Sonnentor-Chef Johannes Gutmann
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„Ganz persönlich“

Gutmann: „Krisen bringen uns weiter“

Jahrzehnte vor dem Bio-Boom hat Johannes Gutmann begonnen, mit Kräutern zu handeln. Damals wurde er noch als „Spinner“ bezeichnet, heute beschäftigt „Sonnentor“ allein in Sprögnitz (Bezirk Zwettl) mehr als 300 Mitarbeiter, dazu kommen 32 Filialen.

Die rote Brille ist sein Markenzeichen: Johannes Gutmann hatte den Tee- und Gewürzspezialisten Sonnentor 1988 gegründet. Heute führt das Unternehmen mehr als 900 Produkte in seinem Sortiment und machte 2019/20 einen Umsatz von 52 Millionen Euro.

Neben den 32 Sonnentor-Filialen werden die Tees und Kräuter auch im Fachhandel und in einem eigenen Online-Shop verkauft. Sonnentor exportiert in 56 Länder weltweit, neben Deutschland, der Schweiz, Italien und Frankreich etwa auch nach Russland, Japan und Indien.

Das Erfolgsgeheimnis sieht Gutmann, der als fünftes Kind einer Bauerngroßfamilie aufgewachsen war, in der Authentizität seines Unternehmens. „Wir machen nichts anders als die anderen, nur nehmen wir den Kreislaufgedanken ernst“, sagt er im Interview mit ORF-NÖ-Reporter Robert Friess.

noe.ORF.at: Vielen Wirtschaftszweigen geht es in der Pandemie schlecht. Hier bei Ihnen in Sprögnitz wird ausgebaut, es entsteht ein neues Kräuterlager. Was machen Sie anders?

Johannes Gutmann: Seit ich mich selbständig gemacht habe, habe ich darüber nachgedacht, was ich denn anders mache. Ich habe begonnen, Ideen umzusetzen, wie man mit Menschen arbeitet, wie man sie emotionell ansprechen und auch langfristig binden kann. Das ist eigentlich unser Erfolgsgeheimnis. Wir machen nichts anders als die anderen, nur wir nehmen es ernst. Wir arbeiten bio, wir arbeiten im Kreislaufgedanken. Wir arbeiten so, wie wir es auch gerne hätten und in dieser Authentizität ist das alles gewachsen. Wir haben in der Pandemie den Ausbau vorgezogen und sind eigentlich sehr froh über diesen Schritt.

noe.ORF.at: Worauf führen Sie den Erfolg gerade auch in der Pandemie zurück? Ist es eine neue Häuslichkeit, ein Experimentieren, wie in Ihrem Fall, mit Kräutern?

Gutmann: Ganz klar, die Leute sind mehr zuhause und wer zuhause ist, der versorgt sich auch viel mehr selbst. Es ist ja alles zu. Durch die Selbstversorgung wird auch mehr gekocht, es wird mehr konsumiert. Die Menschen schauen jetzt wieder, wo kommt es her. Diese Korrekturen sind wichtig, denn Krisen bringen uns weiter. Jeder, der das jetzt nicht umsetzt, hat das Nächste schon wieder versäumt.

Sonnentor in Sprögnitz
Markus Haffert/Sonnentor
„Sonnentor“ beschäftigt alleine in Sprögnitz mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

noe.ORF.at: Sie haben 1988 als Einzelunternehmer begonnen. Wie ist es Ihnen damals ergangen?

Gutmann: Wie es einem Jungunternehmer ergeht, den man nicht ernst nimmt. Ich habe gewusst, es macht mir Spaß. Ich habe die ersten Teekräuter durch Kooperationspartner kennengelernt. Wir sind damals am Bauernmarkt gestanden, weil es keine Vermarktungsstrukturen gab, und ich habe gewusst, diese Strukturen kannst du dir selber aufbauen. Die Bauern sind dann von selbst gekommen, die Flächen sind immer größer geworden. Sie machen das mit Begeisterung und jede Begeisterung bringt Erfolg.

noe.ORF.at: Ihr Wirtschaftsmodell ist das der Gemeinwohl-Ökonomie. Was steckt dahinter?

Gutmann: Das ist weder was Neokommunistisches, noch was Esoterisches, sondern die Gemeinwohlgeschichte ist nichts anderes als die messbare Nachhaltigkeit. Der Succus ist die Kooperation als das Stärkende und nicht die Konkurrenz. In Krisenzeiten wie dieser Pandemie hat auch die Gemeinwohl-Ökonomie einen großen Zuspruch bekommen. Wir sind genau so ein marktwirtschaftliches Unternehmen.

Sonnentor-Chef Johannes Gutmann in „Ganz Persönlich“ mit Robert Friess (l.)
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Vor 33 Jahren gründete Johannes Gutmann (r.) „Sonnentor“. Die rote Brille ist sein Markenzeichen.

noe.ORF.at: Dennoch gibt es Kritik an dem System, etwa es schränke Eigentumsrechte, Freiheitsrechte ein und sei gegen die Marktwirtschaft. Der Unternehmer Mirko Kovats hat Sie als „weltfremd“ bezeichnet.

Gutmann: Solche Kritik nehme ich sehr gerne an, weil ich genau weiß, wer so agiert hat Angst. Wer vor solchen Dingen Angst hat, lehnt es einmal ab. Ich würde jedem Kritiker empfehlen, schaut euch das einmal an in Betrieben. Und dann urteilt darüber – ich kann nur sagen, es funktioniert.

noe.ORF.at: Sie kommen aus einer Bauerngroßfamilie, wenige Kilometer von Sprögnitz entfernt. Sie waren das fünfte Kind. Hat es nie Ambitionen gegeben, den Bauernhof zu übernehmen?

Gutmann: Aber natürlich, bei uns im Dorf war es sogar Tradition, der Jüngste kriegt den Hof, und mein Vater hat mich auch gefragt. Ich habe darauf gesagt, du hast mich in die Handelsakademie geschickt. Ich bin kurz vor der Matura und jetzt fragst du mich, ob ich den Hof haben will. Das geht sich nicht aus. Mein älterer Bruder war immer begeisterter Bauer. Ich habe meinem Vater gesagt, bitte gib es meinem Bruder, und damit sind beide glücklich geworden. Ich in meiner Selbständigkeit und mein Bruder als Bauer.