Zecke auf einem Blatt
APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Chronik

Auch heuer Rekordzeckenjahr erwartet

Mit österreichweit 215 FSME-Erkrankungen hat es im Vorjahr ein Rekordhoch gegeben. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Menschen die Freizeit verstärkt in der Natur verbringen. Auch für heuer wird ein Rekordzeckenjahr erwartet.

Seit Längerem gilt Süddeutschland als Modellregion und damit als guter Indikator für Österreich, was das Auftreten von Zecken betrifft. „Zeckenjahre sind in ganz Mitteleuropa synchronisiert. Wenn in Süddeutschland ein Zeckenjahr ist, dann gilt das auch für Österreich“, erklärt Franz Rubel vom Wiener Institut für Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „Ich erwarte das zweithöchste FSME-Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2001“, so Rubel.

Das Prognosemodell wurde mit Zeckenbeobachtungen aus Süddeutschland der Periode 2009 bis 2020 entwickelt. Auch biologische Parameter wie etwa die Zahl der Bucheckern und Eicheln, die Durchschnittstemperatur und die aktuelle Wintertemperatur spielen eine Rolle. „Speziell nach den als ‚Mastjahre‘ bezeichneten Jahren mit mehr Bucheckern gibt es auch mehr Wild- und Nagetiere“, erläutert Rubel. Diese seien wiederum Wirte für „Blutmahlzeiten“ der Zecken. Zwei Jahre nach einem Mastjahr steigt dann die Zahl der Zecken an. 2019 sei kein Mastjahr gewesen, daher würden 2021 auch nur leicht überdurchschnittliche Zeckenzahlen erwartet.

Nach Angaben von Gerhard Dobler, dem Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME in Stuttgart (Deutschland), entwickelte sich die FSME-Verbreitung im vergangenen Jahr regional in Europa unterschiedlich. In Österreich, der Schweiz und Tschechien habe es extrem hohe Fallzahlen und teils Rekorde gegeben, während in Skandinavien oder im Baltikum die Zahlen stabil geblieben oder gesunken seien.

Jede neunte FSME-Infektion in Niederösterreich

215 FSME-Fälle in Österreich im Jahr 2020 sind eine deutliche Steigerung zum Jahr 2019, in dem 108 Infektionen verzeichnet wurden. 2020 waren die Erkrankungsfälle damit auf einem Niveau, das es zuletzt 1987 gab. Ähnlich war die Lage auch in den österreichischen Nachbarländern. Die Ursachen dürften klimatische Bedingungen und sicher auch das durch die Coronavirus-Pandemie veränderte Freizeitverhalten inklusive vermehrten Urlaubs in Österreich gewesen sein.

FSME-Infektionen

2020: 215 Fälle in Österreich
2019: 108
2018: 154
2017: 116
2016: 89
2015: 64

„Allerdings muss man einschränkend sagen, dass es jedes Jahr zu Schwankungen bei den FSME-Fallzahlen kommt“, so Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer. Der Grund seien „sozioökonomische, klimatische oder vom Menschen gemachte Umweltveränderungen, die die Viruszirkulation oder die Reproduktion von Zecken beeinflussen oder auch dazu führen, dass das Expositionsrisiko steigt.“

Eine Zecke auf der Haut eines Menschen
APA/dpa/Patrick Pleul

Hotspot für die FSME, zu deren Verhütung es seit etwa 30 Jahren jedes Jahr eine Impfaktion gibt, war 2020 Tirol mit 51 Fällen. Dann folgte schon Oberösterreich (50), danach die Bundesländer Steiermark (32), Salzburg (28), Niederösterreich (23) und Kärnten (15). In Vorarlberg wurden neun FSME-Erkrankungen registriert, in Wien drei, und im Burgenland gab es 2020 keinen einzigen FSME-Fall. „Es gab drei Personen, bei denen die Krankheit tödlich ausgegangen ist“, so Schmitzberger.

Bei 105 Patienten (49 Prozent) wurde in Österreich im Vorjahr eine schwere Erkrankung festgestellt, bei dem das Zentralnervensystem stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. 20 Patienten wiesen eine besonders schwere Verlaufsform – eine akute Entzündung des Gehirns oder der Nerven des Rückenmarks – auf. 90 Prozent von ihnen waren älter als 50 Jahre.

Zwei Drittel der Infizierten erkranken

Im Falle einer Infektion mit dem FSME-Erreger nach einem Zeckenstich stellen sich relativ häufig schwere Krankheitssymptome ein. Bettina Pfausler, Neurologin an der Universitätsklinik Innsbruck: „30 Prozent der Infizierten haben keine Symptome. Bei etwa zwei Dritteln kommt es zu einer Erkrankung, davon bei der Hälfte zu neurologischen Symptomen. Davon wiederum erkrankt die Hälfte an einer Meningitis (Gehirnhautentzündung, Anm.) mit unter anderem Kopfschmerzen, hohem Fieber und Übelkeit. Bei 40 Prozent verläuft die Erkrankung dramatisch mit einer Enzephalitis (Gehirnentzündung, Anm.).“ Besonders schwer ist eine Beteiligung des Rückenmarks und des Stammhirns, was bei den Symptomen an die Kinderlähmung erinnert. Ein erheblicher Anteil der Betroffenen trägt bleibende Schäden davon.

Der einzige Schutz sei und bleibe die Impfung, so der Reise- und Tropenmediziner Herwig Kollaritsch von der MedUni Wien: „Das Thema eines ‚Herdenschutzes‘ ist bei der FSME nicht erreichbar. Nur wer geimpft ist, hat einen Schutz.“ Die Wirksamkeit der FSME-Impfung sei enorm hoch. „Wir wissen, dass bei einer ordnungsgemäßen Durchimpfung die Häufigkeit von ‚Impfdurchbrüchen‘ (Erkrankung trotz Immunisierung, Anm.) bei weniger als einem Prozent liegt.“

CoV- und FSME-Impfung: 14 Tage Abstand empfohlen

Die Immunisierung sei demnach gerade in den Zeiten der Coronavirus-Pandemie dringend anzuraten. „Die beiden Impfungen gegen FSME und gegen Covid-19 kommen sich nicht ‚in die Haare‘“, erklärt Kollaritsch. Empfohlen wird bei den beiden Impfungen ein Abstand von 14 Tagen, aber nicht wegen möglicher Wechselwirkungen, sondern nur, um im Zweifelsfall Impfreaktionen auf eine der beiden Vakzine unterscheiden zu können.

Die Grundimmunisierung besteht aus drei Teilimpfungen (zwei davon im ersten Jahr im Abstand von ein bis drei Monaten, die dritte etwa ein Jahr nach der zweiten Teilimpfung). Für Personen über 60 Jahre gilt dann ein kürzeres Auffrischungsintervall von drei Jahren, darunter beträgt es fünf Jahre. Dann reicht jeweils eine weitere Vakzine-Dosis. Das gilt auch für Personen, die bei der Auffrischung über dem empfohlenen Intervall liegen. Die diesjährige FSME-Impfaktion läuft noch bis 31. August.