Tatort in Gerasdorf bei Wien
ORF / Helmut Stamberg
ORF / Helmut Stamberg
Chronik

Erster Prozess nach Bluttat in Gerasdorf

Im Zusammenhang mit dem Tod eines 43-jährigen Tschetschenen, der im Vorjahr auf einem Firmengelände in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) erschossen wurde, muss sich am 8. April jener Mann vor Gericht verantworten, der als Leibwächter des Erschossenen fungiert hat.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass er auf den flüchtenden mutmaßlichen Täter schießen wollte, nachdem dieser den 43-Jährigen getötet hatte. Dass der 37-Jährige am Abend des 4. Juli 2020 letztlich nicht geschossen hat, ist laut Anklageschrift einem Waffenproblem geschuldet. Als der Beschuldigte den Abzug seiner Waffe, die ihm das spätere Todesopfer illegal besorgt haben soll, betätigte, löste sich kein Schuss. Wie sich später bei einer ballistischen Untersuchung der Pistole zeigte, sei die erste Patrone durchfeuchtet und defekt gewesen.

Der Angeklagte soll daraufhin den Schlitten der Waffe nach hinten gezogen haben, um diese erneut durchzuladen, doch dabei habe sich die erste Patrone im Lauf verkeilt und die Pistole vollends unbrauchbar gemacht. Der mutmaßliche Täter konnte vom Tatort flüchten, wurde jedoch wenige Stunden später in Linz festgenommen. Für den nun Angeklagten klickten dagegen noch an Ort und Stelle die Handschellen, wobei der 37-Jährige der Polizei die defekte Faustfeuerwaffe aushändigte.

Prozess unter besonderen Vorkehrungsmaßnahmen

Im Rahmen der Hauptverhandlung wird jedenfalls der Angeklagte einvernommen, teilte das Landesgericht Korneuburg am Donnerstag in einer Aussendung mit. Der Prozess wird unter besonderen Vorkehrungsmaßnahmen ablaufen. Begründet wurde dies mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten und der „Sicherung eines ungestörten Verfahrens“. Für Medienvertreter wird etwa nur eine beschränkte Anzahl von sechs Sitzplätzen zur Verfügung stehen.

Die Anklage umfasst neben versuchtem Mord auch unbefugten Besitz von Schusswaffen, Urkundenunterdrückung sowie fortgesetzte Gewaltausübung. Ebenfalls angeführt wird ein Verstoß gegen Paragraf 3g des Verbotsgesetzes. Im Fall einer Verurteilung droht dem russischen Staatsangehörigen eine Freiheitsstrafe von zehn bis 20 Jahren oder lebenslang. Der Beschuldigte habe bisher erklärt, er habe dem Mann, der seinen Freund erschossen haben soll, nicht nach dem Leben getrachtet. In der Anklage wird diese Darstellung allerdings als „absolut unglaubwürdig“ bezeichnet.

Eine Anklage gegen den mutmaßlichen Todesschützen Sar-Ali A. ist unterdessen noch nicht absehbar. Die Ermittlungen wegen Mordes seien noch nicht abgeschlossen, sagte Friedrich Köhl, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg, am Donnerstag zur APA.