Glasfaserkabel
ORF/Pöchhacker
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Chronik

Mit Glasfaser-Ausbau gegen Abwanderung

Meist werden Glasfasernetze durch private Firmen oder über die Landesgesellschaft NÖGIG gebaut. Es gibt aber auch Gemeinden, die dieses Projekt selbst übernehmen – und sich durch das schnellere Internet einen Abwanderungsstopp erhoffen.

Ein halbes Mbit pro Sekunde – das war der Negativrekord der Internetverbindung in manchen Ecken Ardaggers (Bezirk Amstetten). Mit dem Breitbandinternet über Glasfaser ist man dort nun mit 100 bis 250 Mbit/s um ein Vielfaches schneller. 60 Prozent des Gemeindegebiets haben einen Glasfaseranschluss, bis 2024 sollen es alle Haushalte sein, sagt Bürgermeister Johannes Pressl (ÖVP).

Mbit/s

Gibt u.a. die Geschwindigkeit einer Internetverbindung an. Der Wert besagt, wie viele Daten pro Sekunde übertragen werden (Megabit pro Sekunde).

Zum Vergleich: Etwa 78 Prozent aller Haushalte in Niederösterreich kommen nach Angaben des zuständigen Ministeriums für Landwirtschaft und Tourismus auf eine Festnetz-Versorgung von 30 Mbit/s oder weniger, 53 Prozent auf 100 Mbit/s und 13 Prozent auf 1 Gigabit pro Sekunde. Die häufigste Verbindung von 30 Mbit/s ist mit den steigenden Datenmengen in Zukunft wohl überlastet, vor allem wenn es mehrere gleichzeitige Nutzer gibt.

Vor acht Jahren hätten sich nach und nach Bürgerinnen und Bürger bei Johannes Pressl gemeldet und über ihre schlechte Internetverbindung – großteils über die Kupferkabel des Telefonnetzes – geklagt. „Wir haben dann begonnen, uns mit der Technologie und eben mit Glasfaser zu beschäftigen und haben damals bei jedem größeren Leitungsvorhaben immer ein Leerrohr dazugelegt – auf gut Glück eigentlich. Daraus ist irgendwann eine größere Überlegung, eine Gesamtvision für die Gemeinde gewachsen“, so Pressl gegenüber noe.ORF.at.

Glasfaserbau von Ortsgegebenheiten abhängig

Ardagger ist einer von wenigen Orten in Niederösterreich, die sich ihr Glasfasernetz selbst bauen. Unter anderem ist das etwa noch in Laab im Walde (Bezirk Mödling), in Obritzberg-Rust (Bezirk St. Pölten) oder in Randegg (Bezirk Scheibbs) der Fall. In Randegg führten, so wie auch in Ardagger, Beschwerden der Einwohnerinnen und Einwohner zu einer Beschäftigung mit der Internetverbindung im Ort. Private Telekommunikationsfirmen hätten aber nicht flächendeckend bauen wollen, so Gemeinderat und Projektleiter Matthias Repper (ÖVP).

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Randegg Ort
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In Randegg soll sich das gemeindeeigene Glasfasernetz in etwa 30 Jahren refinanziert haben. Beim Anschluss zahlen die Bewohnerinnen und Bewohner 200 Euro, das günstigste Internetprodukt kostet dann monatlich etwa 35 Euro
Gemeinderat Matthias Repper, Randegg
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Im Sommer 2021 sollen alle Häuser eine Möglichkeit zum Anschluss ans Glasfasernetz haben, so Gemeinderat Matthias Repper
Glasfaserkabel
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In der Zentrale laufen die Glasfaserleitungen zusammen. Für jedes Haus gibt es ein eigenes Kabel
Andreas Picher, Unternehmer, Randegg
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Für Unternehmer Andreas Picher ist schnelles Internet eine Grundbedingung seiner Firma: Er verlegte seine Speditionsfirma für Notfall- und Expresslogistik nach Randegg

Den 1.900-Einwohner-Ort beschreibt er als „zerstreut“: „50 Prozent der Bevölkerung leben in Siedlungen – die sind leicht auszubauen. Aber die andere Hälfte ist in einzelnen Häusern quer über das Gemeindegebiet. Da sind zwischen den Häusern oft 400 Meter Distanz. Das ist schlichtweg für ein gewinnorientiertes Telekommunikationsunternehmen nicht rentabel. Da haben wir als öffentliche Hand mehr Möglichkeiten“, so Repper gegenüber noe.ORF.at.

Schnelles Internet als neue Chance für ländliche Regionen

Die schnelle Internetverbindung sehe die Gemeinde als Versicherung gegen die Abwanderung: „Wir hoffen, dass damit umzudrehen. Also das Einheimische, gebürtige Randegger auch wieder aus den Städten zurückkommen, weil Homeoffice von hier genauso schnell, wenn nicht schneller, möglich ist.“ Bei der Familie Picher war das der Fall. Andreas Picher führt eine Speditionsfirma für Flugzeuglogistik. Da die Arbeit großteils digital abläuft, zogen er und seine Frau aus dem Speckgürtel Wiens zurück in das Elternhaus in Randegg.

