Kultur

Bildung: Leidenschaft, Luxus, Lebensmittel?

Ist die Bildung unverzichtbar oder nicht – darum geht es heuer im Symposion Dürnstein. Zum zehnjährigen Jubiläum findet die Veranstaltung ausschließlich online statt. Zum Auftakt hat Autor Michael Köhlmeier mit starken Ansagen aufhorchen lassen.

Welchen Wert die Bildung hat, das wird vielleicht erst klar, wenn sie plötzlich in der Politik gegen einen anderen Wert abgewogen wird – jenen der Gesundheit. Das Symposion Dürnstein (Bezirk Krems) macht die Bildung heuer zum zentralen Thema. Dafür nutzt man ausgerechnet jenes Medium, das auch den Bereich der Bildung seit einem Jahr dominiert: die Videokonferenz.

„Arroganz“ des Veranstaltungsmottos

In ihrem diesjährigen Titel erklärt das Symposion die Bildung zum „Lebensmittel, das wir in unbeständigen Zeiten brauchen“. Autor Michael Köhlmeier ist mit dieser Einschätzung am Donnerstagabend nicht einverstanden. Bei seinem Eröffnungsvortrag mit anschließender Diskussion warnt er vor dem Begriff. Es sei „arrogant zu sagen, Bildung ist ein Lebensmittel, also ein Mittel, ohne das wir – und sei es auch nur metaphorisch – verhungern. Denn ohne es auszusprechen, degradieren wir alle, die nicht gebildet sind, zu niederrangigen Wesen.“ Dabei sei es die Entscheidung jedes Einzelnen, sich zu bilden oder nicht. Bildung alleine mache einen Menschen weder besser noch glücklicher.

Michael Köhlmeier
Klaus Ranger
Der Schriftsteller Michael Köhlmeier bei seinem Vortrag

Es gehe auch nicht darum, Bildung einzufordern, denn „wer Bildung fordert, der begibt sich von Vornherein in Unterwürfigkeit. Er akzeptiert, dass über ihm jemand steht, der die Bildung verwaltet und über ihre Verteilung wacht.“ Diese Haltung ist für den Schriftsteller unwürdig: „Bildung macht sich, wer Bildung will.“ Die Voraussetzungen dafür seien mit dem Internet immerhin so gut wie nie zuvor. Nützlich müsse bzw. dürfe das nicht sein. „Die größte Kultur und Bildung besteht darin, dass wir lernen, etwas zu tun, was wir nicht brauchen können, und sei es Modelleisenbahn zu bauen. Das sich nicht verwerten lässt, das nicht systemrelevant ist“, erklärt Köhlmeier im Gespräch mit der ORF-Journalistin Katja Gasser.

Bildung oder Ausbildung?

Betont wird an dem Abend immer wieder eine Unterscheidung, die im Alltag oft verloren geht: „Bildung wird weitestgehend als Ausbildung verstanden, in der Grundschule genauso wie in den Universitäten“, sagt Kuratorin Ursula Baatz. „Hier soll marktkonformes Personal formatiert werden. Schrauben von Bolzen für den Betrieb. “

Das kritisiert auch Barbara Schwarz, ehemalige Bildungslandesrätin und Bürgermeisterin von Dürnstein (ÖVP). Sie ist als Geschäftsführerin der niederösterreichischen Forschungs- und Bildungsgesellschaft für die Organisation des Symposions zuständig. Schwarz spricht von einer „Zeit, in der wir unendlich oft vom Testen reden – nicht nur coronabedingt, sondern auch von Fähigkeiten in der Schule. Die Kinder gehen von einer Testung zur nächsten, vom Pisa- bis zum Kompetenztest.“ Für sie sei nicht sicher, ob die Schülerinnen und Schüler alle gelernten Dinge für ihr Leben brauchen würden. Vielmehr müsse man Menschen dazu in die Lage versetzen, bekannte Wege zu verlassen und Neues zu denken.

Debatte in der Minoritenkirche Krems
Klaus Ranger
Kulturmanager Martin Vogg, Ex-Bildungslandesrätin Barbara Schwarz, Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll, Prälat Maximilian Fürnsinn, Moderatorin Katja Gasser und Kuratorin Ursula Baatz (v.l.) bei der gemeinsamen Podiumsdiskussion in der Kremser Minoritenkirche

Philosophischer Ansatz ist „notwendig“

Hier schließt auch Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) an. Konstante Selbstreflexion sei immens wichtig, auch bei Politikerinnen und Politikern: „Jemand, der meint, am richtigen Weg zu sein und davon nicht mehr abzurücken, der ist automatisch nicht mehr am richtigen Weg.“ Pröll war beim Symposion Dürnstein einer der Förderer der ersten Stunde. Dieses lehre immerhin etwas, das man in der Schule nicht lernen könne: „Das ist keine Abwertung der Schule, sondern der Hinweis auf einen notwendigen philosophischen Ansatz, gerade in so einer krisenhaften Zeit wie der jetzigen. Deshalb ist auch der Wert so eines Symposions nicht hoch genug zu schätzen.“

Auch Prälat Maximilian Fürnsinn, ehemaliger Propst des Stifts Herzogenburg, war von Beginn an dabei. Für ihn gehören der „Bildungsbegriff, der Lebensbegriff, die religiöse Sicht, die philosophische Sicht in einer starken Weise zusammen“. Wichtig sei demnach, „nicht in die Einseitigkeit abzugleiten, sondern im Gesamten zu bleiben“.

Vorträge und Diskussionen bis Samstag

Bis Samstag findet das Symposion Dürnstein noch statt. Einer der Höhepunkte ist dabei der Vortrag von Timothy Snyder, Geschichte-Professor der Elite-Uni Yale und Bestseller-Autor. Geladen sind außerdem unter anderem der Umweltwissenschafter und Wildnispädagoge Sebastian Pfütze, der Soziologe und Politikberater Kenan Güngör und die Neuropsychologin Leonie Ascone Michelis. Das gesamte Programm wird online übertragen, die Teilnahme ist heuer kostenlos.