Zwei Kinder beim Lernen
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Bildung

„Kein verlorenes Jahr für Schulkinder“

Die meisten Schüler werden heuer das Semester im Homeschooling abschließen. Eine Wiederholung des ganzen Schuljahres sei aber nicht vorstellbar, heißt es bei einem Lokalaugenschein. Auch Psychologin Andrea Richter sieht „kein verlorenes Jahr“.

In den Klassen und Gängen der Volksschule in Pottenbrunn herrscht ungewöhnliche Stille. In zwei Klassenräumen sind einige wenige Schülerinnen und Schüler untergebracht, deren Eltern das Betreuungsangebot der Schule nutzen. Alle anderen lernen von Zuhause aus. In der Aula, gleich beim Eingang, liegen Stapel mit Arbeitsaufträgen, die die Eltern jeweils montags für ihre Kinder abholen. Schulleiter Michael Lahnsteiner ist zufrieden mit dem Distance Learning an seiner Schule. „Ich muss wirklich meinen Hut vor den Eltern ziehen. Sie leisten wirklich großartige Arbeit und unterstützen uns sehr. Und das, obwohl sie selbst oft Zuhause im Homeoffice sitzen“, sagt er.

Man sei eigentlich die ganze Woche in Kontakt mit Eltern und Kindern, entweder per Telefon oder Mail. Die Kommunikation habe sich eingespielt und trotzdem sei es wichtig, die Kinder wieder in die Klassen zu holen. „Ich glaube, den Kindern geht es da nicht anders als uns. Auch wir vermissen persönliche Kontakte. Ich habe selbst vier Kinder, zwei im schulpflichtigen Alter, und sie möchten wieder ungestört spielen dürfen und Freunde treffen.“

Arbeitsaufträge für Volksschulkinder
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Die Arbeitsaufträge für die Schulkinder werden jede Woche von den Eltern in der Schule abgeholt

Lahnsteiner: „Die Kinder schaffen das“

Dem Vorschlag der Wiener Pädagogin und ehemaligen Ombudsfrau im Bildungsministerium Susanne Wiesinger, man solle dieses Schuljahr zur Gänze wiederholen, kann Lahnsteiner gar nichts abgewinnen: „Das kann aus meiner Sicht nicht funktionieren. Was ist mit den Kindergartenkindern, die im kommenden Schuljahr dann zu uns in die Schule kommen sollen? Man hätte dann fünf Volksschulklassen, das lässt sich nicht machen.“

Zudem würde ein gesamter Jahrgang an Präsenz- und Zivildienern fehlen, die man gerade in Zeiten wie diesen dringend brauchen würde. Er selbst erkenne an seiner Schule keine Defizite beim Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler. „Die Kinder schaffen das“, sagt Lahnsteiner. Wichtig seien für ihn Förderstunden, die man, wenn nötig, anbieten werde.

Schulpsychologin Andrea Richter
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Schulpsychologin Andrea Richter betont, wie wichtig es sei, dass vor allem die Eltern positiv bleiben

Richter: „Wichtig, dass Eltern keine Panik verbreiten“

Ähnlich sieht das die Schulpsychologin Andrea Richter. Eine Wiederholung des Schuljahres für alle Schülerinnen und Schüler sei nicht sinnvoll und administrativ nicht umsetzbar. „Es ist kein verlorenes Jahr, denn die Kinder haben dieses Jahr gelebt. Sie haben sehr viel gelernt, auch wenn es nicht ganz genau der Lehrstoff ist, den sie sonst gelernt hätten. Man kann auch sehr viel nachholen“, sagt Richter.

Zudem entkräftet sie die Sorge, dass vor allem Volksschulkinder psychisch extrem unter der derzeitigen Situation leiden. „Die Kinder sind sehr anpassungsfähig, das unterschätzen wir Erwachsenen sehr oft. Wichtig ist, dass die Eltern positiv bleiben und keine Panik verbreiten“, so die Schulpsychologin.

Reguläre Schuleinschreibungen

Das gelte auch für jene Kinder, die im Herbst in die Volksschule starten. Die Schuleinschreibungen finden auch heuer ganz regulär statt. An der Volksschule Pottenbrunn werden etwa bis Ende Februar mit jedem zukünftigen Schüler und jeder zukünftigen Schülerin individuell Schulreifetests durchgeführt.

Ob es einen Schnuppertag für die Kinder geben wird, ist noch nicht klar. Essentiell sei jedenfalls, die Taferlklassler auf den Schulbesuch vorzubereiten, so Schulpsychologin Andrea Richter: „Das Warten bis ich an der Reihe bin, das Stillsitzen und das aufmerksam Zuhören – das sind alles Dinge, die die Eltern schon im Vorfeld gut mit den Kindern üben können.“