Richard Nimmerrichter
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Nimmerrichter: „Betrachte mein Leben als gelebt“

Als „Staberl“ hat Richard Nimmerrichter 37 Jahre lang für die Kronen Zeitung geschrieben. Zu Silvester wurde der ehemalige Journalist 100 Jahre alt. Im Interview mit noe.ORF.at meinte er: „Ich betrachte mein Leben als gelebt, es ist mir alles in diesem Leben gelungen.“

Richard Nimmerrichter lebt in seiner Wohnung im 19. Wiener Gemeindebezirk. Hier zog sich Nimmerrichter seit Beginn der Pandemie in eine selbst auferlegte Quarantäne zurück. Aufgrund der weiterhin vorherrschenden Pandemie besuchte ihn noe.ORF.at unter strengen Sicherheitsauflagen. Der Redakteur und der Kameramann wurden eine Stunde davor negativ getestet.

Nimmerrichter begann seine Karriere als Journalist nach dem Zweiten Weltkrieg, unter anderem auch als Sportreporter für den ORF. 1964 holte ihn Hans Dichand zur Kronen Zeitung. 37 Jahre lang schrieb er als „Staberl“ auf seiner mechanischen Schreibmaschine seine Kolumne. Seine teils bissigen Artikel führten dazu, dass er mehr als 100 Mal geklagt wurde.

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Richard Nimmerrichter
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Im Jänner 2021 traf ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess Richard Nimmerrichter in seiner Wohnung in Wien. Seine Kunstsammlung, 120 Biedermeiergemälde, hat er schon zu Lebzeiten den niederösterreichischen Landessammlungen vermacht.
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Nimmerrichter begann seine journalistische Karriere unter anderem auch als Sportreporter für den ORF
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1964 holte ihn Hans Dichand zur „Kronen Zeitung“
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37 Jahre lang kommentierte er als „Staberl“
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Mehr als 100-mal wurde er wegen seiner teils bissigen Kommentare geklagt

noe.ORF.at.: Seit März des Vorjahres, dem Beginn der Pandemie, leben Sie in ihrer Wohnung im 19. Wiener Gemeindebezirk in selbst auferlegter Quarantäne. Wie geht es Ihnen damit?

Richard Nimmerrichter: Ich höre, dass viele Menschen speziell im vorgerückten Alter unter der Einsamkeit leiden. Da bin ich ein totaler Gegenpol, ich schätze die Einsamkeit.

noe.ORF.at: 37 Jahre lang haben Sie Ihre Kommentare auf der mechanischen Schreibmaschine verfasst. Sind Sie ein Technikverweigerer?

Nimmerrichter: Ich habe keinen Computer, ich habe kein Handy. Wenn ich heute noch im Berufsleben stehen würde, müsste ich dieses elektronische Klumpert noch immer haben, aber jetzt ist ja das nicht nötig.

noe.ORF.at: 1964 hat Sie Herausgeber Hans Dichand zur Kronen Zeitung geholt. War die Idee, unter dem Namen „Staberl“ zu schreiben, seine Idee?

Nimmerrichter: Nein, das war meine Idee. Das ist eine Bühnenfigur von Johann Nestroy, ein Regenschirmmacher. Nestroy war ein Künstler, den ich für einen der bedeutendsten halte – so wie ich auch die Kunst des 19. Jahrhunderts schätze. (Anm.: Nimmerrichter besitzt eine umfangreiche Gemäldesammlung von Biedermeierkünstlern, wie Jakob von Alt und Friedrich Gauermann).

Dichand hat mich damals geholt, weil er eine tägliche Kolumne brauchte. Das Fernsehen ist damals aufgekommen. Dichand war der Meinung, mit der aktuellen Berichterstattung kommen wir von der Zeitung nicht mit. Das Publikum hat am Vorabend schon im Fernsehen gesehen, was die Zeitung am nächsten Tag bringt. Das war die große Leistung des Hans Dichand – weg von der Aktualität, hin zum Kommentar und so bin ich dann der „Staberl“ geworden.

noe.ORF.at: Man hat viele Artikel von Ihnen als rassistisch und antisemitisch bezeichnet.

Nimmerrichter: Man hat mich als Nazi bezeichnet, obwohl der Hass auf das Hitlerregime bis zum heutigen Tag die größte Emotion war, die ich je gespürt habe.

noe.ORF.at: Insgesamt vier Mal waren Sie verheiratet.

Nimmerrichter: Da bin ich offenbar unbegabt. Es hat immer eine, sagen wir, urbane Lösung gegeben. Und das wichtigste: Ich bin kinderlos geblieben.

noe.ORF.at: Wie denken Sie mit 100 Jahren über das Leben?

Nimmerrichter: Ich betrachte mein Leben als gelebt, es ist mir alles in diesem Leben gelungen. Es gibt den ewigen Wunsch vieler Menschen, wenn ich noch einmal leben könnte, ich würde das alles viel besser machen. Ich möchte nicht noch einmal leben. Nach der Wahrscheinlichkeit hätte ich keine Chance, es wieder so gut zu treffen, wie ich es in der Realität getroffen habe. Ich war in russischer Kriegsgefangenschaft. Wenn mich damals jemand gefragt hätte, ob ich 100 Jahre alt werde, dann hätte ich ihn als Idioten bezeichnet.