Hugo Portisch 2019
APA/Helmut Fohringer
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Medien

Journalistenlegende Hugo Portisch ist tot

Die ORF-Legende Hugo Portisch ist tot. Der Journalist, der Vermittler österreichischer Zeitgeschichte schlechthin, ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Seine erste journalistische Station war St. Pölten, jene Stadt, aus der seine Familie stammte.

Nach Angaben seines langjährigen Journalistenkollegen Heinz Nußbaumer ist Portisch am Donnerstagmittag in einem Krankenhaus „nach kurzer Krankheit sanft eingeschlafen“. Der breiten Öffentlichkeit wurde Portisch als Chef-Kommentator des ORF-Fernsehens bekannt. Wie kein Zweiter beherrschte er die Kunst, komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären und Wissen mit hoher Kompetenz, aber ohne erhobenen Zeigefinger zu vermitteln. Die ausladende Gestik, mit der er stets seine Analysen unterstrich, wurde zum Markenzeichen. Zwei Generationen lernten von Portisch, Zeitgeschichte zu verstehen und Ereignisse rund um den Globus zu bewerten.

Meilensteine „Österreich II“ und „Österreich I“

Unumgänglich sind in dem Zusammenhang seine Fernsehserien „Österreich II“ und „Österreich I“, mit denen der Journalist zur Inkarnation eines kollektiven österreichischen Geschichtsbewusstseins wurde. 2013 wurde auf ORF III die Neuauflage von „Österreich II“, technisch und inhaltlich aktualisiert, ausgestrahlt. Im Jahr 2005 lieferte Portisch mit der vierteiligen Reihe „Die Zweite Republik – Eine unglaubliche Geschichte“ ein „spätes Meisterstück öffentlich-rechtlicher TV-Kultur“, so der ORF damals. Unvergessen sind auch – vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren, als Berichte aus fernen Ländern noch selten waren – seine außenpolitischen Reihen „So sah ich …“, die ihn von Afrika nach Vietnam, von London bis Peking führten.

Hugo Portisch 2019
APA/Herbert Pfarrhofer
Hugo Portisch (1927-2021) wuchs in Pressburg auf, sein Vater stammte aus St. Pöllten-Oberwagram. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte der junge Journalist kurz im Haus der Familie und war für den St. Pöltner Presseverein tätig.

Der am 19. Februar 1927 in Preßburg geborene Hugo Portisch studierte in Rekordzeit Geschichte, Germanistik, Anglistik und Publizistik. Bereits 1948 begann er als Redaktionsaspirant der „Wiener Tageszeitung“, zwei Jahre später wurde er Leiter der Außenpolitik. Nach einer Zwischenstation als Leiter des Österreichischen Informationsdienstes in New York begleitete Portisch in einem kurzen, aber historisch bedeutsamen Zeitraum Bundeskanzler Julius Raab als Pressesprecher bei Staatsbesuchen in den USA.

1955 holte ihn Hans Dichand, damals Chefredakteur, als Stellvertreter in den neugegründeten „Kurier“. Nach Dichands Abgang aus der damals größten Tageszeitung wurde Portisch 1958 Chefredakteur. Portisch war maßgeblicher Proponent des erfolgreichen Rundfunkvolksbegehrens, das in die Rundfunkreform unter Generalintendant Gerd Bacher mündete.

Als Chefkommentator eines der ORF-Aushängeschilder

1967 wechselte er als Chefkommentator in den ORF – und wurde eines der Aushängeschilder der Bacher’schen Informationsoffensive. Für seine Arbeit wurde Portisch u.a. mit dem Karl-Renner-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, der Goldenen Kamera und dem Fernsehpreis „Romy“ ausgezeichnet. Unter seinen zahlreichen Büchern befindet sich auch durchaus unpolitisches: 1989 verfasste er zusammen mit seiner Frau Gertraude den Band „Pilzesuchen – ein Vergnügen“.

