Maria Loley 18 Oktober 1995
APA/Harald Schneider/HPK
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Chronik

Vor fünf Jahren starb Briefbombenopfer Loley

Am Donnerstag jährt sich der Todestag von Maria Loley zum fünften Mal. Die Sozialarbeiterin und Flüchtlingshelferin war am 16. Oktober 1995 im Postamt ihrer Heimatstadt Poysdorf (Bezirk Mistelbach) Opfer eines Briefbombenattentats geworden.

Maria Loley, 1924 als ältestes von fünf Kindern eines Kleinlandwirtes in Poysdorf geboren, half bereits als 21-Jährige im Jahr 1945 in ihrer Heimatstadt bei der Betreuung von südmährischen Flüchtlingen, die den Brünner Todesmarsch überlebt hatten. Sie ließ sich zur Fürsorgerin ausbilden, arbeitete in der Steiermark und in Salzburg, bevor sie ab 1959 im Weinviertel tätig wurde. Sie war bis 1979 u.a. Fürsorgerin im Jugendamt von Mistelbach, baute den psychosozialen Dienst im Weinviertel auf und gründete die Familienberatung und die Sozialstation in Poysdorf.

Loley baute Hilfsnetz für Kriegsflüchtlinge auf

1981 startete sie privat organisierte Hilfsprojekte für Polen. 1992 baute sie anlässlich des Kriegsausbruchs im ehemaligen Jugoslawien ein Hilfsnetz für Kriegsflüchtlinge auf. 1994 erhielten Maria Loley und die Flüchtlingshilfe Poysdorf den erstmals vergebenen und mit 100.000 Schilling dotierten Preis des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR).

Maria Loley beim Fackelzug in Poysdorf am 4 November 1995
APA/Kelly Schoebitz/hds
Am 3. November 1995 fand in Poysdorf ein Fackelzug für Toleranz und Dialog statt, Anlass war die Briefbombenserie, bei der die Poysdorfer Flüchtlingshelferin Maria Loley (M.) schwer verletzt wurde

Die Jury habe unter anderem deshalb unter 43 Bewerbungen Poysdorf den Zuschlag gegeben, weil die Bevölkerung stark in die Integrationsarbeit eingebunden sei, hieß es damals. Die Flüchtlingshilfe Poysdorf, ein Team von 50 ehrenamtlichen Helfern, „schaffte es, in der Weinviertler Gemeinde mit 5.500 Einwohnern 145 Flüchtlingsfamilien (insgesamt 580 Personen aus den Kriegsgebieten des ehemaligen Jugoslawiens, aber auch Türken, Ägypter und Chinesen) zu integrieren und auch die Bevölkerung zu tatkräftiger Mithilfe zu ermutigen“, berichtete die APA. Ein Jahr später wurde Loley mit dem Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis für Menschenrechte ausgezeichnet und vom ORF-Landesstudio Niederösterreich zur „Frau des Jahres 1994“ gewählt.

Nach dem Attentat: „Ich verzeihe dem Täter“

Am 16. Oktober 1995 wurde die Weinviertlerin ein Opfer der vierten von insgesamt sechs Briefbombenserien von Franz Fuchs. Loley, die im Postamt Poysdorf Briefsendungen aus ihrem privaten Postfach abgeholt und an einem Schalter mit dem Öffnen begonnen hatte, erlitt durch die Explosion der Briefbombe Verletzungen im Gesicht und an den Händen. Sie wurde in das Krankenhaus Mistelbach eingeliefert und mehrere Stunden operiert, zwei Glieder ihres linken Zeigefingers mussten amputiert werden. „Es ist sinnlos, mit Gewalt gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft vorzugehen. Auch mit Gewalt in Worten. Letztlich bringt jede Gewaltanwendung den Täter selbst um. Ich verzeihe dem Täter und bete für ihn“, erklärte Loley noch während ihres Krankenhausaufenthaltes.

Maria Loley am 19. Februar 1999 in Graz
APA/Alfons Kowatsch
Maria Loley vor dem Großen Schwurgerichtssaal am Landesgericht Graz, wo sie am 19. Februar 1999 als Zeugin im Prozess gegen Franz Fuchs aussagte

Zehn Tage später wurde sie aus dem Spital entlassen. Sie werde auch unter dem Eindruck des schrecklichen Attentats „keine Veränderungen“ in ihrem Leben vornehmen und ihren Einsatz für die Flüchtlingshilfe in Poysdorf unvermindert fortsetzen, sagte die schon vor dem Anschlag bekannteste Flüchtlingshelferin Österreichs. Die damals 71-Jährige wiederholte ihre Überzeugung, dass „Hass auf keinen Fall mit Hass vergolten werden darf“. Jahre nach dem Anschlag meinte sie in einem Interview, dass ihr der Zeigefinger, den sie damals verloren hatte, manchmal abgehe, dem Attentäter habe sie aber verziehen: „Jesus sagt sinngemäß, dass keiner sein Jünger sein kann, der nicht von Herzen seinem Bruder verzeiht.“

Franz Fuchs wurde 1999 in Graz wegen mehrerer Briefbomben- und Rohrbombenattentate zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter seinen Opfern waren u.a. der Hartberger Pfarrer August Janisch, die ORF-Redakteurin Silvana Meixner und der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk. Der Klagenfurter Polizeibeamte Theodor Kelz verlor durch eine Rohrbombe beide Unterarme. Das folgenschwerste Attentat: In Oberwart starben im Februar 1995 durch einen Rohrbombenanschlag vier Bewohner einer Roma-Siedlung. Fuchs beging im Jahr 2000 in seiner Gefängniszelle Suizid.

Maria Loley und Helmut Zilk am 17. Mai 1999 in Wien
APA/Günter Artinger
Die beiden Briefbombenopfer Maria Loley und Helmut Zilk bei der Unterzeichnung des „Moratorium 2000“ gegen die Todesstrafe, Wien, 17. Mai 1999

„Es hat sich gezeigt, dass es auf das Gespräch ankommt“

Maria Loley gründete 1997 den Verein „Bewegung Mitmensch – Hilfe für Menschen in Not“ mit Sitz in Wien, wohin sich ihr Arbeitsschwerpunkt verlagert hatte. Acht Jahre nach dem Briefbombenattentat sagte sie in einem APA-Gespräch: „Die Erinnerung an die Briefbombe ist eine, die mich heute nicht mehr persönlich betrifft.“ Mehr noch: Es seien „eher positive Assoziationen“, die sie damit verbindet. „Es ist mir danach ungeheuer viel Gutes widerfahren. Alles hat sich zum Besseren gewendet.“ Die – vor allem mentale – Betreuung von Flüchtlingen stehe für sie im Mittelpunkt ihres Lebens: „Es hat sich ganz deutlich gezeigt, dass es auf das Gespräch ankommt. Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung sind verzweifelt – sie brauchen ganz dringend jemanden, der ihnen zuhört.“

Die Flüchtlingshelferin erhielt für ihr Engagement in den Folgejahren zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen wie „Frau des Jahres“ des Fernsehsenders ARD (1996), das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich (1998), das Bundes-Ehrenzeichen (2003), das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2003), den Stephanusorden in Gold der Erzdiözese Wien (2004) und den Liese-Prokop-Frauenpreis des Landes Niederösterreich (2005). Maria Loley starb am 4. Februar 2016 im Alter von 91 Jahren im St. Vitusheim in Laa an der Thaya (Bezirk Mistelbach).