Glasfaser

Informationen werden mit Lichtsignalen übermittelt. So ist die Übertragung von großen Datenmengen in kurzer Zeit und über weite Strecken möglich. Glasfaser ist auch weniger störanfällg als etwa Kupferkabel.

Früher arbeitete er dort mit einer Verbindung von 15 Mbit/s und das habe zu Problemen geführt: „Da mussten nur die Nachbarn streamen und der Stau war sozusagen perfekt. Und wenn dann teilweise die Daten zu spät angekommen oder nicht rausgegangen sind, war das für uns eine Katastrophe. Dadurch haben wir auch Geschäft verloren“, schildert Andreas Picher. Mit dem Glasfaseranschluss könne er nun auf dem Land genausogut arbeiten wie in der Stadt. „Für uns ist das überhaupt kein Unterschied mehr.“

Pandemie zeigt Notwendigkeit für schnelle Verbindung

Wie bei Andreas Picher wurde Homeoffice und Distance Learning durch die Pandemie für viele zum neuen Alltag. Deswegen beschleunigte die Gemeinde Randegg den Glasfaserbau, einige Schülerinnen und Schüler hätten mit Geschwindigkeiten von 1 Mbit/s nicht am digitalen Unterricht teilnehmen können. „Da haben wir beim Tiefbau einiges vorgeschoben und länger gearbeitet, damit diese Häuser auch versorgt sind“, so Repper.

Der Eigenausbau kostet die Gemeinde etwa 2,5 bis 2,7 Millionen Euro, die Hälfte wird durch Bundesförderungen, durch die Breitbandmilliarde, gedeckt. Auch das Land forciert über die eigens geschaffene Infrastrukturgesellschaft NÖGIG den Glasfaserausbau. Diese Möglichkeit stand in Randegg zur Debatte, da die Pilotregion „Ybbstal-Eisenstraße“ an den Ort grenzt. Damals sei das Projekt aber zu weit fortgeschritten gewesen, um noch eingebunden zu werden, so Gemeinderat Matthias Repper. Man habe dann die Aussicht bekommen, 2020 oder 2021 das Netz mit der NÖGIG zu bauen, das sei der Gemeinde dann zu spät gewesen.

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Glasfaser-Verteilkasten Ardagger
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Die neuen Verteilkästen für das Glasfasernetz (rechts) lösen in Ardagger nach und nach jene für das fürs Internet bislang genutzte Telefonnetz ab
Johannes Pressl mit FFP2-Maske
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In Ardagger kostet der Glasfaserbau 4,5 Millionen Euro. Die Hälfte ist durch Bundesförderungen gedeckt, die andere Hälfte soll laut Bürgermeister Pressl in 30 Jahren refinanziert sein. Für einen Anschluss zahlen Bewohner eine einmalige Gebühr von 600 Euro, die Gemeinde erhält dann vom Internetprovider einen Teil der monatlichen Kosten
Kabel auf einer Trommel
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Das Glasfasersystem in Ardagger und Randegg hat drei Ebenen: Die Gemeinde baut das Netz, der Betreiber bringt einen Lichtimpuls ins Netz, der Provider bietet dann die Produkte über das Netz an. Kunden haben im Regelfall nur mit dem Provider Kontakt, die monatlichen Kosten werden unter den drei Ebenen aufgeteilt

Auf mehr Tempo beim Glasfaserbau drängt auch Ardaggers Bürgermeister Johannes Pressl. „Mit der NÖGIG ist durchaus ein Schwergewicht da, das den Ausbau stemmt. Da ist man gut drauf, aber schneller kann es immer gehen. So Beispiele, wie es Randegg gemacht hat, oder wie es wir machen, die sollte man sich auch anschauen und auf Eigenengagement setzen. Dafür braucht es aber auch Voraussetzungen.“ So gebe es aktuell etwa keine Förderungen für den Breitbandausbau.

NÖGIG: Ausbau durch Pandemie verzögert

Laut der NÖGIG habe sich der Ausbau wegen der Pandemie verzögert. Die Bauausschreibungen seien direkt in den ersten Lockdown gefallen, Infoveranstaltungen konnten nicht stattfinden. Diese brauche es unbedingt, denn damit die NÖGIG den Ausbau in einem Ort betreut braucht es eine Zustimmung von 40 Prozent der Bevölkerung. Man betreibe die Kommunikation nun verstärkt digital, heißt es auf Anfrage.

Für Johannes Pressl ist Breitband-Internet, etwa über Glasfaser, notwendig, damit ein Ort attraktiv bleibt. Auch die kommunale Verwaltung werde immer stärker digital ablaufen. „Wir haben bereits Reserveleitungen verlegt, um etwa alle Gemeindeanlagen zu vernetzen. Viele Anwendungen sind heute noch gar nicht abschätzbar, Glasfaser wird es auch brauchen für eine Smart City oder ein Smart Village. Und diese Datenmengen brauchen auch Sicherheit und Glasfaser ist eben sicher.“