Vor einer Viertelmilliarde Jahren löste ein weltweiter Klimawandel, der vermutlich durch eine Reihe großer Vulkanausbrüche verursacht wurde, ein Massensterben in den Meeren des Mesozoikums aus. Spuren dieser sogenannten „Karnischen Krise“ können heute noch gefunden werden – unter anderem in der Region Lunz am See.
Mesozoikum
Das Mesozoikum wird auch Erdmittelalter genannt und in Trias, Jura und Kreide unterteilt. Es begann vor 250 Millionen Jahren und endete vor 66 Millionen Jahren. Das heutige Österreich war damals fast gänzlich mit Wasser bedeckt.
Weltweit angesehener Fossilien-Fundort
Unter Paläontologen, die sich mit den Lebewesen und Lebenswelten aus früheren Teilen der Erdgeschichte befassen, genießt die Region Lunz am See weltweit den Ruf als reichhaltiger Fossilien-Fundort. Das liegt daran, dass sich in der Gegend durch spezielle Sedimentablagerungen eine Konservat-Lagerstätte gebildet hat, in der eingeschlossene Lebewesen besonders gut erhalten geblieben sind.
In dieser Region untersucht ein internationales Team unter der Leitung des in Gablitz (Bezirk St. Pölten) lebenden Paläontologen Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum Wien das Ökosystem im Zeitraum des großen Massensterbens vor 233 Millionen Jahren. Im Rahmen des Projekts, das vom Land Niederösterreich und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziert wird, wird diese einzigartige Fossilfundstelle zwei Jahre lang erforscht.
Erdschichten sind wie Buchseiten
Im Gespräch mit noe.ORF.at erklärt Alexander Lukeneder, dass man ein Gesamtbild der Fundstelle erstellen wolle. Es sei nicht mehr so wie früher, dass sich jeder nur auf eine spezielle Fossilienart konzentriere. Stattdessen wollen Lukeneder und sein Team herausfinden, welche Arten wie gelebt haben oder wer wenn gejagt hat. Außerdem sollen die Untersuchungen Erkenntnisse zu den damaligen klimatischen Bedingungen liefern, etwa zur Meerestemperatur oder zur Regenmenge. Zu jener Zeit war fast ganz Österreich mit Wasser bedeckt, mit flachen Bereichen voller Korallen, so Lukeneder.
Für die Ausgrabungen wird eine dreieinhalb Meter dicke Erdschicht untersucht. Diese setzt sich aus rund 1.000 Sedimentschichten zusammen. Jede dieser Schichten ist wie die Seite eines Buches, auf der vermerkt ist, aus welcher Zeit sie stammt. In einer Schicht könne zum Beispiel ein bestimmter Fisch neben einem Ammoniten liegen, in einer anderen wiederum ein Exemplar einer Borstenwurmart, erklärt Lukeneder. Bei den Ausgrabungen werden die Schichten abgetragen, gewaschen, getrocknet und in kleine Teile aufgespaltet, um sie analysieren zu können. Die Proben gehen dafür an Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt.
Fossilien
Fossilien sind Überreste von Lebewesen, die älter als 10.000 Jahre sind. In der Region Lunz konnten bereits Fossilien von Ammoniten (Kopffüßern), Tintenfischen, Muscheln, Schnecken, Borstenwürmern, Lungenfischen, Quastenflossern und Pflanzenfossilien gefunden werden.
Beweise für eine globale Klimakatastrophe
Diese Erdschicht ist wie eine Zeitkapsel für einen rund zwei Millionen Jahre langen Zeitraum, in dem die globale „Karnische Krise“ stattfand. Laut Alexander Lukeneder kam es damals zu massiven Vulkanausbrüchen, die zu einer starken Klimaerwärmung führten. Durch massive Regenfälle wurden große Mengen an Sedimenten in die Meere geschwemmt, die zum eingangs erwähnten Massensterben in den Meeren führten. Die Erkenntnisse der Lunzer Fossilienforschung könnten diese Theorie untermauern.
Die Suche nach Fossilien ist jedoch nicht nur Expertinnen und Experten vorbehalten. Bereits im 19. Jahrhundert fanden Bergleute im Raum Lunz 1.000 Fossilien, als sie auf der Suche nach Kohle Stollen gruben. Knapp 140 Jahre später gibt es zahlreiche Leute, die als sogenannte Citizen Scientists (engl. für „Bürger-Wissenschaftler“, Anm.) hobbymäßig nach Fossilien suchen und ihre Funde melden.
Für diese Leute schuf Alexander Lukeneder im vergangenen Jahr die Fossilfinder App. Mit der kostenlosen Handyanwendung können Interessierte Fotos von Fundstücken an Alexander Lukeneder schicken, der diese dann untersucht. Mehr als 1.000 Funde erhielt der Paläontologe dadurch bisher. Die App wird auch bereits von Schulklassen im Unterricht verwendet und bietet so einen Zugang zu einer längst vergangenen Zeit.