Lisl Wagner-Bacher
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„GANZ PERSÖNLICH“

Lisl Wagner-Bacher: „Die Gäste fehlen“

Lisl Wagner-Bacher ist die erfolgreichste heimische Köchin, wurde als erste Frau „Koch des Jahres“ und erhielt mit dem Landgasthaus in Mautern (Bezirk Krems) zahlreiche Preise. Im Interview mit noe.ORF.at erzählt sie von der Übergabe an ihre Tochter und fehlenden Gästen.

Vor etwas mehr als 40 Jahren übernahm Lisl Wagner-Bacher im Jahr 1979 das Landgasthaus ihrer Eltern in ihrer Heimatgemeinde Mautern und führte es gemeinsam mit ihrem Ehemann. Bereits zwei Jahre nach der Übernahme rangierte sie mit zwölf Punkten im „Gault Millau“, ein Jahr später gab es mit 13 Punkten die erste Haube, später folgten weitere. Darüber hinaus wurde die österreichische Spitzenköchin mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet.

Wagner-Bacher verfügt über eine umfangreiche Kochbuchsammlung, deren Ursprünge bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Das Landgasthaus in Mautern ist mittlerweile an die nächste Generation übergeben worden. Wie es ihr damit ging, in die zweite Reihe zurückzutreten und wie der Traditionsbetrieb mit der Pandemie umgeht, erzählte die Top-Gastronomin im Gespräch mit noe.ORF.at.

noe.ORF.at: Normalerweise ist im Landhaus die Gaststube voll. Seit Anfang November ist hier geschlossen, wir befinden uns im vierten Lockdown. Wie geht es Ihnen damit?

Lisl Wagner Bacher: Am Anfang haben wir uns gedacht, es muss halt so sein und dass von Anfang November bis 6. Dezember geschlossen sein wird. An das Enddatum haben wir eh nicht ganz geglaubt, aber dass es so lange dauern würde durch die vielen verschiedenen Mutationen, damit haben wir nicht gerechnet.

Allerdings haben wir uns ein paar andere Standbeine gesucht: Wir machen Speisen im Glas, verkaufen sie im Online-Shop, außerdem habe ich einen kleinen Shop in Wien in der Annagasse und ganz neu haben wir unsere Speisen auch in zehn Rewe-Filialen in Wien. Trotzdem muss man sagen: Es ist jetzt schon sehr lange zu, und wenn man über 40 Jahre Gastwirtin war, dann fehlen die Gäste – und ich glaube, wir fehlen den Gästen auch.

noe.ORF.at: Sie haben sich nie als Köchin bezeichnet, sondern als Gastgeberin. Warum?

Wagner-Bacher: Ich bin der Meinung, dass alles zusammengehört. Ich habe zum Beispiel im Lokal immer mitdekoriert. Gastlichkeit ist ein Gesamtes, da gehört eine gute Küche dazu, da gehört ein guter Service dazu, wunderbare Getränke und ein schönes Ambiente, damit sich die Gäste wohlfühlen. Wenn die Gäste gehen und sagen, dass es sich wie ein Urlaubstag angefühlt hat und dass sie sich wohlgefühlt haben, dann ist es das Schönste, das uns passieren kann.

Lisl Wagner-Bacher
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Die Spitzengastronomin in Mautern im Gespräch mit ORF-Niederösterreich-Redakteur Robert Friess

noe.ORF.at: Sie haben den Gasthof von Ihrem Vater übernommen. Damals standen Schweinsbraten und Schnitzel auf der Speisekarte. Wie wichtig war Ihr Vater für die Entwicklung?

Wagner-Bacher: Mein Vater ist ja blind aus dem Krieg zurückgekommen. Er hat immer diese Gastlichkeit gelebt, er hat die Gäste beim Namen genannt, er hat immer geschaut, dass er ein bisschen Abwechslung auf die Karte bringt und er hat immer gesagt, ‚Kind, wir haben einen schönen Beruf. Wir lernen so viele interessante Leute kennen, können so viele Gäste zufriedenstellen und können auch von unseren Gästen lernen.‘ Das habe ich von ihm mitbekommen, und kann es nach so vielen Jahren nur bestätigen.

noe.ORF.at: Ihr Mann kommt ja nicht aus der Gastronomie. Wie hat der Arbeitsalltag funktioniert?

Wagner-Bacher: Mein Mann war Hochbauingenieur. Als er mich kennengelernt hat, war mein Vater gar nicht glücklich. ‚Um Gottes Willen, der passt ja gar nicht‘, hat er gesagt. Aber wir haben uns durchgesetzt. Ich habe aber nie einen Zweifel aufkommen lassen, wenn er mich heiratet, dass er auch einen Betrieb heiratet. Mein Mann hat sehr schwierige Jahre neben meinem Vater erlebt, weil er geglaubt hat, er muss ihm alles beibringen. Aber wie man sieht, ist es gut gegangen. Er ist vom Biertrinker ganz schnell zum Weinkenner geworden. Wir haben uns gut ergänzt und jeder hatte seinen Part: Er war im Service, ich in der Küche.

Lisl Wagner-Bacher
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Lisl Wagner-Bacher im Jahr 1982 als Junior-Chefin des Landgasthauses, für dessen Küche sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt

noe.ORF.at: Über hundert Hauben sind es seit der ersten Hauben im Jahr 1982. Wie kann man so lange ein hohes Niveau halten?

Wagner-Bacher: Da gibt es ganz einfache Rezepte: beste Qualität und Freude am Beruf. Es klingt zwar etwas ausgelatscht, aber das ist schön und wichtig.

noe.ORF.at: Mittlerweile hat Ihr Schwiegersohn Thomas Dorfer, ebenfalls ein Spitzenkoch, die Küche übernommen. Ihre Tochter leitet das Restaurant. Mischt sich da die Mutter noch manchmal ein?

Wagner-Bacher: Ich muss mich gar nicht einmischen, sie fragen mich auch. Es macht mich stolz, dass sie akzeptieren, dass ich da bin. In der Küche rede ich nicht mehr viel mit, aber wenn Sie meine Tochter und den Schwiegersohn fragen, werden sie vermutlich sagen, dass ich schon hineinrede. Die Küche loszulassen war ein Lernprozess, aber es wurde Zeit für den Generationenwechsel.

noe.ORF.at: Wann hoffen Sie, sperrt die Gastronomie wieder auf?

Wagner-Bacher: Hoffen wir, dass wir irgendwann im Mai wieder aufsperren können, dass die Hotellerie wieder öffnet und dass wir zu einem normalen Leben zurückkehren, natürlich mit allen Auflagen, die uns gegeben werden. Unsere Gäste werden auch getestet, wenn es notwendig ist. Da sehe ich kein Problem.