fernunterricht in Schulen: „Gerade in der Phase der Entscheidungsfindung – wo möchte ich beruflich hin, wo ist meine Zukunft, wo sind meine Stärken – wäre es wichtig, das im persönlichen Kontakt herauszufinden“, so Salzer. Dazu brauche es Lehrkräfte als Coaches. „Das ist online aber fast nicht möglich.“

Salzer für rasche Impfungen des Lehrpersonals

Salzers Appell richtet sich daher in Richtung Politik: „Wir sollten alles tun, um die Schulen zu schützen, Lehrerinnen und Lehrer so schnell wie möglich zu impfen und flächendeckend zu testen, damit wir keine Cluster haben und die Schule im Schulgebäude stattfinden kann.“

Zwei von drei Jugendlichen, die eine Lehre beginnen, sind übrigens männlich. Bei der Industriellenvereinigung wünscht man sich deshalb, dass sich auch mehr Frauen für Berufe in der Industrie begeistern. „40 Prozent der jungen Damen gehen leider nicht in Industrieberufe oder technische Berufe, sondern entscheiden sich für klassische Berufe wie Verkäuferin oder Friseurin. Sie gehen damit leider in Berufe, die langfristig schlechte Einkommensaussichten haben.“