ehemaliger Profläufer Michael Buchleitner
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„Ganz persönlich“

Buchleitner: „Laufen ist Lebensqualität“

Michael Buchleitner ist Organisator des Wachau-Marathons und zuversichtlich, dass dieser im Herbst stattfinden wird. Der Mödlinger kritisiert in diesem Zusammenhang die Entscheidungsschwäche der Politik und hofft ebenso auf den Vienna City Marathon.

Michael Buchleitner ist ehemaliger österreichischer Hindernis- und Langstreckenläufer. 1992, 2000 und 2004 startete er bei den Olympischen Spielen. Der 51-Jährige hat zwei Kinder. Buchleitner veranstaltet unter anderem den Wachau-Marathon und hat ein Sportgeschäft in Wien.

Für die „NÖ heute“-Rubrik „Ganz Persönlich“ sprach Eva Steinkellner-Klein mit ihm über die Faszination Laufen, seine sportliche Karriere, aber auch über die Coronavirus-Krise und darüber, warum er auf eine Entscheidung bis Juni hofft.

noe.ORF.at: Waren Sie heute schon laufen?

Michael Buchleitner: Nein, aber ich mache jeden zweiten Tag Ausdauersport.

noe.ORF.at: Was ist eigentlich so toll am Laufen? Viele Hobbysportler sind der Meinung, es ist wahnsinnig langweilig.

Buchleitner: Laufen ist für mich unfassbar befreiend. Wenn ich nachdenken will, dann gehe ich laufen, allein in der freien Natur. Da kann ich wirklich gut abschalten und da habe ich gute Ideen. Ich habe auch viele Städte laufend besichtigt. Wenn man eine gewisse Geschwindigkeit hat und ein oder zwei Stunden laufen kann, dann sieht man viel. Bei Städteurlauben war ich oft in der Früh laufen und habe mir einen Überblick verschafft. Tagsüber habe ich mir die Sachen angeschaut, die ich im Vorbeilaufen gesehen habe.

ehemaliger Profläufer Michael Buchleitner
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2004 stellte Buchleitner als Vierter des Paderborner Osterlaufs mit 1:02:39 einen österreichischen Rekord im Halbmarathon auf, der 2007 gebrochen wurde

noe.ORF.at: Was sagen Sie Menschen, die anfangen wollen zu laufen, sich aber schwer tun. Wie kann man die Motivation verbessern?

Buchleitner: Man muss sich von Anfang an mit der Situation anfreunden können, dass es keine Sache ist, die in kurzer Zeit zu Erfolgen führt. Ich vergleiche das immer mit jemanden, der zum Surfen oder zum Snowboarden beginnt. Da akzeptiert man, dass man zunächst nur im Wasser liegt oder im Schnee. Beim Laufen glaubt jeder, das kann ja nicht so schwer sein. Aber Laufen ist die einzige Sportart, wo ich das Zwei- bis Dreifache meines eigenen Körpergewichts immer wegdrücken und auffangen muss und das ist ein enormer Aufwand für die Muskulatur und das Herz- Kreislauf-System. Es dauert wirklich zwei bis drei Monate bis sich der gesamte Organismus so weit ökonomisiert, dass er mit der Situation umgehen kann.

noe.ORF.at: Jetzt in der Krise boomt Laufen. Sehen Sie da auch die Gefahr, dass es manche übertreiben, sich übernehmen oder ist das ein Gewinn?

Buchleitner: Ich glaube, dass der Gewinn im Vordergrund steht. Natürlich machen Leute Fehler. Wir sehen das im Geschäft tagtäglich. Ganz wesentlich ist der Laufschuh. Wir haben uns im Geschäft dazu entschlossen, nur Schuhe mit Beratung zu verkaufen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Es gibt also keinen Online-Shop. Ob ich jetzt die nettesten Klamotten habe, spielt keine Rolle. Auf der anderen Seite ist die Grundregel, nicht zu schnell und zu viel zu wollen. Einfach ruhig anfangen.

ehemaliger Profläufer Michael Buchleitner (links) und Eva Steinkellner-Klein in „Ganz Persönlich“
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Michael Buchleitner im „Ganz Persönlich“-Gespräch mit Eva Steinkellner-Klein

„Immer weniger Leute, die Verantwortung übernehmen“

noe.ORF.at: Bleiben wir gleich bei Ihrem Geschäft. Sie haben ein Laufgeschäft in Wien. Wie ist es Ihnen in der Krise ergangen?

Buchleitner: Wenn wir offen hatten, haben wir auch gutes Geschäft gehabt. Mittlerweile sind wir bei Woche 14 oder 15, die wir geschlossen haben. Wir verkaufen natürlich keine Wettkampfschuhe mehr, diese Ware bleibt jetzt liegen. Aber der Dauerlaufschuhbereich geht gut, wir haben viele neue Kunden gewonnen. Wir spüren den Boom definitiv.

noe.ORF.at: Sie organisieren den Wachau-Marathon oder auch beispielsweise den Wings for Life Run, der findet heuer virtuell statt. Der Wachau-Marathon musste letzten Herbst abgesagt werden. Wie schaut es heuer aus?

Buchleitner: Ich glaube, dass wir laufen können. Ich weiß aber nicht mit wie vielen Leuten, ich weiß nicht, wie die Rahmenbedingungen ausschauen, was Verpflegungsstationen betrifft, was den Zielbereich betrifft. Unser Problem ist, dass wir überhaupt nicht planen können, weil ich nicht weiß, können 2.000, 5.000 oder 10.000 Leute im Herbst laufen.

