Arzt beim Abhören eines Patienten
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gesundheit

Kassenärzte: Wettbewerb unter Gemeinden

In Niederösterreich gibt es 32 freie Kassenstellen für Allgemeinmedizin, die Hälfte ist länger als ein Jahr ausgeschrieben. Die Gemeinden übernehmen inzwischen viele Kosten für die Ärzte. Betroffene Bürgermeister sprechen von einem Wettbewerb.

Bürgermeister Manfred Schimpl (ÖVP) begutachtet den Baufortschritt in der neuen Ordination. Ein neues Haus wurde für die Gesundheitsversorgung in Haidershofen (Bezirk Amstetten) gebaut. Im oberen Stock ist die neue Apotheke bereits in Betrieb, darunter werden gerade das Wartezimmer und die Behandlungsräume fertiggestellt. Die Einrichtung bezahlt die Gemeinde dem zukünftigen Arzt oder der Ärztin in der Höhe von 100.000 Euro, ebenso wie die Miete über drei Jahre. Das sind noch einmal 69.000 Euro.

Seit 15 Monaten gibt es im Ort mit einem Einzugsgebiet von 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern keinen Kassenarzt mehr. Nun investert die Gemeinde eben selbst, um für einen Allgemeinmediziner oder eine Allgemeinmedizinerin attraktiver zu werden. „Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was wir noch machen könnten“, sagt Schimpl, der mittlerweile so wie viele Bürgerinnen und Bürger zu Ärzten in den Nachbarorten fährt, etwa ins nahgelegene Steyr in Oberösterreich. „Da gibt es dann aber immer wieder Probleme mit der Kassa. Die Bundeslandgrenze ist manchmal schlimmer als die EU-Außengrenze.“

Haidershofen
ORF
Mit dem Problem der monate- bis jahrelangen Suche nach einem Kassenarzt ist Haidershofen (Bild) nicht allein. Am längsten sucht man mittlerweile in Gresten, nämlich seit 1. April 2016.

„Wer mehr zahlt, hat bessere Chancen“

In Litschau (Bezirk Gmünd) im Waldviertel ist eine Kassenstelle ebenfalls seit 15 Monaten frei. Die Gemeinde baute um 130.000 Euro eine neue Ordination, dazu übernimmt sie für drei bis fünf Jahre die Miet- und Betriebskosten für den Arzt. „Wer mehr zahlt, wer mehr bietet, hat bessere Chancen auf einen Arzt. Leider ist es so weit gekommen. Ich halte das für sehr problematisch“, sagt Bürgermeister Rainer Hirschmann (ÖVP) gegenüber noe.ORF.at. Er berichtet von „überzogenen Forderungen“, die Ärzte aus Tirol gestellt hätten, damit sie die Stelle in Litschau übernehmen. „Also ein Haus bauen oder eine Wohnung bereitstellen, solche Sachen werden da genannt. Aber es weiß natürlich jeder auch, wie die Lage und der Ärztemangel ist.“

Mittlerweile betreibt eine Ärztin ein bis zwei Tage die Woche eine Zweitordination in Litschau. Das könne nur eine Übergangslösung sein. „Das Land und die Gemeinden sind in einer Zwickmühle. Ärzte kann man ja nicht innerhalb eines Jahres ausbilden, das wird noch lange dauern, bis wir aus dieser Situation herausen sind“, sagt Hirschmann. Die unterschiedlichen Stellen wie die Ärztekammer, die Österreichische Gesundheitskasse und das Land seien zwar sehr bemüht, aber wirkliche Verbesserungen gebe es nicht.

