Ob Frösche, Kröten oder Salamander: In Niederösterreich leben 20 verschiedene Amphibienarten. Jede einzelne von ihnen ist vom Aussterben bedroht – ganz besonders die Kreuzkröte, der Nördliche Kammmolch und der Alpenkammmolch. Das geht aus der Roten Liste gefährdeter Tierarten des Umweltbundesamtes hervor.
Die drei Hauptgründe für den drastischen Rückgang der Bestände sind in den Entwicklungen der vergangenen 60 Jahre zu finden. Laut Auskunft des Naturschutzbundes Niederösterreich wurden zum einen Gewässer reguliert bzw. begradigt oder trockengelegt, um beispielsweise landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu gewinnen. Zum zweiten habe die immer exzessivere Landwirtschaft sowie der gestiegene Einsatz von Pestiziden den heimischen Amphibien „massiv zugesetzt“, erklärt Margit Gross, die Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Niederösterreich.
Lebensräume durch Straßen „zerschnitten“
„Das liegt an der sehr dünnen Haut von Amphibien. Wenn sie in direkten Kontakt mit Pestiziden kommen, werden sie förmlich verätzt. Zudem schaden Phosphor und Nitrat den Kaulquappen.“ Und drittens hätte sowohl der Verkehr massiv zugenommen als auch der Ausbau des Straßennetzes die seit Jahrtausenden bestehenden Lebensräume der Tiere „zerschnitten“, so Gross. In Summe führte das dazu, dass jährlich mehr Amphibien sterben als Jungtiere nachkommen.
290 bekannte Wanderstrecken in Niederösterreich
Amphibien pflanzen sich im Frühjahr fort. Kaum sind sie aus ihrer Winterstarre erwacht, machen sich die erwachsenen Tiere auf den Weg zu den Laichgewässern – bevorzugt zu jenen, in denen sie selbst als Kaulquappen geschlüpft sind. Je unberührter ihr Lebensraum, desto sicherer der Erfolg. Auf den meisten Amphibienwanderstrecken befinden sich mittlerweile jedoch stark befahrene Straßen, die sich im Frühling vielerorts zu wahren Krötenfriedhöfen verwandeln.
Aus diesem Grund bildeten sich in den vergangenen Jahren in vielen Gemeinden Initiativen, die dem Amphibiensterben während der Wochen ihrer Wanderungen vorbeugen wollen. Beim Naturschutzbund, bei dem man vor etwa zehn Jahren begann, sämtliche bekannte Routen und Projekte zu registrieren und zu vernetzen, kennt man 290 Wanderstrecken. Etwas mehr als Hälfte davon wird mittlerweile geschützt.
Frösche klauben entlang mobiler Schutzzäune
Besonders häufig findet man mobile Schutzzäune, die zu Beginn der Wanderungen entlang von Straßen aufgestellt werden, damit Kröten, Frösche und Co. nicht queren können. Dieses Modell lebt von hunderten engagierten Freiwilligen. In regelmäßigen Abständen sind entlang der Zäune Kübel in den Boden eingegraben, in die die Tiere auf der Suche nach Schlupflöchern hineinfallen. „Die Freiwilligen gehen die teils kilometerlangen Strecken über mehrere Wochen jeden Tag in der Früh ab, um die Tiere einzusammeln und über die Straße zu bringen – oft sogar noch einmal am Abend. Der Aufwand für sie ist wirklich enorm“, so Margit Gross vom Naturschutzbund.
Einer, der sich seit mehr als 30 Jahren im Amphibienschutz engagiert und sich in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) einen regelrechten Namen als „Froschkönig“ gemacht hat, ist Herbert Degen. Auf diesen Titel sei er stolz, erzählt er lachend. Wie vielen Tieren er mittlerweile über die Sitzenberger Straßen geholfen hat, könne er nicht beantworten, „aber mit mir alleine geht es auch nicht. Ich bin sehr dankbar, dass sich Jahr für Jahr auch immer andere Menschen gefunden haben, die ebenfalls Strecken übernehmen“, erzählt er gegenüber noe.ORF.at. Außerdem werde das Projekt durch die Straßenmeisterei „vorbildlich“ unterstützt. „Ein Anruf Anfang März reicht und kurz danach sieht man die Mitarbeiter schon die Zäune für uns aufstellen.“
Seine Motivation, um Jahr für Jahr bei jedem Wetter tagtäglich Kröten, Frösche, Molche und Salamander zu retten, findet Herbert Degen nicht nur in seinen Tierschutzbestrebungen. Er schätzt auch die Aktivität in der Natur, erzählt er. „Um meine Fitness brauche ich mir während der Krötenwanderungen keine Gedanken zu machen. Mein Handy zeigt mir nach meiner Morgenrunde schon zwischen 7.000 und 10.000 Schritte an. Außerdem weiß ich dabei: Würden wir das nicht machen, wären viele Arten mittlerweile vermutlich schon ausgestorben.“
Auch Degen beobachtete in den vergangenen Jahren, dass die Fundtiere immer weniger wurden. Nichtsdestotrotz können an Tagen mit für Amphibien optimalen Wetterbedingungen hunderte Tiere zusammenkommen, erzählt der Streckenbetreuer. „Wenn es warm ist und nachts regnet, finden wir bummvolle Kübel. Ich schätze, dass wir an einzelnen Tagen bis zu 1.000 Tiere über die Straße tragen.“
„Amphibienschutz im Straßenbau verpflichtend mitdenken“
In Anbetracht der massiv bedrohten Amphibienbestände plädiert nicht nur der langjährige Streckenbetreuer dafür, Amphibienschutz im Straßenbau zu verankern. Auch beim Naturschutzbund sieht man sowohl auf Gemeinde- als auch auf Landesebene noch „großes Ausbaupotenzial“ von fix installierten Schutzvorrichtungen – also Tunnels bzw. Unterführungen, in denen Kröten Straßen auf dem Weg von ihren Landlebensräumen zu ihren Laichgewässern unterirdisch queren können – also beispielsweise durch Rohre.
„In Sitzenberg-Reidling haben wir bereits drei Tunnel. Das Rohr führt direkt zur Wasserseite der Straße. Mein Wunsch wäre, dass Amphibienschutz aber bei jeder neuen Straße und bei jeder neuen Asphaltierung mitgedacht wird. Wenn man sich ansieht, was ein Kilometer Straße kostet, können die Kosten für Querrohre keine Unmöglichkeit sein“, ist Herbert Degen überzeugt. Margit Gross vom Naturschutzbund urteilt ähnlich, „weil sich die Bestände erst dann erholen können, wenn jährlich nicht nur hunderte Freiwillige Kröten über die Straße tragen, sondern Amphibienschutz auch an höherer Stelle weiter an Stellenwert gewinnt“.