Unser Glück ist, dass der Vienna City Marathon im Herbst mit 40.000 Leuten laufen will. Wenn das geht, können wir mit 10.000 laufen. Wenn er nur mit 10.000 laufen kann, dann ist diese große Läuferschar, die uns der Wien-Marathon eine Woche vor dem Wachau-Marathon wegnimmt, wieder frei. Es wird langsam knapp. Wir müssen spätestens im Juni wissen, was Sache ist. Ich habe durchaus Verständnis, dass angesichts der hohen Infektionszahlen und der angespannten Situation in den Intensivstationen, der Wachau-Marathon das letzte Problem ist. Die Situation gibt es halt im Moment nicht her, aber wir haben immer weniger Leute, die Verantwortung übernehmen wollen, die sagen, ich treffe jetzt eine Entscheidung. Das, was wir tagtäglich machen müssen, da tut sich die Politik sicher sehr viel schwerer.

noe.ORF.at: Sie waren drei Mal bei olympischen Spielen: in Barcelona, in Australien und in Athen. Wie war das?

Buchleitner: Sehr unterschiedlich. Bei den ersten Spielen in Barcelona war ich ein extrem junger Athlet, der einfach mal erschlagen war von der Dimension und den ganzen Sportlern dort. Das war das erste Jahr, in dem das amerikanische Basketballteam dabei war und wenn man dann plötzlich einen Michael Jordan sieht und eine Franziska Almsick und wie sie alle heißen, dann denkst du dir schon: Wahnsinn. Die Leichtathletik ist immer am Schluss und die ganzen anderen Sportler feiern nur noch. Am Strand von Barcelona herrscht Partystimmung. Du musst echt schauen, dass du konzentriert bleibst. Ich ziehe echt den Hut vor allen jungen Athleten, die dort richtig gut abliefern. Du musst schon eine richtig coole Socke sein.

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Zwei bis drei Monate könne es dauern bis sich der Körper an das Laufen halbwegs gewöhnt, so Buchleitner (r.)
ehemaliger Profläufer Michael Buchleitner
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Laufen sei für ihn von Anfang an befreiend gewesen, so Buchleitner (l. im weißen Trikot)
ehemaliger Profläufer Michael Buchleitner
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In Urlauben erkunde er Städte „laufend"
ehemaliger Profläufer Michael Buchleitner bei Olympia
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Zu Buchleitners größten Erfolgen gehören drei Olympia-Teilnahmen

„Da kam der Vorschlag, dass mit EPO hinzubiegen“

noe.ORF.at: War Doping je ein Thema?

Buchleitner: Ich war oft genug mit der Situation konfrontiert. Ich hatte ja gesundheitlich durchaus schwierige Jahre. Ich war zwischen 1994 und 1996 von der Bildfläche verschwunden. Ich hatte damals Pfeiffersches Drüsenfieber übergangen und habe lange gebraucht, um mich zu erholen. Damals kam von den Medizinern, dass ich mit dem Blutbild ein Problem habe. Und da kam schon der Vorschlag, dass mit EPO wieder hinzubiegen. Aber das geht für mich nicht. Diese Position habe ich nach wie vor. Meine Tochter war damals auf der Welt. Sie hat Diabetes Typ 1. Ich würde mir heute wahrscheinlich die Frage stellen, hat sie Diabetes, weil ich gedopt habe? Weil ich so deppert war, nur weil ich ein paar Sekunden schneller laufen wollte und ich irgendein Risiko für mich und vielleicht für meine Nachfahren eingegangen bin. Da hätte ich Schwierigkeiten damit.

noe.ORF.at: Als ehemaliger Leistungssportler mussten Sie ein hohes Maß an Disziplin an den Tag legen. Ist Ihnen das nie abgegangen, das Fortgehen, das auf das Couch liegen, sich gehen lassen?

Buchleitner: Sportler liegen viel auf der Couch (lacht). Ich habe mit zwölf Jahren mit Sport begonnen und mit 15 das erste Mal verstanden, dass das wirklich gut ist. Ich habe im Endeffekt mit diesem Sport alle Kontinente bereist. Ich bin aber wohl nie später als Mitternacht ins Bett gegangen, ich habe in meinem Leben nie eine Zigarette geraucht oder einen Rausch gehabt. Es hat mich auch vieles nie wirklich gereizt.

noe.ORF.at: Haben Sie noch sportliche Ziele in Ihrem Leben? Gibt es das noch nach einem Leben als Spitzensportler?

Buchleitner: Ich probiere immer wieder neue Sachen aus. Ich habe letztes Jahr mit meinem Sohn Stand-Up-Paddling ausprobiert mit dem Effekt, dass ich mir den Finger gebrochen habe (lacht). Ich habe ewig lang versucht, mich gegen meine Tochter im Tennis zu wehren. Das ist mir lange gelungen, auch mit psychologischen Tricks, bis es nicht mehr gegangen ist und sie mich geschlagen hat. Also ja, ich bin nach wie vor ein leidenschaftlicher Wettkämpfer.

Laufen mache ich nur zum Ausgleich. Ich fahre aber beispielsweise gern Rennrad. Ich habe letztes Jahr versucht mit dem Michi Strasser (Anm.: Österreichischer Extremsportler, der auf dem Rennrad Russland, Afrika und Amerika jeweils in Weltrekordzeit durchquerte) die eiserne Hand, eine Radstrecke auf den Kahlenberg, raufzufahren, wo ich kläglich gescheitert bin. Das ist mein nächstes Ziel: Ich möchte mit dem Rennrad, nachdem der Michi zehn Mal rauf- und runtergefahren ist, einmal raufkommen. Ich mache wirklich gern Bewegung. Das Laufen ist für mich wirklich Lebensqualität. Ich möchte auch mit 80 noch eine Stunde laufen können.