Frau mit Maske hockt am Boden, wirkt erschöpft
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Gesundheit

Long Covid: Noch immer nicht gesund

Jeder zehnte Patient, der an Covid-19 erkrankt ist, hat nach dem Ende der eigentlichen Infektion massive gesundheitliche Beschwerden. Bei Long Covid fühlen sich Betroffene Monate später noch völlig erschöpft. Forschung und Therapie stehen aber erst am Anfang.

„Ich hab mir gedacht, wenn ich die Coronavirus-Infektion überstanden habe, dann ist es überstanden. Mit dem, was danach gekommen ist, habe ich überhaupt nicht gerechnet“, sagt Karin Buchegger, Volksschul-Direktorin aus Mitterndorf an der Fischa (Bezirk Baden). Mehr als 100 Symptome werden mit Long Covid in Zusammenhang gebracht, etwa Herzrasen, Kopf- oder Gelenksschmerzen.

Am häufigsten leiden die Betroffenen unter massiver Erschöpfung, ohne dass sich dafür eine Ursache finden lässt. „Organisch scheint alles in Ordnung zu sein. Ich habe zwar Symptome, aber man hat noch nicht den Punkt gefunden, an dem man ansetzen kann, um mir zu helfen“, erzählt die Physiotherapeutin Manuela Treppler aus Mödling. Vor einem Jahr erkrankte sie, zwei Reha-Aufenthalte und zahlreiche Arztbesuche später ist sie immer noch geschwächt. Trotzdem will sie ab Mai in Teilzeit wieder zu arbeiten beginnen.

Ärzte vermuten autoimmunologische Ursache

Möglicherweise handelt es sich bei Long Covid um einen autoimmunologischen Prozess, erklärt der Allgemeinmediziner Ramin Nikzad: „Dafür spricht, dass sich die Beschwerden unter Cortison komplett zurückbilden. Blöd ist nur, dass die Beschwerden wiederkommen, wenn man das Cortison absetzt. Das kann man natürlich nicht dauerhaft geben.“ Nikzad stellt auch einen Zusammenhang mit gehäuften Erkrankungen der Schilddrüse her, zudem gebe es Patienten mit rheumatoiden Gelenksbeschwerden.

Therapiert werden daher zur Zeit nur die Symptome, so Nikzad, zum Beispiel mit Schmerzmedikamenten bei anhaltenden Schmerzsyndromen oder mit bestimmten Psychopharmaka gegen Müdigkeit, um den Antrieb zu steigern. Auch Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel werden immer wieder empfohlen. 13 Tabletten nimmt Patientin Treppler aktuell pro Tag, aber „die Haupttherapie besteht darin, auf mich selbst zu achten und auf meine Grenzen zu schauen“. So könne sie sehen, „wie weit ich gehen kann, um immer unterhalb dieser Grenze zu bleiben und um langsam einen Fortschritt zu haben.“

Frau sitzt nachdenklich auf Fensterbank
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Jeder Zehnte leidet nach der CoV-Infektion an Long Covid. Auch Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit gehören dazu.

Empfohlen wird Long-Covid-Patienten, sich impfen zu lassen. „Es gibt eine Untersuchung, wonach 20 Prozent der Long-Covid-Patientinnen und -Patienten von der Impfung profitiert haben“, so Nikzad. Die Symptome hätten sich in diesen Fällen gebessert. Das hat auch Manuela Treppler gemacht: „Im Sommer letzten Jahres hatte ich Antikörper, acht Monate später hatte ich keine mehr. Ich habe mich impfen lassen, jetzt habe ich wieder Antikörper.“

Selbsthilfegruppe unterstützt Betroffene

Die Vermutung mancher, es könne sich um eine psychosomatische Erkrankung handeln, weist der Mediziner zurück: „Es ist eindeutig eine körperliche Erkrankung im Anschluss an den Infekt. Auch die Idee, die Betroffenen könnten traumatisiert sein, weil ihnen der Infekt noch in den Knochen steckt, stimmt so nicht. Es gibt Leute, die ganz milde Verläufe und kaum Symptome hatten und trotzdem Long Covid entwickelt haben.“

Hilfe bekommen Betroffene bei der Selbsthilfegruppe „Long Covid Austria“. Hier erhalten sie Informationen, aber auch Verständnis und Zuspruch, denn beides wird den Betroffenen oft von ihrem Umfeld verwehrt. Der größte Wunsch von Karin Buchegger: „Es freuen sich alle, wenn der Lockdown beendet wird. Ich würde mir wünschen, dass mein innerer Lockdown beendet wird, dass ich wieder der fröhliche, belastbare Mensch werden kann, der ich vorher war.“