DNA-Test
ORF/Novak
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„Im Fokus: Wissenschaft“

Ein Gentest gegen Nebenwirkungen

Nebenwirkungen von Medikamenten haben zuletzt die Schlagzeilen beherrscht. Dabei ist das Risiko nicht für jeden gleich – es hängt vom Erbgut der einzelnen Person ab. Ein junges Unternehmen aus Neunkirchen will das nutzen und so jährlich tausende Leben retten.

Grün, orange oder rot? Je nachdem, welches Licht auf dem Bildschirm aufleuchtet, sind die eingenommen Medikamente unbedenklich oder nicht. Im letzteren Fall sollte man sich bald einen Arzttermin ausmachen. Es ist das Geschäftsmodell von „Permedio“, einem jungen Unternehmen, das der Neunkirchner Onkologe Stefan Wöhrer gründete.

750 Millionen Euro Gesundheitskosten einsparen

Grundlage für die Analyse der eigenen Medikation ist ein Gentest, der am Standort von „Permedio“ in Neunkirchen ausgewertet wird. Auf einer Onlineplattform, die mit einer medizinischen Datenbank verknüpft ist, sieht der Patient bzw. die Patientin dann das Ergebnis. „Einerseits kann es sein, dass manche Medikamente bei mir nicht wirken“, erklärt Wöhrer, „das heißt ich vertrage das Medikament vielleicht sehr gut, aber es funktioniert nicht.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiere, könne man aufgrund des Erbguts vorhersagen – genauso wie die Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Symptome auftreten, verspricht der Arzt, denn „vielleicht wirkt das Medikament bei mir sehr gut, aber ich habe ganz außergewöhnliche Nebenwirkungen“. So könnten in Österreich in Zukunft 7.000 bis 8.000 Todesfälle pro Jahr vermieden und Gesundheitskosten in Höhe von 750 Millionen Euro eingespart werden, verspricht das Unternehmen.

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„Permedio“-Ablauf für Patientinnen und Patienten
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Die DNA-Probe wird entweder von teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten oder alleine zu Hause entnommen
„Permedio“-Ablauf für Patientinnen und Patienten
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Dann wird sie ans Labor in Neunkirchen geschickt
„Permedio“-Ablauf für Patientinnen und Patienten
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Dort wird die Probe ausgewertet
„Permedio“-Ablauf für Patientinnen und Patienten
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Auf einer Online-Plattform können Patientinnen und Patienten sehen, ob für sie Änderungen der Medikation sinnvoll sind
„Permedio“-Ablauf für Patientinnen und Patienten
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Ein Farbcode zeigt Neben- und Wechselwirkungen sowie mögliche Probleme für Allergiker an: Grün steht für unbedenklich, bei einem roten Punkt wird eine Änderung empfohlen

Günstige Gentests als Grundlage

Wer wir sind, wie wir aussehen und wie gesund oder krank wir sind – all das hängt zumindest zum Teil von unserem Erbgut ab. Das ist bereits seit Anbeginn der Menschheit so – und doch ist die Situation heute eine ganz andere als noch vor einigen Jahren. Diese genetischen Informationen sind heute so zugänglich wie nie. Galten umfangreichere DNA-Analysen vor kurzem noch als nahezu unleistbar, so sind sie heute oft bereits um wenige hundert Euro zu haben.

Das eröffnete für die Medizin und die Wirtschaft ein riesiges neues Anwendungsfeld. Von der Ahnenforschung bis hin zur Wahrscheinlichkeit, mit der ein Mensch eine bestimmte Krankheit bekommt, wurde Vieles möglich, einiges allerdings ethisch fragwürdig. Wer will schon exakt wissen, wie hoch seine Lebenserwartung ist.

Wöhrer begibt sich mit seinem Unternehmen auf weniger dünnes Eis. Aussagen zu Krankheiten gebe es bei ihm nicht, sagt der Firmengründer, „obwohl das theoretisch möglich wäre“. Stattdessen biete man ausschließlich Informationen über Medikamente: „Wir sagen, welches Medikament gut für Sie ist und welches schlecht. Dann können Sie ein anderes Medikament verwenden.“

Ein Gentest gegen Nebenwirkungen

Nebenwirkungen von Medikamenten haben zuletzt die Schlagzeilen beherrscht. Dabei ist das Risiko nicht für jeden gleich – es hängt vom Erbgut der einzelnen Person ab. Ein junges Unternehmen aus Neunkirchen will das nutzen und so jährlich tausende Leben retten.

Noch keine Kassenleistung

Momentan können Patientinnen und Patienten den DNA-Test sowohl selbst Zuhause als auch bei teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten erledigen. Das ist allerdings eine Privatleistung. Rund 400 Euro kostet der Test, Patientinnen und Patienten müssen das im Regelfall aus der eigenen Tasche bezahlen. Dazu kommt bei Bedarf eine Jahresgebühr, um die Plattform länger nutzen zu können. In Zukunft, so hofft der Firmengründer, soll seine Leistung von den Krankenkassen übernommen werden.

Als primäre Zielgruppe sieht Wöhrer ältere Menschen, die dauerhaft Medikamente nehmen müssen. Doch auch für Jüngere könne das – ähnlich wie die Kenntnis der eigenen Blutgruppe – sinnvoll sein, um etwa für einen Unfall vorzusorgen. Als „Zukunftsvision“ bezeichnet der Firmengründer ein Szenario, in dem bei Neugeborenen automatisch ein solcher Test gemacht wird. „Die genetischen Daten ändern sich nicht. Sie sind dann hinterlegt und immer wenn ich irgendwann im Laufe meines Lebens ein Medikament brauche, kann ich das eingeben und schauen, ob das zu mir passt.“ Das wäre auch die Vorbedingung für die Berechnungen des Unternehmens vom Anfang.

Auch die Wahrscheinlichkeit von Impfstoff-Nebenwirkungen könne man grundsätzlich mit der Methode vorhersagen. Für die neuen Covid-19-Impfstoffe ist das momentan allerdings noch nicht möglich, sagt Wöhrer. Sobald zusätzliche Studien fertig sind, sollen auch diese Daten in die Plattform eingespeist werden.