Friedrich Cerha, 2016
APA/Herbert Pfarrhofer
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Kultur

Cerha: „Kreativ sein ist wie Atmen für mich“

Friedrich Cerha, der große österreichische Komponist mit Zweitwohnsitz in Maria Langegg (Bezirk Krems), feiert heute seinen 95. Geburtstag. Kreativität gehöre zu ihm wie das Atmen und der Herzschlag, sagte er einst in einem Interview.

Peter Patzak, Friedrich Cerha, Peter Turrini und viele mehr haben ihren künstlerischen Vorlass zur Bewahrung, Aufarbeitung und Erforschung der Donau-Universität Krems zur Verfügung gestellt. Und noch etwas verbindet den Dramatiker und Lyriker Peter Turrini mit dem Komponisten Friedrich Cerha. Sie schufen gemeinsam die Oper „Der Riese vom Steinfeld“, nach einer niederösterreichischen Sage aus dem Industrieviertel.

Das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität in Krems plant pandemiebedingt erst für den Herbst 2021 eine große Festveranstaltung für Friedrich Cerha, mit Musikdarbietungen und der Präsentation der aufwändigen Internet-Plattform „Friedrich Cerha online“.

Komponist Friedrich Cerha am 20. Juni 2012 während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien.
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Friedrich Cerha in seinem Haus in Maria Langegg

Wenn Cerha in einem Interview einmal sagte, das kreative Schaffen sei für ihn wie das Atmen und der Herzschlag, so drückt das viele Aspekte aus. Einerseits verdeutlicht dieser Ausspruch die Leichtigkeit oder Selbstverständlichkeit, mit der Cerha imstande ist, spannende Musik zu kreieren – und davon konnte sich der Autor dieser Zeilen selbst überzeugen. Denn vor 15 Jahren war es mir vergönnt, dem Meister beim Schreiben einer Partitur in Maria Langegg über die Schulter zu schauen. Andererseits vermittelt Cerha mit diesem Vergleich, wie wichtig das Schaffen von Musik in seinem Leben ist, ein Leben ohne Kompositionen für ihn auch nicht möglich oder denkbar sei.

Mit „neuer“ Musik gegen alte Strukturen angeschrieben

Geboren wurde Friedrich Cerha am 17. Februar 1926 in Wien. Er leistete bereits vor Abschluss des Gymnasiums aktiven Widerstand, desertierte zweimal von der deutschen Wehrmacht und erlebte das Kriegsende als Hüttenwirt in den Tiroler Bergen. Ab 1946 studierte er an der Akademie für Musik in Wien Violine, Komposition und Musikerziehung sowie an der Universität Wien Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie. Im Jahr 1950 erfolgte seine Promotion zum Dr. phil.

 Thomas Hampson (r.) als Riese und Diana Damrau (l.) in der Oper „Der Riese vom Steinfeld“, 2002
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Thomas Hampson (r.) und Diana Damrau (l.) in der Oper „Der Riese vom Steinfeld“ an der Wiener Staatsoper (2002)

1956 bis 1958 nahm er an den legendären Darmstädter Ferienkursen für neue Musik teil, wo er sich mit den Ideen der internationalen Avantgarde auseinandersetzte. Er studierte intensiv die Werke der sogenannten Wiener Schule mit Werken von Arnold Schönberg und Anton Webern.

1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das Ensemble „die reihe“, das in der Folge Pionierarbeit in der Präsentation von Werken der Avantgarde, der Wiener Schule und der gesamten klassischen Moderne leistete und internationale Anerkennung fand. Von 1959 an lehrte Friedrich Cerha an der Hochschule für Musik und darstellenden Kunst in Wien, wo er von 1976 bis 1988 eine Professur für Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik innehatte.

Eine rare Aufnahme zum 95. Geburtstag

Friedrich Cerhas musikalisches Œuvre umfasst bis heute etwa 200 Orchester-, Kammermusik- und Solowerke sowie fünf große Musiktheaterwerke. Berühmt wurde er unter anderem durch seine Oper „Baal“. Neben zahlreichen Bearbeitungen alter Musik fand Cerha große internationale Beachtung durch die 1979 abgeschlossene Herstellung einer spielbaren Fassung des dritten Aktes der Oper „Lulu“ von Alban Berg.

Ganz kurzfristig machte der ORF gemeinsam mit dem Label Kairos eine CD zum 95. Geburtstag von Friedrich Cerha möglich. Es ist eine Wiederauflage einer schon seit Jahrzehnten vergriffenen Compact Disc mit ORF-Aufnahmen, deren „Wiederauferstehung“ sich Cerha sehr wünschte. Nicht vergessen dürfe man auch den bildenden Künstler Cerha. Mehr als 1.000 Werke umfasst hier sein Wirken. Seine Gemälde mit dick aufgetragenen Ölfarben wirken wie Reliefs. Seine Collagen enthalten die verschiedensten Materialien wie Holz- oder Metallstückchen.