600.000 Euro und zwei besetzte Kassenstellen

Ausgaben wie in Haidershofen und Litschau sind keine Seltenheit. In Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen/Thaya) waren lange Zeit zwei Kassenstellen unbesetzt. Im Sommer des vorigen Jahres wurde die erste übernommen, Ende Jänner nun die zweite. Bürgermeister Ulrich Achleitner (ÖVP) ist erleichtert: „Es war ein hartes Stück Arbeit und hat der Gemeinde auch viel Geld gekostet.“ Die zwei neuen Ordinationen finanzierte die Gemeinde, insgesamt kostet das 600.000 Euro. Dazu kommt jeweils noch die Miete für drei Jahre. Das alles sei es wert, „damit wir wieder ein paar Jahre Ruhe haben.“

Arzthaus Haidershofen
ORF
Es gebe für die Ordination in Haidershofen auch Anfragen von Ärzten aus Oberösterreich, aber weil dort die Honorare höher seien, hätten sie wieder abgewunken, sagt der Bürgermeister

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sieht die Ausgaben der Gemeinden nicht als Folge der Konkurrenzsituation. ÖGK-Landesausschussvorsitzender Norbert Fidler spricht von Investitionen für die Zukunft, da die Ordination ja immer im Besitz der Gemeinde bleibe. „Es ist mir aus vergangenen Zeiten bekannt, wie es noch die Regelung des Gemeindearztes gegeben hat, dass die Gemeinde die Räume kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Ich glaube nicht, dass das eine Belastung für die Gemeinde ist.“

Landarzt-Garantie: Zwei Spitalsärzte bisher eingesprungen

In Haidershofen sei es möglich, dass eine Ärztin ab Ende des Jahres eine Zweitordination führen wird, so Fidler. Zehn Stunden pro Woche würde sie dann in der neuen Ordination arbeiten. Wegen der CoV-Pandemie seien fixe Zusagen derzeit aber schwierig. Bürgermeister Manfred Schimpl plant unterdessen, die Landarzt-Garantie zu beantragen. Das sind 50.000 Euro Förderung für den Ordinationsbau und ein Arzt oder eine Ärztin aus einer Landesklinik, der oder die zur Überbrückung einspringt.

Wegen der Lage des Ortes an der Grenze zu Oberösterreich zweifelt Schimpl aber, dass sich jemand dafür meldet: „Wir haben 40 Kilometer nach Amstetten. Mauer ist auch weiter weg. Nach Steyr sind es verglichen eine Handvoll.“ Die Landarzt-Garantie wurde im Jänner 2018 vom Land eingeführt. Gemeinden, die über zwölf Monate keinen Allgemeinmediziner auf Kasse mehr haben, sollen dabei einerseits mit Geld und andererseits mit einem Mediziner aus den Landeskliniken unterstützt werden. Nach Angaben der Ärztekammer Niederösterreich und der ÖGK hat bisher einmal eine Ärztin in Gresten (Bezirk Scheibbs) und einmal ein Arzt in Mauer (Bezirk Amstetten) ausgeholfen. Für St. Georgen am Ybbsfelde (Bezirk Amstetten) laufen derzeit Gespräche.

Reihe an Forderungen, aber noch keine Umsetzung

Dort steht seit 21 Monaten eine Ordination leer. Er hoffe, dass ab April jemand aus dem Spital für zehn Stunden pro Woche einspringen kann, sagt Bürgermeister Christoph Haselsteiner (ÖVP) gegenüber noe.ORF.at. „Wir haben schon im September um die Landarzt-Garantie angesucht. Letztes Jahr hat sich aber niemand gemeldet, sicher auch wegen der Hochphase der Pandemie“, so Haselsteiner. Nun sei eine Ärztin aus dem Krankenhaus Amstetten interessiert. Die Ordination, die Ausstattung und administratives Personal muss die Gemeinde zur Verfügung stellen, sagt Haselsteiner.

Dass Mediziner aus den Landeskliniken einspringen, sei eines der letzten Mittel und kein Ersatz für generelle Maßnahmen, so der für die Landeskliniken zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Eine langfristige Lösung des Ärztemangels könnten nur mehr Medizinstudienplätze und eine Landarztquote bringen. Diese Forderungen stellte das Land zuletzt im November an die Bundesregierung.

Ob oder wann das umgesetzt wird, kann derzeit niemand sagen. Laut dem Büro des für den Gesundheits- und Sozialfonds zuständigen Landesrats Martin Eichtinger (ÖVP) gab es mit ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann ein Gespräch über Landarztstipendien. Im Bildungsministerium heißt es, dass derzeit erarbeitet werde, welche rechtliche Grundlage es für solche Stipendien bräuchte. Eine konkrete Umsetzung wird noch dauern.