Uniklinikum St. Pölten, Operationssaal
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Gesundheit

Verschleppte Krankheiten durch Lockdowns

Das Phänomen ist seit dem ersten Lockdown bekannt: Aus Angst vor einer CoV-Infektion meiden viele Menschen Arztbesuche und Spitäler. Im Universitätsklinikum St. Pölten bemerkt man, dass noch immer auf teils dringend notwendige medizinische Hilfe verzichtet wird.

So dramatisch wie im März und im April, zu Beginn der Pandemie, sei die Situation nun knapp ein Jahr später nicht mehr, erzählt Christoph Hörmann, Primar der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin in St. Pölten. Damals hätten sich die Menschen nicht mehr ins Spital getraut.

Als die Zahlen gegen Sommer zurückgingen und wieder Routineoperationen durchgeführt wurden, sei aufgefallen, „dass Patienten gekommen sind, die ein deutlich fortgeschrittenes Karzinom hatten. Sprich, wir haben Patienten mit Krebsleiden zu einem deutlich späteren Zeitpunkt bekommen, was natürlich in der Therapie und letztendlich in der Lebenserwartung doch einen entscheidenden Unterschied macht“, sagte Hörmann gegenüber noe.ORF.at.

„Kein höheres Ansteckungsrisiko im Spital“

Von einer Zurückhaltung der Patientinnen und Patienten spricht Thomas Gamsjäger, der ärztliche Direktor im Universitätsklinikum St. Pölten. „Die Gründe sind nicht genau klar. Wir beobachten eine gewisse Vorsicht und die Befürchtung, dass im Krankenhaus eine erhöhte Exposition stattfinden könnte, was aber in der Tat nicht zutrifft. Unsere Maßnahmen machen die Situation im Krankenhaus sehr sicher.“

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Werner Fetz (li.) und Christoph Hörmann, Primar Intensivmedizin Uniklinikum St. Pölten
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Christoph Hörmann (r.) im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteur Werner Fetz
Thomas Gamsjäger, ärztlicher Leiter Uniklinikum St. Pölten
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Thomas Gamsjäger, ärztlicher Direktor in St. Pölten, sieht eine „Zurückhaltung", wenn es um Krankenhausaufenthalte geht

Die Patientenströme seien mittlerweile sehr gut getrennt. „Geplante Aufnahmen bekommen vor der Aufnahme einen PCR-Test und sind dann in einem Coronavirus-freien Bereich untergebracht. Akutaufnahmen werden – je nach Dringlichkeit – entweder mit einem Schnelltest oder mit einem PCR-Schnelltest getestet, da haben wir das Ergebnis in zwei Stunden“, schildert Christoph Hörmann die Abläufe im Spital.

Diagnose oft erst in fortgeschrittenem Stadium

Infizierte Personen werden auf eigenen Stationen betreut, das Personal wird regelmäßig getestet. Die Zurückhaltung der Patientinnen und Patienten ziehe sich aber durch alle Bereiche, so Thomas Gamsjäger: „In der Kardiologie sind die verschleppten Herzinfarkte ein klassisches Beispiel. Aber auch bei onkologischen Erkrankungen können wir beobachten, dass Menschen später zu uns kommen und damit unter Umständen ein Krebs-Krankheitsstadium fortgeschrittener ist als es sein müsste.“

Als Orientierung für Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, gelte nach wie vor dasselbe wie vor der Pandemie. Kleinere Probleme oder Fragen solle man bei Haus- oder Fachärzten in Ordinationen klären, bei großen Problem solle man ins Spital kommen, heißt es im Universitätsklinikum St. Pölten.