Rupert Strasser
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Coronavirus

Mediziner: „Müssen vorausschauend planen“

Während die Kapazitäten an Intensivbetten in Wien bereits fast ausgeschöpft sind, ist die Lage in Niederösterreich noch nicht ganz so dramatisch. Allerdings befinden sich viele Patienten immer länger auf den Intensivstationen, wie Mediziner Rupert Strasser berichtet.

Die Zahl der Coronavirus-Infektionen steigt auch in Niederösterreich weiter an. Von Dienstag auf Mittwoch wurden in Niederösterreich 687 Neuinfektionen verzeichnet. Insgesamt gab es 8.597 Infizierte. Davon mussten 428 im Spital behandelt werden, 85 sogar auf Intensivstationen. Vor allem die britische Mutation stelle derzeit eine große Herausforderung dar, sagte Rupert Strasser, ärztlicher Direktor des Landesklinikums Melk, in „NÖ heute“. Damit auch weiterhin genügend Intensivbetten vorhanden sein werden, brauche es eine vorausschauende Planung in den Krankenhäusern.

noe.ORF.at: Aufgrund des Anstiegs der COVID-19-Patienten gibt es im Osten Österreichs nun verschärfte Maßnahmen. Wie dramatisch ist die Lage auf den Intensivstationen tatsächlich?

Rupert Strasser: Wir haben in Niederösterreich zur Zeit 333 Intensivbetten zur Verfügung. Von diesen sind an die 90 mit COVID-Patienten belegt, weitere 170 durch andere Intensivpatienten. Wir haben noch etwa 70 Betten frei und müssen sehr aufpassen, dass wir in der nächsten Zeit mit diesem ‚Polster‘ gut auskommen.

noe.ORF.at: Befürchtet man jetzt konkret einen exponentiellen Anstieg durch die britische Mutante?

Strasser: Die britische Mutante bereitet uns wirklich viele Sorgen. Sie ist einerseits infektiöser, die Ausbreitung in der Bevölkerung geht also schneller. Und wir haben in der jüngeren Vergangenheit festgestellt, dass sie aggressiver ist und auch jüngere Menschen betrifft. Die Patienten, die wir derzeit auf den Intensivstationen behandeln, sind deutlich jünger, als die Patienten, die wir in der zweiten oder dritten Welle gehabt haben.

noe.ORF.at: Müssen diese Patienten auch länger auf den Intensivstationen behandelt werden als Patienten zuvor?

Strasser: Ja, die jüngeren Patienten liegen auch länger auf den Intensivstationen. Das schafft ein weiteres Problem, weil es dadurch auf den Intensivstationen zu einer Kumulation kommt. Das heißt: Wir kriegen die Plätze einfach nicht frei. Deswegen müssen wir vorausschauend planen.

noe.ORF.at: Wie sieht es mit den regionalen Unterschieden in Niederösterreich aus? Wir haben ja mehrere Hochinzidenzgebiete, etwa Wiener Neustadt, Wr. Neustadt Land und Neunkirchen. Spiegelt sich das auch bei den Intensivpatienten wieder?

Strasser: Wir haben natürlich unterschiedliche Verteilungen, die meisten COVID-Patienten sind im Bereich der Thermenregion, im Süden Niederösterreichs. Im Westen, im Mostviertel, sind es noch deutlich weniger. Natürlich ist auch die Anzahl der Patienten auf den Intensivstationen in den stärker betroffenen Regionen entsprechend höher.

Intensivmediziner Strasser zur aktuellen Situation

Über die aktuelle Situation auf den Intensivstationen spricht Rupert Strasser, Leiter des Landesklinikums Melk. Er erzählt von den Entwicklungen der vergangenen Tage und Wochen.

noe.ORF.at: In den Wiener Spitälern ist die Situation derzeit recht dramatisch, dort werden etwa nicht lebensnotwendige Operationen verschoben und die Intensivkapazitäten müssen aufgestockt werden. Bei welcher Zahl an Intensivpatienten wäre das bei uns der Fall?

Strasser: Es sind 70 Intensivbetten frei, die sind natürlich regional unterschiedlich verteilt. Aus den Erfahrungen der letzten Wellen haben wir natürlich Mechanismen, die wir in Kraft treten lassen, damit es zu einem Ausgleich in den einzelnen Kliniken in den Regionen kommt. Wenn ein Haus voll ist, versucht man die mit freien Betten versehenen Häuser verstärkt anzusteuern. Wenn eine Region voll ist, gibt es ein Koordinationssystem in Niederösterreich, sodass zwischen den Regionen die Intensivpatienten transportiert und verlegt werden können, sodass wir eine homogene Ausnützung der freien Kapazitäten in NÖ entsprechend ausnützen können. Hier haben wir noch einen guten Polster und wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen können, wenn die Maßnahmen auch von der Bevölkerung mitgetragen und eingehalten werden.

Wird Niederösterreich möglicherweise auch Intensivpatienten aus Wien übernehmen, um die Spitäler dort zu entlasten?

Strasser: Zurzeit haben wir Pläne, die Verteilung innerhalb Niederösterreichs durchzuführen. Wenn Wiens Betten voll sind, kann ich mir vorstellen, dass es auch zwischen Wien und Niederösterreich eine Verteilungsmöglichkeit geben kann.