Chronik

Bluttat Gerasdorf: Bodyguard angeklagt

Im Fall der Bluttat von Gerasdorf (Bezirk Korneuburg), bei der ein tschetschenischer Blogger erschossen wurde, liegt nun eine erste Anklageschrift vor. Die Staatsanwaltschaft hat den Bodyguard des Erschossenen wegen versuchten Mordes angeklagt.

Wie zunächst das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet hatte, hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg den Leibwächter des erschossenen Mamichan U. alias Martin B. wegen versuchten Mordes angeklagt. Dem 37-jährigen Ahmed A. wird vorgeworfen, er habe auf den vom Tatort flüchtenden mutmaßlichen Mörder schießen wollen, nachdem dieser Martin B. getötet hatte.

Als er den Abzug seiner Tokarev M57, die ihm Martin B. illegal besorgt haben soll, betätigte, brach allerdings kein Schuss. Wie sich später bei der Untersuchung der Pistole zeigte, war die erste Patrone durchfeuchtet und defekt. Ahmed A. zog daraufhin den Schlitten der Waffe nach hinten, um diese erneut durchzuladen, doch dabei verkeilte sich die erste Patrone im Lauf und machte die Waffe vollends unbrauchbar, heißt es. Der mutmaßliche Mörder von Martin B., Sar-Ali A., konnte damit zunächst vom Tatort flüchten, wurde jedoch wenige Stunden später in Linz festgenommen. Ahmed A. wurde noch am Tatort festgenommen.

Opfer war für Verfassungsschutz tätig

Aus der Anklageschrift gegen den Familienvater, der seit 2003 in Österreich lebt und zuletzt in Wien-Penzing gemeldet war, geht hervor, dass Martin B. „seit vielen Jahren als Informant für das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien tätig war“.

Der 43-Jährige war seit 2007 als anerkannter Konventionsflüchtling in Österreich gemeldet und tat sich als vehementer Kritiker des tschetschenischen Regionalpräsidenten Ramsan Kadyrow hervor, den er zuletzt auf seinem Blog persönlich beleidigt und beschimpft hatte. Obwohl Martin B. befürchten musste, dass er damit sein Leben in Gefahr brachte, lehnte der 43-Jährige Polizeischutz ab, ließ sich allerdings vom befreundeten Ahmed A. – ebenfalls ein Kadyrow-Kritiker – täglich begleiten.

Treffen aufgrund eines Tauschgeschäftes

Der rechtskräftigen Anklage gegen Ahmed A. zufolge hatte dieser eine Kontaktperson beim Wiener LVT von dem Treffen in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) informiert, das am Abend des 4. Juli auf einem abseits gelegenen Firmengelände stattfand. Martin B. hatte sich mit Sar-Ali A. verabredet, um von diesem in einem Tauschgeschäft eine Glock-Pistole zu erwerben.

Ahmed A. versuchte ihm das Treffen auszureden, da Sar-Ali A. in der tschetschenischen Community als Kadyrow-Anhänger galt, hatte damit aber keinen Erfolg. Während des Treffens versteckte sich der 37-Jährige dann in Absprache mit Martin B. in einiger Entfernung hinter einem Fahrzeug, was in taktischer Hinsicht nicht durchdacht war, wie in der Anklageschrift angemerkt wird: „Eine tatsächliche Schutztätigkeit aus dieser Position war aufgrund des Abstands und der eingeschränkten Sicht nicht möglich.“