Hugo Portisch 1960er Jahre
APA/ORF
Unvergessen sind Hugo Portischs Analysen im ORF-Fernsehen zur Weltpolitik

Seine Autobiografie „Aufregend war es immer“ wurde zu seinem 90. Geburtstag ergänzt und neu aufgelegt Damals legte er auch mit „Leben mit Trump – ein Weckruf“ eine damals hochaktuelle Betrachtung des Umbruchs in den USA und dessen internationale Folgen vor. 2018 wurde er zum Wiener Ehrenbürger ernannt, im Herbst 2019 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen der Republik. „Hugo Portisch und sein Werk sind Teil der österreichischen DNA“, formulierte damals Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), „er hat das Geschichtsbewusstsein einer ganzen Nation geprägt!“

Wrabetz: „Einer der bedeutendsten Journalisten seit 1945“

„Der ORF verliert einen seiner klügsten Journalisten, Analytiker des Weltgeschehens und einen der vehementesten Proponenten für einen reformierten Rundfunk, ohne den die Institutionalisierung des unabhängigen Journalismus als wichtige demokratiepolitische Kontrollinstanz jahrelang Chimäre geblieben wäre“, so der ORF in einer Aussendung am Donnerstag.

„Hugo Portisch war einer der bedeutendsten Journalisten in der Geschichte der Zweiten Republik und eine der prägendsten und wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des ORF. Für Millionen Österreicherinnen und Österreicher war er über Jahrzehnte der beste Vermittler von internationalen und historischen Zusammenhängen. Mit den großen Dokumentationsreihen ‚Österreich I & Österreich II‘ setzte er Maßstäbe für die Aufarbeitung der österreichischen Zeitgeschichte", sagte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Hugo Portisch
ORF/Ali Schafler
„Hugo Portisch war eine der prägendsten und wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des ORF“, so ORF-Generaldirektor Wrabetz über den am Donnerstag Verstorbenen

In den letzten Jahren überarbeitete Portisch „Österreich I & II“ für ORF III und aktualisierte sie im Lichte der neuesten historischen Erkenntnisse. Bis zuletzt arbeitete er an einer Dokumentation über sein aktuelles Buch „Russland und wir: Eine Beziehung mit Geschichte und Zukunft“. Als „Vater“ des ORF-Volksbegehrens schuf Hugo Portisch die bis heute gültigen Grundlagen eines journalistisch unabhängigen ORF und war durch seine Haltung und sein journalistisches Wirken Vorbild für viele Journalistengenerationen. „Diese großen Verdienste machen Hugo Portisch unvergessen“, so Wrabetz.

Mikl-Leitner: „Er hat unser Geschichtsbewusstsein geprägt“

„Hugo Portisch war einer der wichtigsten und prägendsten Journalisten Österreichs und vor allem eine große Persönlichkeit, die für viele Generationen ein Vorbild ist und bleibt“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zum Ableben von Hugo Portisch.

Sein bewegtes Leben habe ihn immer wieder auch nach Niederösterreich geführt. Portisch sei schon zu Lebzeiten eine Legende und eine Institution gewesen. „Er war viel mehr als ,nur‘ Journalist, er war Chronist, Kommentator und Welterklärer“, so Mikl-Leitner. „In seiner für ihn typischen, einzigartigen Art und Weise hat er es geschafft, komplexe Zusammenhänge so zu erklären, dass wir sie verstehen und einordnen konnten. Das hat ihn für viele Generationen zum unverzichtbaren Begleiter und hoch kompetenten Erklärer gemacht. Er hat damit unser Geschichtsbewusstsein und unser Weltbild geprägt“, so die Landeshauptfrau.

ORF-Sendungen in memoriam Hugo Portisch

Der ORF ändert sein Programm und bringt am Donnerstag um 21.05 Uhr auf ORF2 ein „Menschen & Mächte – Lebensnotizen“ über Portisch, gefolgt von „In memoriam Hugo Portisch … eine Gesprächsrunde“ um 22.40, ebenfalls auf ORF2. Am Freitag wird um 22.55 Uhr die „Die Zweite Republik (4)“ gezeigt, am Samstag ein Gespräch von Barbara Stöckl mit Portisch und dem Liedermacher Wolf Biermann.

ORFIII widmet den Donnerstagabend ab 20.05 Uhr komplett Hugo Portisch, unter anderem ab 20.15 Uhr mit einer 90-minütige Livesondersendung und der dreiteiligen Serie „Aufregend war es immer“. Um 18.30 Uhr gibt es auch ein „Kultur Heute Spezial“ über den großen österreichischen Journalisten.

Das ORF-Landesstudio Niederösterreich bringt am Donnerstag ab 20.00 Uhr ein „Radio Niederösterreich-Spezial“ mit einem ausführlichen Rückblick auf das Leben und Wirken Hugo Portischs.