Frau steht vor einem Fenster
Getty Images/EyeEm/John Encarnado
Getty Images/EyeEm/John Encarnado
Gesundheit

Krise: Weiterer Anstieg bei Depressionen

Die psychische Gesundheit der Menschen verschlechtert sich weiter. Das zeigt eine Studie der Donau-Uni Krems, die seit Beginn der Krise durchgeführt wird. Der dritte Lockdown ließ die Zahl der Depressionen weiter steigen, vor allem bei jungen Menschen.

Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr stieg die psychische Belastung und damit die Zahl der depressiven Symptome, Ängste und Schlafprobleme sprunghaft an. Um den Jahreswechsel wurden im Rahmen der Studie des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit erneut Daten erhoben. Mittlerweile geben 26 Prozent der Bevölkerung an, an depressiven Symptomen zu leiden, 23 Prozent an Angstsymptomen und 18 Prozent an Schlafstörungen. Die Zahlen seien „besorgniserregend“ und „alarmierend“, sagt Studienautor Christoph Pieh im Gespräch mit noe.ORF.at.

Grafik psychische Belastung in der Covid Krise
ORF
Die psychische Belastung stieg zu Beginn der Pandemie sprunghaft an, blieb danach konstant hoch und stieg im dritten Lockdown erneut stark

Junge spüren wirtschaftliche Auswirkungen stärker

Neben Frauen, Arbeitslosen und Alleinstehenden zeigen sich im dritten Lockdown besonders junge Menschen psychisch belastet. Hier kam es zu einem sprunghaften Anstieg von rund 30 auf 50 Prozent. Das heißt, jeder zweite Befragte zwischen 18 und 24 Jahren gab an, unter depressiven Symptomen zu leiden – deutlich mehr, als in den anderen Altersgruppen.

Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass sich gerade die wirtschaftliche Krise stark auf die Psyche auswirkt, so die Studienautoren, Stichwort Jugendarbeitslosigkeit. „Hier haben wir eine Gruppe, die besonders unter den wirtschaftlichen Konsequenzen leidet“, erklärt Christoph Pieh, „und der zweite Punkt ist, dass diese Bevölkerungsgruppe einfach stärker unter den Ausgangsbeschränkungen leidet.“

Grafik psychische Belastung in der Covid Krise nach Alter
ORF
Jeder bzw. jede zweite Befragte zwischen 18 und 24 Jahren gab an, unter depressiven Symptomen zu leiden – deutlich mehr, als in den anderen Altersgruppen

Dauerbelastung auch bei Kindern und Jugendlichen

Die Studie der Donau-Universität Krems umfasst die Bevölkerung ab 18 Jahren, 1.500 Menschen wurden repräsentativ befragt. Aber auch in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hinterbrühl (Bezirk Mödling) beobachtet man derzeit einen massiven Anstieg der psychischen Erkrankungen. „Wir haben viel mehr Kriseninterventionen, wo junge Menschen oder Kinder mit den Familien herkommen und hochbelastet wirken“, schildert Judith Noske, Leiterin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landesklinikums Mödling mit Standort in Hinterbrühl, „sie drücken das etwa über Selbstverletzungen aus, viele wollen nicht mehr leben oder reagieren mit aggressiven Durchbrüchen, die nicht mehr innerhalb der Familie gehalten werden können.“

Depression: Frau mit Maske
pixabay/Engin Akyurt

Anlaufstellen in der Krise

Hier finden Sie Tipps, wie man mit den Herausforderungen in der Pandemie psychologisch besser umgehen kann und eine Übersicht über verschiedene Hilfsangebote

Angststörungen, Suchterkrankungen und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen seien zuletzt häufiger geworden, sagt Noske gegenüber noe.ORF.at. Dabei seien die meisten noch sehr gut durch den ersten Lockdown im Frühjahr gekommen, „wo für viele der Schuldruck weggefallen ist, für viele auch der soziale Druck, wo sie mit Neugier die Versuche, dass wir sie über Hometreatment und digitale Medien zuhause erreichen, ganz neugierig aufgenommen haben, also da war sowas Neues.“

Längerfristig halte diese Phase aber nicht an, jetzt fehlen Beziehungen und der regelmäßige Schulbesuch, dazu kommen „die Enge in der Familie“, wo Kinder und Jugendliche die Probleme der Erwachsenen auch mehr mitbekommen. Die Jugendlichen belaste zudem die Angst, jemanden anzustecken. Aggressive Ausbrüche können ebenso ein Anzeichen für eine psychische Erkrankung sein, wie ein totaler Rückzug des Kindes. Dann sei es an der Zeit, professionelle Hilfe zu suchen, rät Noske.

Über 65-Jährige am wenigsten psychisch belastet

Laut Studienautor Christoph Pieh helfen Sport und Bewegung, ein stärkendes soziales Umfeld und Hobbys, um psychische Belastungen auszugleichen. Wenn depressive Symptome über mehrere Wochen oder Monate anhalten, sei professionelle Hilfe ratsam.

Am besten durch die Krise gekommen sei bisher übrigens die Gruppe der über 65-Jährigen, auch wenn auch bei ihnen die psychische Belastung steigt. „Vielleicht ist das eine gewisse Lebenserfahrung“, meint Pieh, „dass man einfach weiß: Jede Krise hat einen Beginn und ein Ende, und so wird es ja auch mit Corona hoffentlich sein.“

Psychosoziale Folgen auch nach Ende der Pandemie

Dann sei es wichtig, auch die psychischen Folgen der Pandemie aufzuarbeiten, denn Pieh rechnet damit, dass diese auch nach dem Ende der Pandemie noch nachwirken werden. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigte am Mittwoch bereits die Einrichtung eines Beraterstabs an, der sich mit den psychosozialen Folgen der Pandemie beschäftigen wird.