Hans-Peter Hutter
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Coronavirus

Hutter: „Soziale Sehnsucht ist groß“

Viele Coronavirus-Infektionen finden derzeit im privaten Bereich statt. Denn die Sehnsucht nach sozialen Kontakten sei nach einem Jahr der Pandemie groß, sagte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter im Gespräch mit noe.ORF.at. Er plädierte für geschützte Sozialräume.

Die Coronavirus-Pandemie begleitet uns mittlerweile seit einem Jahr. Viele Menschen seien frustriert und bräuchten deshalb Perspektiven, betonte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien gegenüber noe.ORF.at. Er machte aber auch ein wenig Hoffnung, denn ihm zufolge könnten die steigenden Temperaturen im Frühling dabei helfen, das Infektionsgeschehen wieder zu reduzieren. Das könnte weitere Öffnungsschritte zur Folge haben, etwa das Öffnen von Schanigärten.

noe.ORF.at: Wo stecken sich die Österreicherinnen und Österreicher eigentlich noch an?

Hans-Peter Hutter: Im Prinzip sind es zwei Orte, an denen Ansteckungen stattfinden bzw. von denen wir wissen, dass es dort zu Ansteckungen kommen muss. Das ist im häuslichen, privaten Bereich und an den Arbeitsplätzen. Und zwar nicht dort, wo man im Büro sitzt, sondern dort, wo man zusammenkommt, zum Beispiel im Sozialraum. Für beides muss man sich Maßnahmen überlegen, um auch diese Infektionszahlen rasch hinunterzubringen, damit wir auch hier die Pandemie einbremsen.

noe.ORF.at Was sollte oder könnte dabei noch verbessert werden?

Hutter: Im Prinzip geht es darum, herauszufinden, wie wir das mit dem häuslichen Bereich machen. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Faktor. Beim häuslichen Bereich muss man Freunde, Treffen und Gemeinsamkeiten bedenken. Dabei sind manche Menschen sehr sorgfältig, manche aber auch sorglos.

Inwiefern eine Verschärfung der Maßnahmen dazu beitragen würde, dass man sich noch mehr „unterirdisch“ trifft, oder ob man sich jetzt überlegt, wie wir das besser kanalisieren können – das ist die Gretchenfrage. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass man auch überlegt, bestimmte Öffnungsschritte beizubehalten oder zu erweitern, damit man hier einen Raum bekommt, damit man dieser sozialen Sehnsucht geschützt nachkommen und sich dort treffen kann. Aus meiner Sicht wäre das ein gangbarer Weg.

noe.ORF.at: Wie sehr werden sich diese letzten Meter oder Kilometer des Marathons auf die psychische Gesundheit der Menschen auswirken?

Hutter: Die letzten Meter sind bei Ausdauergeschichten immer schwierig. Man darf nicht vergessen: Wir haben es mittlerweile mit einem Jahr zu tun, mit allen Auf und Abs. Für viele ist jetzt schon ein Punkt erreicht, wo die Nerven blank liegen, wo viele frustriert sind und wo man eine Perspektive braucht – auch, wie es mit den Impfungen weitergeht, dass der Impfplan wirklich eingehalten wird. Und letztendlich auch eine Perspektive, dass man sagt: Bis dahin werden wir das und das erreichen, auch wenn es schwer ist. Und es ist schwer, ich bin selbst Epidemiologe, aber man braucht bestimmte Gewissheiten.

noe.ORF.at: Wie hilfreich sind regionale Maßnahmen? Können sie funktionieren oder sind wir dafür zu vernetzt?

Hutter: Wesentlich ist, dass man differenzierter denkt. Gleichzeitig muss auch klar sein, dass man bei differenziertem Vorgehen ganz klar erklärt, warum diese Situation für ein Segment, eine Gemeinde, einen Bereich oder ein Bundesland passend ist und für andere nicht, sonst kommt es zu Verwirrung.

noe.ORF.at: Wie sehr werden uns der Frühling und die höhere Temperaturen im Kampf gegen die Pandemie helfen?

Hutter: Aus meiner Sicht werden sie helfen, weil man sehr viele Aktivitäten in den Außenraum verlegen kann. Dort spielt zwar die Tröpfcheninfektion definitiv auch eine Rolle, denn wenn man einen halben Meter nebeneinander steht, dann werden die Tröpfchen auch dort landen, egal ob man sich außen oder innen aufhält. Aber außen haben wir nicht dieselbe Aerosol-Problematik wie im Innenraum.

Es wird mehr Raum geben, auch für gewisse Überlegungen. Etwa bezüglich einer bestimmten Fläche und der Kapazität von Menschen, die sich dort aufhalten können, zum Beispiel in einem Schanigarten oder einem Bereich, wo sich die Menschen unter bestimmten Voraussetzungen treffen können.