Inka Pieh
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„Ganz Persönlich“

„In den USA spürt man die Erleichterung“

Die Niederösterreicherin Inka Pieh hat als neue ORF-Korrespondentin in den vergangenen Wochen über die turbulenten Ereignisse in den USA berichtet. Mit Eva Steinkellner-Klein sprach die 33-Jährige über Heimweh, gigantische Autos und ihre Hotline-Erfahrungen.

noe.ORF.at: Inka, du hattest nicht viel Eingewöhnungszeit. Zuletzt haben sich die Ereignisse mit dem Sturm auf das Kapitol und der Amtsführung Joe Bidens regelrecht überschlagen. Wie waren die letzten Wochen für dich?

Inka Pieh: Sehr intensiv. Der Umzug in einer Pandemie war schon stellenweise sehr herausfordernd, dann dieser völlig unerwartete Sturm auf das Kapitol, davor diese Großdemonstration, dann auch die Sicherheitsvorkehrungen, die teilweise ein beklemmendes Gefühl vermittelt haben. Die Stadt war eine Hochsicherheitszone, das ist sie zum Teil auch noch jetzt. Aber es hat sich jetzt etwas entspannt, weil die Inauguration verhältnismäßig friedlich über die Bühne gegangen ist.

noe.ORF.at: Spürt man in den USA schon einen Unterschied, jetzt wo Joe Biden Präsident ist? Merkt man das im Alltag?

Pieh: Das war schon ein großes kollektives Auf- und Ausatmen. Vor allem auch, weil es bei der Inauguration zu keinen gröberen Auseinandersetzungen gekommen ist. Man muss sich vorstellen, in einer Stadt zu leben, in der zehntausende Sicherheitskräfte sind. Das macht etwas mit dir. Man spürt eine Erleichterung, dass man sich auf diesen Präsidenten bis zu einem gewissen Grad verlassen kann. Joe Biden ist eher bekannt dafür, dass er ein konsequenter, klarer Politiker ist, der eine gewisse Linie verfolgt. Diese Linie mag man gutheißen oder auch nicht, aber man weiß, man bekommt das von ihm, was er sagt.

Inka Pieh
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Inka Pieh berichtete als neue ORF-Korrespondentin über die turbulenten Ereignisse in den USA

noe.ORF.at: Die USA sind ein tief gespaltenes Land. Hat man da auch Angst, was noch kommen könnte?

Pieh: Das ist nach wie vor ein großes Thema in den USA. Vor allem Extremistenforscher befürchten, dass das möglicherweise erst der Anfang war, weil sich derzeit im Netz gewaltbereite Gruppen formieren. Für sie war der Sturm auf das Kapitol erst der erste Schritt. Die Aktion ist mehr auf einen Marathon-Feldzug ausgelegt als auf einen Sprint. Und sie fühlen sich bestätigt, weil es nur etwas mehr als 100 Festnahmen gegeben hat. Das heißt, bisher sind viele davongekommen und das wird als Erfolg verbucht. Terrorismusexperten fragen sich also durchaus, was da noch auf uns zukommen könnte.

noe.ORF.at: Du warst jahrelang Radiomoderatorin und auch Chefin vom Dienst beim ORF. War es immer Dein Wunsch, ins Ausland zu gehen?

Pieh: Ja, ich habe das bereits in meiner Bewerbung festgehalten. Ich finde es wahnsinnig spannend, ins Ausland zu gehen. Das habe ich auch schon oft gemacht. Andere Kulturen kennenzulernen erweitert den Horizont und man kann so viel lernen, wenn man sich den Herausforderungen stellt, die so ein Umzug in die Ferne mit sich bringt. Dieses Land ist so vielfältig, da sind so wahnsinnig viele Menschen aus so vielen Regionen der Welt. Jeder bringt seine eigene Geschichte mit und am Ende schreibt sich eine neue Geschichte. Das finde ich total cool.

noe.ORF.at: Wie erlebst Du die Coronavirus-Pandemie in den USA?

Pieh: Es gibt einen besonders eklatanten Unterschied. Hier im öffentlichen Raum in Washington wird überall Maske getragen. Das war in Österreich nicht so, als ich das Land verlassen habe. Oft gehe ich aus dem Haus und denke mir: Ah, Maske mitnehmen! Andererseits haben hier die Geschäfte und die Restaurants offen. Man kann zwar nur draußen sitzen, aber das ist schon anders. Das macht es manchmal leichter.

noe.ORF.at: Und Dein Alltag? Was hat sich im Vergleich zu Österreich besonders verändert?

Pieh: Der Umzug war schon eine große Umstellung für mich. In Diendorf (Piehs Heimatort, Bezirk Tulln, Anm.) leben ja nur knapp 50 Einwohner, jetzt lebe ich in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Es ist alles gigantisch groß. Das erste, was mir sofort aufgefallen ist, waren beim Einkaufen die großen Saftpackungen. Hier kauft man Saft in Fünf- bis Zehnliterpackungen. Dazu kommt die Größe der Autos. Die sind verhältnismäßig gigantisch für mich, ich bin aber auch nur 1,60 Meter groß (lacht). Aber ganz unabhängig davon ist dieses Land mit 330 Millionen Einwohnern ganz anders ausgelegt als Österreich mit seinen neun Millionen.

noe.ORF.at: Dein Ehemann ist mit Dir nach Washington gekommen, aber er fliegt in den nächsten Wochen wieder nach Österreich. Hast du Heimweh?

Pieh: Immer wieder, ja. Mir fehlt einiges, abgesehen von den kulinarischen Köstlichkeiten – wie dem Schnitzel und dem Kaiserschmarren – fehlen mir meine Familie, mein Hund und meine Freunde. Das ist natürlich nicht ganz so leicht. Ich blicke mit etwas Sorge auf die Zeit, wenn dann mein Mann nicht mehr da ist. Normalerweise kommt man in ein neues Land und kann schnell neue Leute kennenlernen. Das ist aber in Pandemiezeiten extrem schwierig und natürlich macht man sich dann Gedanken über Einsamkeit.

noe.ORF.at: Du liebst das Abenteuer. Du bist beispielsweise auf den Kilimanjaro geklettert oder hast vor ein paar Jahren Österreich laufend durchquert. Ist Washington Dein bisher größtes Abenteuer?

Pieh: Es ist eine ganz andere Herausforderung. Aber ich kann vieles, was ich bei meinen sportlichen Abenteuern gelernt habe, hier anwenden: Eine gewisse Resilienz, eine Widerstandsfähigkeit Stress gegenüber, ein gewisses Durchhaltevermögen, nicht so schnell aufgeben. Das brauche ich, wenn ich in den vielen Hotlines hänge, um mein Gas oder mein Wasser anzumelden. Ich habe schon sehr, sehr viele Stunden in irgendwelchen Hotlines verbracht, da war das Marathonlaufen sicher eine gute Übung.