Rettungsaktion
Bergrettung NÖ-W
Bergrettung NÖ-W
Chronik

Lawinenkatastrophe als Weckruf

Ein Lawinenunglück vor 125 Jahren auf der Rax, im Grenzgebiet zwischen Niederösterreich und der Steiermark, führte zur Gründung der ersten Bergrettung der Welt. Jetzt, in Coronavirus-Zeiten, wiederholt sich das Muster von damals.

Die Berge in Niederösterreich sind nicht die höchsten und doch wurde hier – im Zuge eines Booms Mitte des 19. Jahrhunderts – Alpingeschichte geschrieben. Damals begannen Bergsteiger aus Wien die umliegenden Gebirge, vor allem Rax und Schneeberg, zu erobern. In den 1860er Jahren wurden Alpinvereine wie der Alpenverein, der Gebirgsverein, der Touristenklub oder die Naturfreunde gegründet. Weil immer mehr unerfahrene Touristen den Weg auf die Berge suchten, häuften sich auch die Unfälle.

Zu dieser Zeit wurden schon länger Pläne gewälzt, eine Art Bergrettung einzuführen, aber wie so oft musste es eine Katastrophe sein, die zur Realisierung führte. Die drei bekannten Wiener Bergsteiger Josef Pfannl, Max Schottik und Fritz Wanieck waren am 8. März 1896 auf dem Reißthalersteig auf der steirischen Seite der Rax unterwegs. Eine Schneewächte brach ab und die Männer gerieten in die daraus folgende Lawine.

Alle drei starben unter den Schneemassen. Pfannls Bruder Heinrich startete eine Rettungsaktion. Mit eilig zusammengetrommelten Holzknechten und Bergführern versuchte er den Aufstieg, aber die Aktion war unkoordiniert und die Hilfsmittel unzureichend. Der letzte der drei Toten konnte erst eine Woche später geborgen werden.

Erinnerungstafel der Bergrettung an eine Lawinenkatzastrophe
Bergrettung Niederösterreich/Wien
Eine Gedenktafel erinnert an das Unglück mit drei Toten, das zur Gründung einer organisierten Bergrettung führte

Österreich als weltweiter Vorreiter

Das Unglück und die Prominenz der drei Toten waren eine Art Weckruf für die Bemühungen, eine Bergrettung ins Leben zu rufen. Am 22. Mai 1896 wurde der „Alpine Rettungsausschuss Wien“ gegründet – mit Ortsstellen in Reichenau an der Rax und in Puchberg am Schneeberg (beide Bezirk Neunkirchen) sowie in Mürzzuschlag und im Gesäuse (Steiermark), wie Ewald Putz, der frühere Ortsstellenleiter der Bergrettung Reichenau, erzählt: „Man hat die Bergretter aus Bergführern, Holzknechten und aus einheimischen Bergsteigern rekrutiert und entsprechend ausgebildet.“

Das System fand bald österreichweit Nachahmer, auch im hochalpinen Westen, wo zuvor durch die Routine der Bergsteiger noch nicht an ein solches System gedacht worden war. Die Österreichische Bergrettung wurde gegründet und in der Folge genauso aufgebaute Organisationen in den anderen alpinen Ländern Europas. Schließlich wurde das System Bergrettung auf der ganzen Welt nach diesem Vorbild eingeführt.

Bergretter mit Funkgerät
ORF/Berger
Etwa 7.000 Einsätze werden von der Bergrettung österreichweit pro Jahr registriert, oft bringen sich Wanderer und Bergsteiger durch Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit in Gefahr

Basis bleibt Freiwilligkeit

Österreichweit gibt es heute 291 Ortsstellen in sieben Landesverbänden. 12.500 Bergretterinnen und Bergretter verrichten ihren Dienst auf freiwilliger Basis, im Schnitt sind das 7.000 Einsätze pro Jahr. Auch die Gründungsmannschaften der ÖAMTC-Flugrettung setzten sich aus Bergrettern zusammen. Im Landesverband Niederösterreich/Wien, der „Keimzelle“ der Bergrettung, verrichten derzeit 1.300 Freiwillige ihren Dienst, darunter 100 Frauen.

Basis für die Zukunft, das betont der Landesleiter für Niederösterreich und Wien, Matthias Cernusca, solle die Freiwilligkeit bleiben: „Das Ehrenamt ist zentral für unsere Aufgaben. Wir haben ein sehr professionelles System, das technisch hochwertig unterstützt ist, und eine hochwertige Ausbildung, sodass das Risiko für die Bergretter in Grenzen bleibt. Aber die Menschen orientieren sich natürlich immer wieder neu und es ist unsere Aufgabe, an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um die Bergrettung in dieser ehrenamtlichen Form aufrecht zu erhalten.“ Das Ehrenamt, so Cernusca, erhalte nicht mehr die Wertschätzung wie noch vor wenigen Jahrzehnten.

Coronavirus: Heute ähnliche Entwicklung wie damals

Gerade jetzt aber wiederholt sich eine Entwicklung wie vor 125 Jahren. Damals war ein Trend zum Berg entstanden, der auch unerfahrene Bergsteiger in gefährliche Situationen geraten hat lassen. Ähnlich, so erzählt Matthias Cernusca, sei es auch heute: „In Corona-Zeiten werden die Menschen sprunghaft mehr, die die Natur genießen wollen und die es in die Berge zieht, was ja auch gut ist. Aber es passiert leider auch viel mehr. Wir würden uns wünschen, wenn wir weniger Einsätze haben würden.“ Aber wenn, dann sei man professionell darauf vorbereitet.