Intensivstation Krems
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Chronik

Intensivpflege: „Das Jahr ist schon sehr lang“

Die Lage in Niederösterreichs Spitälern ist nach wie vor angespannt. Noch immer müssen mehr Menschen intensivmedizinisch betreut werden als am Höhepunkt der zweiten Welle im Herbst. „Das Jahr ist jetzt schon sehr lang“, sagt eine Krankenpflegerin aus dem Krankenhaus Krems.

Für Außenstehende ist es kaum vorstellbar, wie kräfteraubend und belastend die Aufgaben sind, die das Pflegepersonal seit mehr als einem Jahr Tag für Tag zu stemmen hat – mittlerweile ist die dritte Welle in den Spitälern angekommen, etwa im Universitätsklinikum in Krems, wie ein Lokalaugenschein zeigt.

Vom Normalbetrieb, den es auf der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin bis vor wenigen Wochen noch einigermaßen gegeben hat, ist man wieder weit entfernt. Schürze, Handschuhe, Haube, Brille, eine zweite Schürze und ein zweites Paar Handschuhe – nur so ist der Zutritt in den Patientenbereich erlaubt.

Arzt und Pflegerin bei einem Krankenbett
ORF / Gernot Rohrhofer
Covid-Patienten verbringen im Durchschnitt drei Wochen auf der Intensivstation. Es kann aber auch deutlich länger sein

Die Betreuung in den Kojen ist jeden Tag aufs Neue eine aufwendige Prozedur. Pro Patient sind zwei Pflegerinnen und ein Arzt notwendig. Mehrmals am Tag müssen die Patienten vom Bauch auf den Rücken und wieder zurück auf den Bauch gedreht werden, „weil die Belüftung der Lunge wesentlich besser ist, wenn der Patient am Bauch liegt“, erklärt Gabriele Focke, die stellvertretende Stationsleiterin im Gespräch mit noe.ORF.at.

CoV-Alltag auf der Intensivstation

Ein Team des ORF Niederösterreich hat seltene Einblicke in die Arbeit auf einer Intensivstation bekommen. Die Situation in den Spitälern ist weiterhin angespannt.

„Auch Jüngere erkranken schwer“

Inzwischen sind es auch immer mehr jüngere Menschen, die auf den Intensivstationen in Krems, aber auch in den anderen Landeskliniken betreut werden müssen, sagt Primar Herbert Koinig: „Ja, das kann ich bestätigen. Die Patientinnen und Patienten werden jünger, aber es erkranken auch immer Jüngere schwer und das ohne wesentliche Vorerkrankungen.“ Der Grund ist die britische Virusmutante, die in Niederösterreich mittlerweile weit verbreitet ist.

Der jüngste Patient, der in Krems an den Folgen des Coronavirus gestorben ist, war 41 Jahre alt. Schicksale, die auch am Personal nicht spurlos vorübergehen: „Natürlich beschäftigt das einen sehr, wenn Patienten völlig aus dem Leben gerissen werden, völlig gesund sind und plötzlich bei uns liegen. Das könnte ja auch mein Mann oder ein Freund sein“, sagt Focke.

Gernot Rohrhofer und Johann Steinkogler auf der Intensivstation in Krems
Universitätsklinikum Krems
Mit einer Ausnahmegenehmigung durfte sich der ORF Niederösterreich auf der Intensivstation in Krems ein Bild machen

Das Team in Krems ist mittlerweile eingespielt. Man hat auch gelernt mit den Wellen, in denen das Virus sich niederschlägt, umzugehen. Dennoch: Eine vierte Welle will hier niemand. Seit dem Beginn der Pandemie vor einem Jahr wurden mehrere hundert Covid-Patienten behandelt, 70 davon auf Intensivstationen. „Das Jahr ist jetzt schon sehr lang, muss man sagen. Es ist schon anstrengend“, blickt die stellvertretende Stationsleiterin Gabriele Focke zurück.

„Man baut natürlich eine gewisse Beziehung auf“

Rückhalt findet sie im Familien- und Freundeskreis: „Patienten, die an Covid erkrankt sind, liegen bei uns teilweise 40, 50 Tage. Da baut man natürlich eine gewisse Beziehung auf. Gott sei Dank ist mein Mann sehr präsent und sind es meine Freunde auch. Aber wir reden auch hier im Team sehr viel.“

Als Differenzialdiagnose bezeichnet man Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik, die neben der eigentlichen Verdachtsdiagnose als mögliche Ursachen der Beschwerden in Betracht gezogen werden.

Die große Hoffnung liegt in der Impfung, sagt Primar Koinig: „Ich glaube, jeder Mensch in Österreich wäre froh, wenn das alles bald vorbei wäre. Ich hoffe, dass die Impfung, wenn eine entsprechende Durchimpfung erreicht ist, im Laufe des Sommers oder Spätfrühlings, Frühsommers dazu führt, dass wir in Richtung Normalisierung gehen. Es ist klar, dass Covid auch in Zukunft Teil einer Differenzialdiagnose sein wird, aber ich bin optimistisch, dass wir wieder ein relativ normales Leben führen können.“