Pakete der Post.
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Wirtschaft

Onlinehändler sollen für Zusteller haften

Knapp 1.000 Rechtsverstöße hat die Finanzpolizei bei der Razzia im Vorjahr beim Versandhändler Amazon festgestellt. Doch für keinen einzigen haftet das Unternehmen, bestraft wurden nur Subfirmen. Gewerkschaft und Frächtervertreter fordern eine Auftraggeberhaftung.

Es war ein gezielter Schlag der Finanzpolizisten. Vor genau einem Jahr kontrollierten 65 Beamte das Paketverteilzentrum von Amazon in Großebersdorf (Bezirk Mistelbach) und sperrten alle sechs Ausfahrten des Areals. Aufgrund des Verdachts auf Scheinfirmen und Schwarzarbeit kontrollierten die Finanzpolizisten alle Fahrer, die ein- oder ausfahren wollten. Nach fast einem Jahr Ermittlungen folgt die Bilanz: 987 Beanstandungen wurden festgestellt – von Schwarzarbeit bis Lohn- und Sozialdumping.

Bestraft wurden ausschließlich Subfirmen. Denn auch wenn der Onlinehandel boomt, die Zustellung der Pakete lagern große Versandhändler meist an Frächter aus. Diese geben die Aufträge dann weiter und diese abermals weiter. Am Ende stehen nicht selten Einpersonenunternehmen, die zwar mit Autos und nach Dienstplänen der großen Logistiker fahren, aber ohne Kollektivvertrag und Arbeitszeitbeschränkung.

Gewerkschaft: „Das ist menschenverachtend“

„Das sind Leute, die 16 Stunden hinter dem Lenkrad sitzen und Pakete ausführen. Die kommen zu gar nichts mehr, haben aber das komplette Risiko und müssen weiterfahren, weiterfahren, weiterfahren“, kritisiert der Landesvorsitzende der Gewerkschaft vida, Horst Pammer: „Das ist menschenverachtend“, so seine Bilanz. Doch dagegen wehren können sich die Fahrer, die auf den Job meist angewiesen sind, nicht. „Wenn der einmal aufmuckt, bekommt er die Pakete nicht mehr zum Ausführen, und dann steht der nächste da.“

Die Versandhändler würden dafür aber keinerlei Verantwortung übernehmen, klagt Pammer: „All diese Verfehlungen, die in der Zwischenzeit passieren, gehen sie nichts mehr an, weil sie das Risiko und die Verantwortung weitergegeben haben.“ Das Problem betreffe Pammer zufolge die gesamte Branche.

Prekäre Arbeitsverhältnisse

Das bestätigt auch die Spartenobfrau für Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Beate Färber-Venz, die ebenfalls Handlungsbedarf sieht: „Wir müssen schauen, dass wir uns auch dem letzten Glied in der Kette fair gegenüber verhalten. Wir können es nicht zulassen, dass die Großen immer größer werden und dass das zulasten des Lieferfahrers geht.“ Denn derzeit seien prekäre Arbeitsverhältnisse an der Tagesordnung. Viele würden sich darauf verlassen, „dass sich der Auftraggeber ordnungsgemäß verhält“, erklärt Färber-Venz.

In der Realität spürt man davon aber wenig. Gewerkschaft und Vertreter der Frächter fordern deshalb ein Gesetz zur Auftraggeberhaftung. Damit würden Auftraggeber wie etwa Versandhändler für die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller haften. „Die können dann nicht mehr sagen, ich habe es einem Subunternehmer gegeben, ich bin außen vor“, so Pammer, „sondern sie haften, bis das Paket an der Haustür abgeliefert ist.“

Mehr Kontrollen gefordert

Auch Färber-Fenz sieht die Auftraggeber in der Pflicht: „So wie sich große Unternehmen um ihre Dienstnehmer kümmern, haben wir hier eine ähnliche Situation. Ich glaube auch, dass es in der Verantwortung des Auftraggebers liegt, dass die Rahmenbedingungen gut eingehalten werden können.“ Ein Beispiel dafür sind die Arbeitszeiten, weshalb Färber-Venz und Pammer auch verpflichtende Fahrtenschreiber wie bei Lkw-Fahrern und mehr Kontrollen der Finanzpolizei fordern.