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Coronavirus

Wiener Neustadt ist aktueller Hotspot

Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 194,1 liegt Niederösterreich aktuell vor allen anderen Bundesländern. Seit Ende des harten Lockdowns Anfang Februar stiegen die Coronavirus-Fälle in fast allen Bezirken wieder an. An der Spitze liegt derzeit Wiener Neustadt.

Nach dem wochenlangen Lockdown ziehen Sonnenschein und frühlingshafte Temperaturen auch die Menschen in Wiener Neustadt hinaus ins Freie. Dass die 7-Tages-Inzidenz und damit das Infektionsrisiko hier aktuell am höchsten ist, beunruhigt nicht alle. „Wenn der Lockdown gelockert wird, ist es klar, dass die Zahlen wieder steigen“, sagt etwa ein Mann. Er sieht den Grund für die steigenden Zahlen darin, „dass die Leute müde sind von dem Ganzen“.

Auch eine Passantin meint im Gespräch mit noe.ORF.at, noch bevor die Bundesregierung am Montag weitere Öffnungsschritte ankündigt: „Man nimmt das schon in Kauf. Man hält sich an gewisse Dinge, aber wir sehen das jetzt nicht so tragisch, wie es in den Medien oft gezeigt wird. Es wäre besser, wenn es noch weitere Lockerungen gäbe.“ Sie wünsche sich „wieder ein ganz normales Leben ohne Einschränkungen“.

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In Wiener Neustadt zieht es die Menschen wie in vielen anderen Städten und Bezirken auch hinaus an die frische Luft

Eine weitere Passantin sieht das allerdings anders: „Nachdem ich nierentransplantiert bin und damit zur Hochrisikogruppe gehöre, ist das Besorgtsein seit einem Jahr mein Begleiter. Der Anstieg der Zahlen ist natürlich beunruhigend, weil man die Folgen mittlerweile kennt.“ Über das Verhalten vieler anderer Menschen ärgere sie sich: „Man versucht sich nach den Maßnahmen zu richten und ist dann schon etwas sauer und angespannt, wenn man sieht, dass es andere überhaupt nicht tangiert.“

Ansteckungen immer öfter auch im Bekanntenkreis

Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) sieht den Grund für den starken Anstieg in der Virus-Mutation B.1.1.7, die im Abwasser nachgewiesen wurde, sowie in den Lockerungen der Sicherheitsmaßnahmen. Denn: „Wir haben keinen Cluster, wir haben viele einzelne Fälle, allein in den Schulen und Kindergärten am heutigen Tag 83. Das ist enorm viel und wir stellen fest, dass es jetzt nicht mehr der Familienkreis ist, der infiziert wird, sondern auch Bekannte und der Freundeskreis“, so Schneeberger. Dort könne man aber nicht einschreiten und stehe der Entwicklung „eigentlich machtlos gegenüber“, wie der Bürgermeister festhält.

Klaus Schneeberger
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Bürgermeister Klaus Schneeberger führt die hohen Infektionszahlen in Wr. Neustadt unter anderem auf die Mutation B.1.1.7 zurück

Verwundert sei er über die Zahl der Ansteckungen nicht: „Die Menschen sehnen sich nach Begegnung, die Menschen sehnen sich nach Frischluft, und damit ist einhergehend, dass man sich ansteckt.“ Die Zahlen seien zwar „enorm“, doch „ein Blick ins Krankenhaus lässt mich wieder hoffen“, so Schneeberger. Es seien zwar einige Menschen dort in Behandlung, die Zahl der Patientinnen und Patienten in den Intensivstationen sei aber nicht höher als noch vor einem Monat.

Epidemiologe Gartlehner: Anstieg nicht überraschend

Die Zahlen stiegen in den vergangenen Wochen aber nicht nur in Wiener Neustadt stark an. Betroffen sind unter anderem auch Waidhofen an der Thaya, Baden und Mistelbach. Vom Anstieg der Zahlen überrascht ist Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems aber nicht: „Wir haben damit aus drei Gründen gerechnet. Erstens setzt sich die zuerst in Großbritannien nachgewiesene Variante immer mehr durch und die ist deutlich ansteckender. Zusätzlich gab es natürlich die Öffnungen und wir testen wesentlich mehr als in der Vergangenheit“, so der Experte.

Gartlehner
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Epidemiologe Gerald Gartlehner empfiehlt angesichts der aktuellen Lage keine weiteren Öffnungsschritte

Grund zur Sorge bereiten diese Werte aber nicht überall. „Natürlich, je höher die Infektionszahlen, desto bedenklicher ist es. Manche Bezirke sind aber so klein, dass in absoluten Zahlen wenige Personen, die sich infizieren, schon dazu führen, dass die Infektionszahlen sehr dramatisch aussehen“, so Gartlehner. Noch bevor die Regierung Montagabend weitere Öffnungsschritte bekanntgibt, spricht sich der Epidemiologe gegen größere Öffnungen aus. „Ich glaube, das was gelockert wurde, sollten wir versuchen, zu erhalten“, meint er. „Alles, was darüber hinausgeht – da muss man vorsichtig sein. Österreichweit können wir uns das einfach nicht leisten.“

Das betreffe auch regionale Lockerungen, vor allem in Ballungszentren. Weil etwa Wien und Niederösterreich stark miteinander verwoben seien, beispielsweise durch Pendlerinnen und Pendler, würde sich so das Infektionsgeschehen nur in den Nachbarbezirk verlagern, meint der Experte, der sich für ein gemeinsames Vorgehen aussprach.