Stefan Ruzowitzky
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Kultur

Ruzowitzky: „Filme werden gebraucht“

Die Pandemie hat auch die heimischen Künstler besonders hart getroffen. Starregisseur Stefan Ruzowitzky befindet sich aber als Filmemacher in einer privilegierten Situation, wie er im Gespräch mit noe.ORF.at sagt. Denn „Filme und Serien werden mehr gebraucht als sonst.“

noe.ORF.at: Herr Ruzowitzky, wie sind Sie in Ihrer kreativen Arbeit durch das vergangene Jahr gekommen?

Stefan Ruzowitzky: Ich schreibe viel. Ich habe im Sommer, wo die Regeln lockerer waren, kleinere Projekte gedreht. Jetzt war ich vor Kurzem in Luxemburg zur Postproduktion für meinen neuen Film. Verreisen ist sehr unlustig. Wenn ich zuhause bin und schreibe, merke ich wenig vom Lockdown, aber wenn ich unterwegs bin, dann ist das anders. In Luxemburg wurde im Hotel das Frühstück vor die Zimmertüre gestellt, die Restaurants haben geschlossen, man isst auf der Straße, das ist schon sehr mühsam.

noe.ORF.at: Haben Sie viel zu tun gehabt im Jahr der Pandemie?

Ruzowitzky: Das ist das Privileg der Filmbranche, das schaut von außen nicht so aus. Das ist alles sehr gut strukturiert und organisiert. Logistik können wir, sonst könnten wir so etwas wie einen Film, bei dem sehr, sehr viele Menschen beschäftigt sind, gar nicht machen. Deshalb war es da auch relativ einfach, Coronavirus-Schutzmaßnahmen zu implementieren. Man weiß genau, was wer wo wann macht. Es gibt Pläne, die weit im Vorhinein gestaltet werden, deshalb hat das in unserer Branche sehr gut funktioniert. Man weiß, was auf dem Spiel steht. Der Schauspieler Jan Josef Liefers hat erzählt, er ist schon 200 Mal getestet worden.

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Hannes Steindl im Gespräch mit Stefan Ruzowitzky

noe.ORF.at: Ihr neuer Spielfilm „Hinterland“ spielt in der Vergangenheit?

Ruzowitzky: Ja. Es ist ein historischer Stoff, die digitale Version sozusagen des Films "Das Kabinett des Dr. Caligari“ – ein Film, der Anfang der 1920er Jahre sehr populär war. Die Handlung spielt nach dem Ersten Weltkrieg, es ist die Zeit des Expressionismus, in der die Menschen das Gefühl haben, auf der ganzen Welt ist nichts mehr gerade, stabil und vertrauenswürdig. Das bauen wir sozusagen digital nach: Die Wände, Säulen und Treppenhäuser sind alle aus dem Winkel. Wir haben den ganzen Film schon Ende 2019 in der Bluebox gedreht. Nun arbeiten wir an dem Verfahren, wie wir die Hintergründe gestalten und einbauen. Damit habe ich eigentlich das vergangene Jahr verbracht.

noe.ORF.at: Gibt es einen weiteren Zeitplan?

Ruzowitzky: Wann der Film ins Kino kommt, ist die größere Problematik, weil kein Mensch weiß, wie es mit dem Kino weitergeht, wann die Kinos wieder eröffnet werden, wann es wieder Festivals geben wird und ob es am Ende der Pandemie vielleicht nur noch Streaming-Dienste gibt. Die Situation der Kinos ist das größte Problem. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass man Content, also Filme und Serien, noch mehr braucht als sonst. Die Leute sitzen zu Hause und wollen was sehen. Da besteht kein Mangel an Arbeit. Da muss man sich um Leute wie mich keine Sorgen machen.

Die Kinos hat es natürlich sehr stark erwischt: Nicht nur, dass sie so lange zusperren mussten. Die Werbekampagnen vor dem Kinostart, die Festivals und die Mundpropaganda für einen Film sind die beste Werbung für Streamingdienste, die beste Werbung, um vom Kino zu den Streamingdiensten umzuleiten. Das trifft uns Filmemacher von einer anderen Seite dann auch schon wieder.

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Ruzowitzky hatte trotz Pandemie 2020 einige Projekte

noe.ORF.at: Die momentane Realität – also Abstandhalten, Masken und Ausgangssperren – ist auch bei Fernsehfilmen aus dem Jahr 2020 noch nicht abgebildet. Dauert das noch oder wird das ausgeblendet bleiben?

Ruzowitzky: Ja, das ist interessant. Ein Problem ist natürlich, dass es für die Schauspielkunst natürlich etwas schwierig ist, wenn alle mit Masken herumlaufen. Ich glaub aber auch, dass das ein bisschen dauern wird, bis man das aufarbeitet. Bei Traumata, und das war auch bei Kriegen und anderen Katastrophen so, hat es immer ein bisschen Distanz gebraucht.

Einerseits brauchen die Kreativen eine gewisse Zeit, um selber damit zu Rande zu kommen. Andererseits ist es auch eine Frage der Produktionszeit: Wenn ich jetzt eine Geschichte über Corona schreiben würde, dann ist die erst in zwei Jahren im Kino. Es dauert eben, bis das finanziert, vorbereitet und gedreht ist. Dann erst folgen die Postproduktion und die PR-Kampagne, das dauert eben alles. Aber ich vermute schon, dass die Pandemie in irgendeiner Form – sei es Komödie bis Horrorfilm oder Tatort – also in Filmen und Fernsehserien einen Niederschlag finden wird.

noe.ORF.at: Würde Sie es reizen, über diese besondere Zeit des Lockdowns zu arbeiten?

Ruzowitzky: Ja, natürlich, weil das schon viel macht mit einem selber, mit Menschen im Freundeskreis, mit der Politik und mit der Gesellschaft. Ich finde es zurzeit, ich gestehe, sehr interessant, Facebook zu lesen, wie Leute reagieren, wo man merkt, wie manche Menschen abzugleiten beginnen ins Verschwörungstheoretische, das inspiriert schon. In Ausnahmesituationen, in Extremsituationen, wie in diesen Zeiten, kommen natürlich einige Wahrheiten zutage. Ich habe beispielsweise zuletzt einige Postings von Bekannten gelesen, die ich lieber nicht gelesen hätte, weil ich eine höhere Meinung hatte von dem Menschen in meiner Umgebung.