Arnulf Rainer, zeichnung „Die Brillenfrau“
Lukas Beck
Lukas Beck
Kultur

Landesgalerie bricht auf „zu Neuem“

Mit der Ausstellung „auf zu Neuem“ präsentiert die Landesgalerie in Krems an der Donau drei wichtige Zeiteinschnitte der österreichischen Kunstgeschichte. Zusammengestellt wurde die Schau fast nur aus Beständen privater Sammler.

In Zehnerschritten werden drei Jahrzehnte in den Fokus gerückt, die das Kunstschaffen des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt, die mit Neuerungen der Kunst auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert und wesentliche Voraussetzungen für unsere Gegenwart geschaffen haben: die Schiele-Epoche von 1908 bis 1918, der Aufbruch nach dem 2. Weltkrieg sowie der Stilpluralismus der 1990er-Jahre.

Etwa 150 Werke von rund 40 Künstlerinnen und Künstler aus knapp 20 wichtigen Privatsammlungen – wie etwa der Privatsammlung Rudolf Leopold sowie der Kollektionen Angerlehner, Liaunig, Hainz, Zambo oder Infeld – stehen im Zentrum der Ausstellung. So kann dem Besucher zum ersten Mal eine Gegenüberstellung der Skizzen zu Schieles berühmten letzten Landschaften wie der „zerfallenden Mühle“ und der Landschaft am Bach gezeigt werden.

Der Kennerblick der Sammler und Sammlerinnen

Die Auswahl der Werke lässt auch Rückschlüsse auf die Sammlerinnen und Sammler zu. Sie kauften aus individuellem Blickwinkel heraus und eröffnen heute für Gestaltung der Ausstellung einen frischen Blick auf die Kunstgeschichte, erklärte dazu Christian Bauer, der künstlerische Direktor der Landesgalerie und einer der Kuratoren der Ausstellung.

Egon Schiele Rückenakt
Landesgalerie NÖ
Egon Schiele, „Rückenakt“

Gerade der Filmemacher Fritz Lang, der mit den Filmen „Metropolis“ und „M“ Meilensteine der Filmgeschichte schuf, besaß, so Bauer, eine hervorragende Schiele-Sammlung. Lang hatte selbst an der Akademie der bildenden Künste in Wien Malerei studiert und so wohl auch den richtigen Kennerblick entwickelt und auch die Modernität und Bedeutung seines Jahrtgangskollegen Schieles früh erkannt.

„Auch die Geschichte der Landessammlungen Niederösterreich ist eng mit wichtigen Privatkollektionen verbunden, die in ihren Bestand übergegangen sind. Ein herausragendes Beispiel unserer Ausstellung stellt die ‚Zerfallende Mühle‘ dar, die Egon Schiele als seine beste Landschaft gesehen hat. Dieses zentrale Hauptwerk der Landessammlungen befand sich einstmals in der Kollektion des legendären Filmemachers Fritz Lang", führte Bauer weiter aus.

Der Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Kunstszene verfügt ab 1947 mit dem Art Club über ein Forum neuartiger und unüblicher Bestrebungen. Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus ist darin als Gruppe um Albert Paris Gütersloh mit Arik Brauer, Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden anfangs tonangebend. Der Surrealismus wird intensiv diskutiert, mit ihm beginnt der künstlerische Neuanfang der jungen Generation.

Gemälde Arik Brauer Rattenkönig
Landesgalerie NÖ
Arik Brauer, „Der Rattenkönig“; dieses Werk hat der Künstler kurz vor seinem Tod für die Ausstellung ausgewählt

Auch Arnulf Rainer und Maria Lassnig wurzeln darin. Während der legendären Paris-Reise von Lassnig und Rainer 1951, die deren Abkehr vom Surrealismus bedeutet, entdeckt das Künstlerpaar neueste Beispiele europäischer und amerikanischer Abstraktion.

Die bunte und visionäre Stilvielfalt der 1990er-Jahre

Die 1990er-Jahre als drittes Jahrzehnt in der Ausstellung bringen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ein neues, vereintes Europa. In der Kunst scheint alles möglich zu sein. Genres und Richtungen existieren nebeneinander, Gattungen häufen sich und werden durchlässig, Hierarchien zwischen Hoch- und Populärkultur lösen sich auf.

Muntean/ Rosenblum: „Ohne Titel“
Landesgalerie NÖ
Muntean / Rosenblum, „Ohne Titel“

„Auf zu Neuem“

  • Drei Jahrzehnte von Schiele bis Schlegel aus Privatbesitz
  • Sonderausstellung im Untergeschoß der Landesgalerie Niederösterreich
  • Dauer: 27.03.2021 – 06.02.2022

Künstlerinnen und Künstler experimentieren mit neuen Formen der Skulptur, mit Licht, Fotografie oder Video und hinterfragen mit computergenerierten Bildsystemen Autorenschaft und künstlerische Handschrift. Die 1990er-Jahre sind auch die Zeit kurz vor dem Durchbruch des Internets.

Günther Oberhollenzer, der für den dritten Abschnitt verantwortlich zeichnet, betonte gegenüber noe.ORF.at: „Es scheint, als ob manche Kunstschaffende mit der Auseinandersetzung über ihre Sexualität und Körperlichkeit die Genderfragen von heute vorweggenommen haben." Das Werk von Dorothee Golz, das sie in den 1990er-Jahren auch auf der Dokumenta gezeigt hatte, wirkt heute wie eine Reflexion über das heute allgegenwärtige Home-Office". In den Posen, die das Künstlerduo Muntean/Rosenblum auf die Leinwand warf, kann man Selfie-Attitüden von heute erkennen.